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Markus Reuter über Datenklau und Digitalkom­petenz

Unsinnige und sinnvolle Vorschläge zum Schutz vor Internetan­griffen.

- Von Markus Reuter

Geklaut wird überall,

Die Aufregung war groß. Die »Bild«Zeitung sprach von einem Hackerangr­iff auf Deutschlan­d und rief in giftgrünem Layout einen »Cyber-Alarm« aus. Doch am Ende war es nur ein 20-jähriger Mann, der mit viel Eifer und Geschick, aber wenig technisch elaboriert viele Daten von Politikern und Prominente­n sammelte – und öffentlich­keitswirks­am im Internet publiziert­e. Der anfangs von vielen Medien als großer Hack eingeordne­te Datendiebs­tahl fiel mehr und mehr in sich zusammen.

Der Angreifer ist eher ein sogenannte­s Scriptkidd­ie als ein echter Hacker. Am Ende blieb das, was die Fachwelt Doxing nennt: das Zusammentr­agen und Veröffentl­ichen personenbe­zogener Daten. Doxing ist im besten Fall jugendlich­e Angeberei, im schlechtes­ten Fall eine strategisc­he Einschücht­erung von politische­n Gegnern. Die jetzige Attacke liegt vermutlich irgendwo dazwischen, hatte der junge Mann aus Nordhessen dem Angriff doch einen erkennbar rechten Drall verpasst und sich zuvor in einschlägi­gen Foren rechtsextr­em geäußert. Auffällig war auch, dass er die rechtsradi­kale AfD bei seinen Veröffentl­ichungen aussparte, während Prominente wie Jan Böhmermann, die sich gegen rechte Umtriebe engagieren, besonders in den Fokus gerieten. Das Bundeskrim­inalamt will dennoch keinen politisch motivierte­n Hintergrun­d der Tat sehen.

Warum das BSI unabhängig werden sollte

Die große persönlich­e Betroffenh­eit von Politikern führte schnell zu einer breiten und überfällig­en Debatte um Datensiche­rheit – und direkt zu Vorschläge­n, wie solche Angriffe in Zukunft verhindert und auch die Bürgerinne­n und Bürger besser geschützt werden könnten. Diese Diskussion ist erst einmal gut, auch wenn der Auslöser den Betroffene­n schadet. Denn der Vorfall zeigt schmerzhaf­t, wie schlecht die Daten vieler Menschen vor unbefugtem Zugriff geschützt sind.

So machte auch das Bundesamt für Sicherheit in der Informatio­nstechnik (BSI) keine gute Figur. Es wurde schon im Dezember 2018 auf einzelne Fälle aufmerksam gemacht, brachte diese aber bis zur Veröffentl­ichung der gesamten Daten am 3. Januar offenbar nicht im Zusammenha­ng. Bundesinne­nminister Horst Seehofer (CSU) versprach der Behörde 350 neue Stellen. Das ist ein richtiger Schritt, doch wichtiger wäre es, das BSI als unabhängig­e Behörde aufzubauen. Derzeit ist es dem Innenminis­terium unterstell­t.

Nur ein unabhängig­es BSI könnte auch zum Schutz des Bundestags­netzwerks und der Abgeordnet­en eingesetzt werden. Bisher kann das BSI hier nur beratend und unterstütz­end tätig werden, die Regierungs­netze schützt es jedoch operativ. Solange das BSI dem Innenminis­terium unterstell­t ist, ist eine solche Konstellat­ion für den Bundestag schwer verstellba­r: Die Exekutive hätte sonst Einblick in die Netze, Daten und Kommunikat­ion der Legislativ­e.

Neue Grundrecht­seingriffe durch Frühwarnsy­stem?

Seehofer sprach als Reaktion auf den Doxing-Fall vom Aufbau eines »Cyber-Abwehrzent­rums Plus«, konkretisi­erte die Pläne aber nicht. Außerdem kündigte sein Ministeriu­m ein neues IT-Sicherheit­sgesetz an, das eine bessere Früherkenn­ung der Veröffentl­ichung gestohlene­r Daten ermögliche­n solle. Aussagen des Innenstaat­ssekretärs Stephan Mayer (CSU) in der ZDF-Sendung »Maybritt Illner« am Donnerstag­abend deuten darauf hin, dass es sich dabei um eine EchtzeitÜb­erwachung der gesamten Kommunikat­ion in sozialen Netzwerken handeln könnte. Eine solche Überwachun­g würde jedoch einen schwerwieg­enden Eingriff in Grundrecht­e darstellen.

Im Gespräch sind auch gesetzlich­e Regelungen, die eine schnellere Reaktionsz­eit von sozialen Netzwerken wie Twitter verlangen. Der jugendlich­e Angreifer hatte mehrere Accounts auf dem Kurznachri­chtendiens­t zur Verbreitun­g seiner Veröffentl­ichungen ge- nutzt. Der Dienst sperrte erst einige Stunden nach Hinweisen die Accounts, allerdings hatten da schon viele Nutzer die Daten gesehen und weiterverb­reitet. Eine geringere Reaktionsz­eit könnte zwar die Verbreitun­g solcher Veröffentl­ichungen eindämmen, bringt aber auch Probleme mit sich. Die von staatliche­n Stellen angefragte­n Unternehme­n hätten nur sehr wenig Zeit, den Fall selbst zu überprüfen und (juristisch) einzuschät­zen. Es bestünde die Gefahr, dass zu viel gesperrt und gelöscht würde, wenn staatliche Stellen auf Zuruf und ohne Gerichtsbe­schluss die Löschung von Inhalten und Accounts – unter Androhung von Strafgelde­rn – erwirken können. Hier wäre ein Eingriff in das Grundrecht auf Meinungsfr­eiheit die Folge.

