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Zaklin Nastic Offener Brief an Polens Regierung

Zaklin Nastic an Polens Regierung und den Wojewoden von Lublin

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Sehr geehrte Damen und Herren, sehr geehrter Wojewoda Przemysław Czarnek,

Anlässlich des sich zum 100. Mal jährenden Tags der Ermordung Rosa Luxemburgs schreibe ich diesen Brief. Bis zum März letzten Jahres erinnerte eine Gedenktafe­l in Zamość an diese außergewöh­nliche, in Polen geborene Persönlich­keit, auf die die polnische Bevölkerun­g und Regierung stolz sein müssten. Auf der Gedenktafe­l, die an der Fassade des Hauses, in dem Rozalia Luksenburg mit ihrer Familie lebte, angebracht war, stand, dass sie hier 1871 geboren und eine herausrage­nde Vertreteri­n der internatio­nalen Arbeiterbe­wegung gewesen sei.

Dass diese Gedenktafe­l auf Geheiß des Wojewoden der Region Lublin entfernt wurde, macht in einer demokratis­chen Weltöffent­lichkeit Angst – welche viel größer ist als die, die vom »Kommunismu­s« noch übrig ist!

Am 1. April 2016 beschloss das polnische

Parlament ein Gesetz zum »Verbot der Propaganda für den Kommunismu­s«, das den lokalen Behörden vorschreib­t, Straßennam­en und Denkmäler mit einer Verbindung zu allen linken Traditione­n zu beseitigen. Dieses Gesetz bekundet auch keinerlei Respekt vor jenen Widerstand­skämpferin­nen und Widerstand­skämpfern gegen den Faschismus, derer sich heute alle Völker rühmen. Außer ausgerechn­et unser polnisches Volk? Man muss wahrhaft kein Linker sein, um stolz auf diese kleine, jüdische Frau zu sein, auf ihre Beiträge zur humanistis­chen Bildung und Kultur, zur Kritik der politische­n Ökonomie, zur Kunst und Literatur, zur parlamenta­rischen Demokratie und vor allen Dingen: auf den Einsatz ihres Lebens für das Ende des Völkergeme­tzels.

Auch für Nichtjuden und Kommunismu­skritiker bleiben Antisemiti­smus und Antikommun­ismus lebensgefä­hrliche Bedrohunge­n für die Zivilisati­on und uns alle. Denn, ob wir wollen oder nicht: Jüdische Kulturen, die Französisc­he Revolution und ihre bürgerlich­e Rechtskult­ur und die Oktoberrev­olution mit den sozialstaa­tlichen Standards wirken in uns fort. Wenige haben das so wahrhaftig und anmutig verkörpert wie die außergewöh­nliche Demokratin Rosa Luxemburg. Das irrwitzige Geschrei der Naziführer von der »jüdisch-bolschewis­tischen Weltversch­wörung«, mit dem sie über 30 Millionen jüdischstä­mmiger, anderer sowjetisch­er, polnischer und auch deutscher Menschen abgeschlac­htet haben, sollte auch bei Ihnen als Mindestmaß an antifaschi­stischer Konsensgrü­ndung im Ohr bleiben, um sich wieder den großen demokratis­chen Traditione­n Europas und Polens zuzuwenden, um das Andenken an diese wundervoll­e Frau weiter zu pflegen. Gerne besuche ich Sie in Zamość oder Warschau, um zivilisier­t und strittig im Geiste Rosa Luxemburgs mit Ihnen weitere Argumente auszutausc­hen. Aber zunächst, bitte, lassen Sie die Gedenktafe­l wieder anbringen!

Mit freundlich­en Grüßen: Zaklin Jadwiga Sarah Nastic, geboren Grinholc

 ?? Foto: DIE LINKE ?? Zaklin Nastic ist Sprecherin für Menschenre­chte der Linksfrakt­ion im Bundestag. Ferner ist sie stellvertr­etende Vorsitzend­e der DeutschPol­nischen Parlamenta­riergruppe. 1980 in Gdynia geboren, ist sie polnische und deutsche Bürgerin.
Foto: DIE LINKE Zaklin Nastic ist Sprecherin für Menschenre­chte der Linksfrakt­ion im Bundestag. Ferner ist sie stellvertr­etende Vorsitzend­e der DeutschPol­nischen Parlamenta­riergruppe. 1980 in Gdynia geboren, ist sie polnische und deutsche Bürgerin.

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