Tag der Antworten
Während die Italienerin Lisa Vittozzi in Oberhof ihren ersten Weltcup gewinnt, erleben die deutschen Biathletinnen ein Debakel
Nach der Weihnachtspause beginnt die Biathlonsaison noch einmal neu. Die deutschen Frauen sind offenbar schlecht über die Feiertage gekommen. Ohne Laura Dahlmeier rutschen sie in eine Krise.
Der erste Biathlonweltcup des Jahres hat immer etwas von einem Neuanfang. Die Wettbewerbe werden traditionell nach der Weihnachtspause in Oberhof ausgetragen, und die Athleten kommen mit vielen Fragen im Gepäck in den Thüringer Wald. »Konnte ich die Form halten? Habe ich meine Probleme in den Griff bekommen? Wie gut kam die Konkurrenz über die Feiertage?« Für eine Italienerin fielen die Antworten komplett positiv aus, für die deutsche Mannschaft hingegen durchweg negativ.
Lisa Vittozzi gewann am Donnerstag ihren ersten Weltcup. Die als Schnellschützin bekannte 23-Jährige bestach im Sprint nun auch auf Ski mit der drittschnellsten Laufzeit aller 101 Starterinnen. Ihr erster Erfolg hatte sich angekündigt – sie ist Dritte im Gesamtweltcup –, dass sie ihn aber in Oberhof erringen würde, wo die schnellsten Läuferinnen im Vorteil sind, kam auch für Vittozzi überraschend. »Das war ein schweres Ren- nen, denn diese Strecke ist sehr hart«, sagte sie kurz nach ihrem Triumph. »Ich war Ende Dezember sehr müde, im letzten Rennen war ich nur 27. Also habe ich über Weihnachten erst mal ein paar Tage gar nichts gemacht. Viel Regeneration scheint das beste Training zu sein, denn heute kann ich endlich meinen ersten Sieg feiern.«
Nach Feiern war den Deutschen nicht zumute. Nicht eine von ihnen war unter die Besten 30 gelaufen. Das hatte es für die jahrzehntelang führende Biathlonnation so wohl noch nie gegeben. 2018 galt es noch als Debakel, wenn mal keine unter die besten Zehn kam. Vor zehn Jahren war es sogar Ziel, dass stets eine deutsche Frau aufs Podest laufen müsse. An diesem Donnerstag in Oberhof aber lagen Athleten aus 15 verschiedenen Nationen vor der besten Deutschen – Karolin Horchler auf Rang 34 –, darunter Chinesinnen und Estinnen.
Vor der ersten deutschen Läuferin lagen vier Italienerinnen, vier Französinnen und vier Russinnen. Daher schwante Fans und Trainern nicht nur Böses für die Verfolgung am Sonnabend, sondern auch für die Staffel am Sonntag. »Wir hatten große Erwartungen. Also sind wir natürlich sehr enttäuscht«, sagte Frauen-Disziplintrainer Kristian Mehringer. »Am Schießstand haben unsere Sportle- rinnen nicht konzentriert genug gearbeitet. Das darf nicht passieren. Im Verfolger müssen sie sich nun beweisen«, erhöhte der junge Trainer erstmals den Druck auf die Mannschaft, die erneut bewies, dass sie ohne Laura Dahlmeier keine Siegläuferin in ihren Reihen hat. Die Garmischerin lässt wegen einer Erkältung die Oberhofer Rennen aus.
Dass nicht alles falsch läuft, bewies Denise Herrmanns beste Laufzeit und Anna Weidels beste Schießzeit unter allen Starterinnen. Doch Herrmann schoss vier Fehler und kam nach entsprechend vielen Strafrunden doch nur auf Platz 36 ein. Weidel schoss zwar nur einmal daneben, lief aber so schwach, dass sie auf Rang 80 sogar die Qualifikation für die Verfolgung verpasste. Die Verbindung beider Disziplinen gelingt derzeit keiner deutschen Biathletin.
Dass dies der neue Normalzustand sein soll, wollen die Deutschen aber noch nicht akzeptieren. Franziska Preuß, als Elfte im Gesamtweltcup die derzeit beste Deutsche, brachte das so auf den Punkt: »Jetzt können wir uns noch eine Stunde ärgern, aber dann müssen wir wieder nach vorn schauen.« Lisa Vittozzi fiel dieser Blick in die Zukunft um einiges leichter: »Der Verfolger ist mein Lieblingsrennen. Da werde ich noch mehr Spaß haben.«