Namenlos
Für
gewöhnlich fällt sie nicht weiter auf. Sie bleibt Hintergrundmusik, Soundtapete, Beschallung. Zweckgebundene Musik, die hergestellt wurde, um beim Konsumenten eine Stimmung hervorzurufen oder zu unterstützen. Da ein paar kitschige Pianotupfer, dort ein bisschen standardisierter Viervierteltakt, fertig ist der Lack.
Wo kommt beispielsweise dieses konturlose Synthesizergedaddel her, aus dem in den 70er und 80er Jahren nahezu jeder Pornofilm-Soundtrack bestand? Woher stammen jene funky und irgendwie sattsam bekannt klingenden, sich fast wie von Earth,Wind & Fire oder Kool & The Gang abgekupfert anhörenden 70er-JahreBläsersätze, mit denen diese eine, ganz bestimmte Autoverfolgungsjagd in dieser alten Krimiserie unterlegt war? Wer hat diese BimBam-Bimmel-Tonfolge komponiert, die in diesem alten Videospiel immer wieder erklingt? Haben Sie sich das schon einmal gefragt? Vermutlich nicht. Womöglich hat die Musik noch nicht einmal Ihre Aufmerksamkeit erregt. Gemeint ist hier sogenannte Produktionsmusik (auch: stock music, library music), die man in keinem Tonträgergeschäft erwerben kann, weil sie sogenannten Produktionsmusikarchiven entstammt, für welche sie in der Regel von unbekannten bzw. anonym bleibenden Komponisten und Musikern aufgenommen wurde. Hernach wird sie billig verkauft, etwa als Musik für Videospiele oder Werbespots, oder um Fernsehserien, die mit begrenztem Produktionsetat zu arbeiten genötigt sind, mit knuffiger Stimmungsmusik zu unterlegen. Produktionsmusik soll für gewöhnlich klingen wie Musik, die man schon einmal gehört zu haben glaubt: unaufdringlich, verwechselbar.
Nun gibt es auf der Compilation »Unusual Sounds: The Hidden History of Library Music« erstmals eine Zusammenstellung solcher Aufnahmen zu hören, die von ihrem ursprünglichen Zweck entkoppelt sind. Einst entstanden diese schnell fabrizierten Musikstücke als Auftragsarbeiten, deren alleiniger Sinn es sein sollte, BMovies und Billig-TV-Sendungen mit der jeweils notwendigen Soundkulisse auszustatten. Eine Wertschätzung des Materials um seiner selbst willen blieb aus. Die Komponisten und Produzenten blieben in der Regel namenlos. Bis heute haben nur wenige eine gewisse Bekanntheit in Nerd-Kreisen erlangt, etwa der britische Komponist Keith Mansfield, dessen in den späten 60ern für einen kurzen Kino-Ankündigungstrailer geschriebenes Stück »Funky Fanfare« Quentin Tarantino für seine Filme »Dath Proof« und »Kill Bill« wiederverwendet hat. Oder der Brite John Cameron, der am Jazz der 50er und 60er geschult ist und einst mit Jazz-Neuerern wie John Coltrane zusammenspielte, aber auch von kommerziell erfolgreichen Musikproduzenten wie Quincy Jones gelernt hat.
Various Artists: »Unusual Sounds: The Hidden History of Library Music« (Anthology Recordings)