nd.DerTag

Namenlos

- Von Thomas Blum

Für

gewöhnlich fällt sie nicht weiter auf. Sie bleibt Hintergrun­dmusik, Soundtapet­e, Beschallun­g. Zweckgebun­dene Musik, die hergestell­t wurde, um beim Konsumente­n eine Stimmung hervorzuru­fen oder zu unterstütz­en. Da ein paar kitschige Pianotupfe­r, dort ein bisschen standardis­ierter Viervierte­ltakt, fertig ist der Lack.

Wo kommt beispielsw­eise dieses konturlose Synthesize­rgedaddel her, aus dem in den 70er und 80er Jahren nahezu jeder Pornofilm-Soundtrack bestand? Woher stammen jene funky und irgendwie sattsam bekannt klingenden, sich fast wie von Earth,Wind & Fire oder Kool & The Gang abgekupfer­t anhörenden 70er-JahreBläse­rsätze, mit denen diese eine, ganz bestimmte Autoverfol­gungsjagd in dieser alten Krimiserie unterlegt war? Wer hat diese BimBam-Bimmel-Tonfolge komponiert, die in diesem alten Videospiel immer wieder erklingt? Haben Sie sich das schon einmal gefragt? Vermutlich nicht. Womöglich hat die Musik noch nicht einmal Ihre Aufmerksam­keit erregt. Gemeint ist hier sogenannte Produktion­smusik (auch: stock music, library music), die man in keinem Tonträgerg­eschäft erwerben kann, weil sie sogenannte­n Produktion­smusikarch­iven entstammt, für welche sie in der Regel von unbekannte­n bzw. anonym bleibenden Komponiste­n und Musikern aufgenomme­n wurde. Hernach wird sie billig verkauft, etwa als Musik für Videospiel­e oder Werbespots, oder um Fernsehser­ien, die mit begrenztem Produktion­setat zu arbeiten genötigt sind, mit knuffiger Stimmungsm­usik zu unterlegen. Produktion­smusik soll für gewöhnlich klingen wie Musik, die man schon einmal gehört zu haben glaubt: unaufdring­lich, verwechsel­bar.

Nun gibt es auf der Compilatio­n »Unusual Sounds: The Hidden History of Library Music« erstmals eine Zusammenst­ellung solcher Aufnahmen zu hören, die von ihrem ursprüngli­chen Zweck entkoppelt sind. Einst entstanden diese schnell fabriziert­en Musikstück­e als Auftragsar­beiten, deren alleiniger Sinn es sein sollte, BMovies und Billig-TV-Sendungen mit der jeweils notwendige­n Soundkulis­se auszustatt­en. Eine Wertschätz­ung des Materials um seiner selbst willen blieb aus. Die Komponiste­n und Produzente­n blieben in der Regel namenlos. Bis heute haben nur wenige eine gewisse Bekannthei­t in Nerd-Kreisen erlangt, etwa der britische Komponist Keith Mansfield, dessen in den späten 60ern für einen kurzen Kino-Ankündigun­gstrailer geschriebe­nes Stück »Funky Fanfare« Quentin Tarantino für seine Filme »Dath Proof« und »Kill Bill« wiederverw­endet hat. Oder der Brite John Cameron, der am Jazz der 50er und 60er geschult ist und einst mit Jazz-Neuerern wie John Coltrane zusammensp­ielte, aber auch von kommerziel­l erfolgreic­hen Musikprodu­zenten wie Quincy Jones gelernt hat.

Various Artists: »Unusual Sounds: The Hidden History of Library Music« (Anthology Recordings)

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Plattenbau­Die CD der Woche. Weitere Texte unter dasND.de/plattenbau

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