Marion Bergermann Aktiv gegen rechts in Brandenburg
Ein Brandenburger Verein hilft Opfern rechter Gewalt.
Brandenburg ist alles andere als harmlos. Geflüchtete, Migrant*innen, die seit Jahren dort wohnen, aber auch Deutsche werden immer wieder angegriffen, mit Worten oder Fäusten. Deshalb gibt es seit 1998 die »Opferperspektive Brandenburg«, ein Verein, der sich um Betroffene rechter Gewalt kümmert. Darunter fallen Angriffe, die rassistisch, antisemitisch oder homophob sind.
Täglich recherchieren die 17 Mitarbeiter*innen der Opferperspektive in Zeitungen zu Angriffen oder erhalten Hinweise per Telefon und nehmen Kontakt zu Betroffenen auf. Denn die wissen oft nicht, dass es dieses Hilfsangebot gibt. Der Verein bietet eine Antidiskriminierungsberatung und eine Gewaltopferberatung an. »Die Gewalt ist immer die Spitze des Eisbergs«, sagt Geschäftsführerin Judith Porath. Deshalb wollen sie mit der Antidiskriminierungsberatung langfristig etwas verbessern. Es melden sich Personen bei ihnen, die aufgrund ihres Aussehens oder ihres Namens etwa von Behörden oder Ärzt*innen ausgegrenzt wurden oder keinen Vertrag im Fitnessstudio abschließen durften. »Viele Leute wünschen sich, dass wir sie zu Vermittlungsgesprächen begleiten, weil sie wollen, dass es aufhört. Oder es den Nächsten nicht genauso geht«, erzählt Porath.
Kommt es zu körperlichen Übergriffen, fahren die zwei Teams der Gewaltopferberatung zu den Betroffenen im ganzen Bundesland. Viele, die angegriffen wurden, wollen wissen, wie die Aussage bei der Polizei oder eine Gerichtsverhandlung abläuft, er- zählt Anne Brügmann, die als Beraterin für den Norden Brandenburgs zuständig ist. Außerdem schauen die Berater*innen, inwieweit der Familien- und Freundeskreis für Betroffene da ist. Und ob, etwa bei geflüchteten Betroffenen, Sozialarbeiter*innen weiter betreuen können.
Die Berater*innen arbeiten viel mit Dolmetscher*innen zusammen. Einer von ihnen ist Elvis, der nicht mit seinem richtigen Namen in der Zeitung stehen will. Als er Ende der 90er Jahre als neu ins Land Gekommener selbst von rassistischer Gewalt betroffen war, kamen Mitarbeiter*innen der Opferperspektive zu ihm nach Prenzlau und unterstützten ihn. »Das war sehr hilfreich«, sagt Elvis. »Durch
die Sprachbarriere damals hatte ich das Gefühl, nichts unternehmen zu können.« Kurz danach, sein Deutsch wurde immer besser, begann er, als Farsi-Dolmetscher auszuhelfen. Elvis kommt aus dem persischen Sprachraum, das Land will er nicht sagen, Farsi ist seine Muttersprache. »Es war eine willkommene Abwechslung, etwas beizutragen, während wir damals mitten im Wald in einem Heim wohnten, nicht arbeiten durften und psychisch am Boden waren«, erzählt er. Viel zu tun gab es immer für die Opferperspektive. Aber in den letzten vier Jahren sei es »spürbar mehr« geworden«, sagt Brügmann. Seit 2015, als vermehrt Geflüchtete nach Deutschland kamen, hat die Zahl der Angriffe stark zugenommen. Allein im Zeitraum Januar bis August 2018 zählte der Verein über 100 Angriffe in Brandenburg, von denen die meisten rassistisch motiviert waren.
Auch andere Gesellschaftsgruppen werden nun attackiert. So wie Frauen, Kinder oder Schwangere. »Dass Frauen etwa der Einkaufswagen in den Bauch gerammt wird und Kinder geohrfeigt werden, ist neu. Leute die noch vor einigen Jahren als besonders schutzbedürftig galten, sind kein Tabu mehr«, sagt Geschäftsführerin Porath.
Und die, die zuschlagen oder schubsen, sind oft keine organisierten Rechtsextremen oder ausschließlich junge Leute. »Das ist mitunter auch die Oma, die mal zuschlägt, oder der ältere Herr«, berichtet die Geschäftsführerin, die seit 18 Jahren bei dem Verein arbeitet. »Rassismus gibt es in der Mitte der Gesellschaft und nicht nur am rechten Rand«, fügt ihre Kollegin Brügmann hinzu.
In ihrer Arbeit sehen sie unmittelbar, was passiert, wenn die Öffentlichkeit Migrationsthemen unsachlich diskutiert. »Der mediale und politische Diskurs hat sich verschärft, und das ist spürbar auf der Straße. Da zeigt sich, was Hetze bei Kundgebungen, im Internet und überall bei Leuten bewirkt«, findet Porath. Sie müssen dann auffangen, wenn anderswo Wut geschürt wurde.
»Rassismus gibt es in der Mitte der Gesellschaft und nicht nur am rechten Rand.« Anne Brügmann, Beraterin bei »Opferperspektive Brandenburg«