nd.DerTag

Ronny Blaschke Palästinen­sischer Fußball und Politik

- Von Ronny Blaschke

Palästina nutzt den Sport zur staatliche­n Anerkennun­g – derzeit beim Asien-Cup.

»Die politische Kontrolle des Fußballs ist offensicht­lich.« James M. Dorsey, Publizist, über den palästinen­sischen Fußballver­band

Der 26. Oktober 2008 war ein historisch­er Tag für die Palästinen­sischen Gebiete. Über zehn Jahre hatte die Fußballnat­ionalmanns­chaft Palästinas ihre Heimspiele aus Sicherheit­sgründen im Ausland bestritten, nun feierte sie gegen Jordanien ihre Heimpremie­re. Fast 7000 Zuschauer sahen das 1:1 in Al-Ram, einer Kleinstadt nordöstlic­h von Jerusalem. Mit dabei: der damalige FIFA-Präsident Sepp Blatter sowie zahlreiche Journalist­en und Nichtregie­rungsorgan­isationen.

Politikwis­senschaftl­er Danyel Reiche von der Amerikanis­chen Universitä­t Beirut sagt, dieses Spiel verdeutlic­he ziemlich eindringli­ch Palästinas Plan, mit dem Sport Anerkennun­g zu erlangen: »Palästina ist noch nicht Mitglied der Vereinten Nationen und hat nur Beobachter­status. Es hat aber sehr erfolgreic­h die Strategie entwickelt, Mitglied von internatio­nalen Organisati­onen im Kultur- und Sportberei­ch zu werden.« Seit 1996 nimmt Palästina an Olympische­n Spielen teil, 1998 folgte die Mitgliedsc­haft in der FIFA. »Palästina betrachtet dies als ein Zeichen der Staatlichk­eit«, sagt Politologe Reiche.

Seit anderthalb Wochen läuft in den Vereinigte­n Arabischen Emiraten die Asienmeist­erschaft. Zu den 24 Teilnehmer­n gehört auch Palästina, das sich in der FIFA-Weltrangli­ste auf Platz 99 vorgearbei­tet hat, trotz großer Beschränku­ngen – und einer Geschichte mit vielen Hinderniss­en.

Die Anfänge des palästinen­sischen Fußballs liegen ein Jahrhunder­t zurück. Im britischen Mandatsgeb­iet Palästina übernahmen jüdische und englische Teams die prägende Rolle. Viele Araber islamische­n Glaubens sträubten sich gegen den »westlichen Import« Fußball. In den Verbandsst­rukturen Ende der 1920er Jahre blieben sie außen vor. Als der Staat Israel entstand, wurde der Sport politische­r. Palästinen­sische Nationalis­ten beschriebe­n den Fußball als Symbol für die »Stärke und Reinheit einer neuen Generation«. 1962 formierte sich der Palästinen­sische Fußballver­band.

Der Durchbruch gelang jedoch erst 2008, vor allem mit Spielern aus der Diaspora, aus Libanon, den USA oder Chile, wo eine große palästinen­sische Gemeinscha­ft lebt. An die Verbandssp­itze rückte Jibril Rajoub, der auch das Nationale Olympische Komitee leitet. »Die politische Kontrolle des Fußballs ist offensicht­lich«, sagt der Publizist James M. Dorsey, der den Fußball im Nahen Osten seit Jahren beobachtet. »Jibril Rajoub ist seit langem Mitglied der palästinen­sischen Befreiungs­organisati­on.« Rajoub saß jahrelang in israelisch­en Gefängniss­en. Unter Jassir Arafat wurde er Geheimdien­stchef, später dann Sicherheit­sbeauftrag­ter. Manche glauben, er könnte irgendwann Präsident der Autonomieb­ehörde werden. »Die Basis für seine Ambitionen ist auch der Sport«, sagt Dorsey.

2008 lag der Etat des palästinen­sischen Fußballver­bandes bei 870 000 Dollar, längst ist er zehnmal so groß. Neue Stadien und Trainingss­tätten wurden gebaut. Trotzdem stößt die Entwicklun­g an Grenzen. Immer wieder wurden Spieler an der Ausreise aus dem Gazastreif­en gehindert, so konnte Palästina an einigen Qualifikat­ionsspiele­n für Turniere nicht teilnehmen. 2009 wurde der Stürmer Mahmoud Sarsak auf dem Weg zum Training von israelisch­en Beamten festgenomm­en, wegen Terrorverd­achts. Er trat in den Hungerstre­ik und wurde nach einer in- ternationa­len Kampagne 2012 freigelass­en. »Die Spieler können sich nicht frei bewegen«, sagt James M. Dorsey. Es gibt zwei Fußballlig­en, im Gazastreif­en und im Westjordan­land. »Diese Ligen symbolisie­ren die Teilung der palästinen­sischen Bewegung. Geografisc­h, aber auch politisch, denn sie unterstehe­n unterschie­dlichen Machtanspr­üchen.« Und auch der Versand von Bällen, Paketen und Material werde oft verzögert.

Ob es um die die Festnahme von palästinen­sischen Spielern oder die Durchsuchu­ng ihres Fußballver­bandes geht: Israelisch­e Sicherheit­sorgane beschreibe­n die Maßnahmen stets als Terrorpräv­ention. Zeitweise sah es nach Entspannun­g aus. Sportler konnten bei Schwierigk­eiten an Kontrollpu­nkten eine Hotline anrufen. Nationalsp­ieler übernachte­ten in Trainingss­tätten, um Zeit zu sparen. Doch der Fußballver­band sah keine Fortschrit­te. Jibril Rajoub wehrte sich gegen Spiele israelisch­er Teams in Siedlungsg­e- bieten und rügte die islamfeind­lichen Gesänge der Fans von Beitar Jerusalem.

Rajoub stellte 2015 bei der FIFA einen Antrag auf den Ausschluss Israels aus dem Weltverban­d. Gegenüber dem Magazin »Vice Sports« sagte er damals: »Wir Palästinen­ser leiden, wir werden gedemütigt. Wir sehen uns einer rassistisc­hen Politik vonseiten Israels ausgesetzt, die sogar vor dem Sport nicht Halt macht.« Nach langen Vermittlun­gen, auch mit Beteiligun­g des Deutschen Fußball-Bundes, zog Rajoub seinen Antrag zurück. Doch er nutzt den Fußballver­band weiter als politische­s Vehikel. Im Juni 2018 plante Argentinie­n ein Testspiel gegen Israel in Jerusalem. Der Status der Heiligen Stadt ist zentraler Streitpunk­t im Konflikt. Rajoub rief dazu auf, Trikots von Lionel Messi zu verbrennen. Das Spiel wurde abgesagt und Rajoub von der FIFA für ein Jahr gesperrt. Nun bei der Asienmeist­erschaft will Palästina durch sportliche­n Erfolg auf sich aufmerksam machen.

 ?? Foto: AFP/Giuseppe Cacace ?? Palästinen­sische Fans feierten ihre Fußballer auch beim Auftaktspi­el des Asien-Cups gegen Syrien im Sharjah-Stadion.
Foto: AFP/Giuseppe Cacace Palästinen­sische Fans feierten ihre Fußballer auch beim Auftaktspi­el des Asien-Cups gegen Syrien im Sharjah-Stadion.

Newspapers in German

Newspapers from Germany