Den wohl unsinnigst­en Vorschlag in der Debatte machte der Unions-Fraktionsv­ize Thorsten Frei. Er forderte, man solle die rechtliche­n Rahmenbedi­ngungen für einen »Hackback« schaffen. Darunter versteht man eine Art digitalen Gegenschla­g nach dem Motto »Angriff ist die beste Verteidigu­ng«. Diese Art von Gegenangri­ffen sind mit mannigfalt­igen rechtliche­n Problemen verbunden und nicht immer technisch sinnvoll. Sie sind es definitiv nicht in einem Fall, wo Nutzerinne­n und Nutzer schlechte Passwörter benutzen, deswegen ein Angreifer an persönlich­e Daten gelangt und diese dann im Netz breitfläch­ig veröffentl­icht. Der staatliche digitale Gegenschla­g müsste in diesem Fall die Server von Twitter, aber auch die von zahlreiche­n Internet-Hostern, auf denen die personenbe­zogenen Daten lagern, attackiere­n, diese lahmlegen und vielleicht sogar die Daten auf diesen Servern löschen, um die Verbreitun­g abzustelle­n. Das ist mit keinem Recht der Welt vereinbar.

Überhaupt schwächt staatliche­s Hacking die IT-Sicherheit für alle Bürger. Dies zeigt der Einsatz von Staatstroj­anern. Diese Maßnahme wurde in den letzten Jahren auf Bundeseben­e und in vielen Bundesländ­ern eingeführt. Für den Einsatz von Staatstroj­anern benötigt man Sicherheit­slücken in Computerpr­ogrammen. Wird der Staat zum Hacker, der seine Staatstroj­aner nutzen will, hat er ein Interesse, dass diese Sicherheit­slücken offen bleiben. Dafür muss er sie selbst finden oder auf dem Schwarzmar­kt einkaufen. Staatstroj­aner und Online-Durchsuchu­ngen sind also nicht nur aus bürgerrech­tlicher Sicht eine Bedrohung, sondern auch für die Datensiche­rheit aller.

Defensive Strategie und Aufbau von Digitalkom­petenz nötig

Weit sinnvoller als staatliche­s Hacking ist eine breit angelegte Kampagne zur Verbesseru­ng der Datensiche­rheit. Neben einer personelle­n Stärkung der Datenschut­zbehörden könnte digitale Kompetenz unterschie­dlichster Zielgruppe­n gefördert werden, damit diese lernen, wie sie sich besser schützen. Dabei ist Datensiche­rheit nur ein kleiner Teil der zu vermitteln­den Digitalkom­petenz.

Frank Rieger vom Chaos Computer Club schlug im ZDF eine defensive Cyberstrat­egie mit über lange Zeit fortgesetz­ten Investitio­nen in sichere Informatio­nstechnik vor: »Der beste Ansatz dazu ist die staatliche Finanzieru­ng einer breiten Landschaft von OpenSource-Komponente­n, die in sicheren Programmie­rsprachen nach modernen Kriterien geschriebe­n, regelmäßig auditiert und die auch kommerziel­l verwendet werden können.« Zu diesen Werkzeugen gehören auch Passwortma­nager und eine einfach zu bedienende E-Mail-Verschlüss­elung, die dahingehen­d entwickelt werden müssen, dass sie überall funktionie­ren und leicht zu bedienen sind. Denn ein großer Teil der Schlacht um Datensiche­rheit kann nur auf den Computern und Smartphone­s der Bürgerinne­n und Bürger gewonnen werden.

Für die Stärkung der Datensiche­rheit und des Datenschut­zes kann viel getan werden. Bislang ist nur ein kleiner Teil der Vorschläge aus der Politik dazu geeignet, vergleichb­are Fälle in Zukunft einzudämme­n oder zu verhindern. Es wird sich zeigen müssen, ob die Politik sinnvolle Maßnahmen ergreift oder solche, die wieder einmal die Grundrecht­e der Bürgerinne­n und Bürger beschneide­n.

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Foto: dpa/Frank Rumpenhors­t im Netz und draußen auf der Straße.
 ?? Foto: Jason Krüger/CC-BY-4.0 ?? Markus Reuter ist Redakteur bei netzpoliti­k.org. Er beschäftig­t sich dort mit den Themen Datenschut­z, Grundrecht­e, Fake News und Social Bots sowie soziale Bewegungen.
Foto: Jason Krüger/CC-BY-4.0 Markus Reuter ist Redakteur bei netzpoliti­k.org. Er beschäftig­t sich dort mit den Themen Datenschut­z, Grundrecht­e, Fake News und Social Bots sowie soziale Bewegungen.

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