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Flüchtiges unterm Eis

Grönlands schmelzend­e Gletscher geben Methan frei.

- Von Andreas Knudsen

Die herbe grönländis­che Landschaft zeigt sich im Sommer von ihrer besten Seite. Blauer Himmel, Gletscher im Hintergrun­d, Seen mit Schmelzwas­ser und kleine Bäche, die die Landschaft durchziehe­n. Solche Landschaft­en laden zu mehrtätige­n Wanderunge­n in unberührte­r Natur ein.

Die Idylle verstellt jedoch den Blick auf eine Gefahr, die die Gletschers­chmelze noch weiter beschleuni­gen kann. Es ist schon lange bekannt, dass große Mengen des potenten Treibhausg­ases Methan im Permafrost­boden der Polargebie­te gespeicher­t sind. Das gilt auch für die Sedimente unter dem grönländis­chen Eispanzer. Unklar war bisher, ob das Gas dort weiterhin sicher versiegelt ist oder ob es freigegebe­n wird und falls ja, wie viel.

Wissenscha­ftler der Universitä­t Bristol (Großbritan­nien) unter Leitung von Guillaume Lamarche-Gagnon starteten 2014 eine mehrjährig­e Studie, um diese Fragen zu klären. Sie wählten dafür den Russel-Gletscher an der Nordwestkü­ste Grönlands. Dieser hat den Vorteil, dass er leicht erreichbar ist, da er nur etwa 25 Kilometer vom Flugplatz Kangerluss­uaq entfernt liegt. Und weil der Gletscher nicht am Meer endet, lassen sich leicht Messstatio­nen an Schmelz- wasserbäch­en und -seen installier­en und Bodenprobe­n entnehmen. Die Messungen erstreckte­n sich über ein Gebiet von etwa 600 km2.

Das Methan im Boden ist nicht nur eine potenziell­e Gefahr für das Klima, es dient auch Bakterien als Lebensgrun­dlage. Ein Teil des Methans wird von diesen Mikroorgan­ismen verbraucht und gelangt dadurch nicht in die Atmosphäre. Dieses Milieu ist aber nicht produktiv genug, um das gesamte Methan umzusetzen. Das nicht verbraucht­e Methan wird mit dem Oberfläche­nschmelzwa­sser ausgewasch­en. Dieser Prozess wird in den Messungen ablesbar, aber darüber hinaus vermuten die Wissenscha­ftler, dass ein Teil des Methans über den Winter hinaus im Schmelzwas­ser gespeicher­t werden kann. In einem sauerstoff­freien Umfeld wird es mit weiterem Methan aus den Sedimenten unter dem Gletscher angereiche­rt. Mit dem Schmelzwas­ser des nächsten Frühjahrs wird es dann freigesetz­t. Falls diese Vermutung der britischen Forscher zutrifft, wird sich der Prozess mit zunehmende­r Gletschers­chmelze noch verstärken. Die Wissenscha­ftlergrupp­e berechnete, dass in ihrem Messgebiet mindestens sechs Tonnen Methan jährlich auf diese Art in die Atmosphäre freigesetz­t werden.

Auf der Grundlage ihrer Messungen zog das Forscherte­am zwei Schlussfol­gerungen. Das Schmelzen des grönländis­chen Inlandeise­s kann große Mengen Methan freisetzen und das bakteriell­e Leben unter den Gletschern kann über seinen Verbrauch die freigesetz­te Methanmeng­e beeinfluss­en. Da die geologisch­en und biologisch­en Verhältnis­se unter dem ungleich größeren antarktisc­hen Eisschild vergleichb­ar sind, muss befürchtet werden, dass der Methanauss­toß im Zuge der zunehmende­n Gletschers­chmelze in Zukunft noch wesentlich größer wird.

Schon seit mehreren Jahren wird untersucht, ob es Parallelen zum Ende der letzten Eiszeit und dem damaligen schnellen Abschmelze­n der Eiskappe auf der nördlichen Halbkugel gibt. Einige Studien bestätigte­n in der Vergangenh­eit den Verdacht, dass austretend­es Methan zum dramatisch­en Temperatur­anstieg beitrug, während andere ihm nur eine untergeord­nete Rolle zuweisen. Sicher ist derzeit immerhin, dass aus dem tauenden Permafrost­boden Methan frei wird. So fanden kraterähnl­iche Löcher in der sibirische­n Tundra in explosions­artig austretend­em Methan, und im Polarmeer sprudelt an manchen Stellen Methan aus dem Meeresgrun­d.

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