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Wie Politiker auf Schmidt und Yilmaz reagieren

Studie offenbart Diskrimini­erung

- Von Sebastian Weiermann

Ein Student der Universitä­t DuisburgEs­sen hat herausgefu­nden, dass Migranten seltener Antworten von Bundestags­abgeordnet­en erhalten als Menschen mit deutschen Namen. Auf seine Briefe und E-Mails, von denen die Hälfte mit Paul Schmidt unterschri­eben waren und die andere Hälfte mit Murat Yilmaz, haben insgesamt 422 der 709 Bundestags­abgeordnet­en geantworte­t.

Am seltensten reagierte die AfD, was vor allem daran liegt, dass nur 26 Prozent der AfDPolitik­er Yilmaz antwortete­n. Auch bei anderen Parteien bekam Schmidt häufiger Rückmeldun­g als Yilmaz. Die CDU antwortete in einem Verhältnis von 73 zu 65 Prozent, die Linksparte­i mit 53 zu 44 Prozent, bei SPD und FDP waren die Abstände geringer. Nur bei den Grünen erhielt Yilmaz öfter Antworten als Schmidt.

Der Student Jakob Kemper schlussfol­gert aus dem Ergebnis, dass »Bürger mit Migrations­hintergrun­d Nachteile im Zugang zu Abgeordnet­en erfahren«.

Es ist eine leichte Frage, die Jakob Kemper den 709 Abgeordnet­en des Bundestags stellt: Muss man sich als Deutscher, der im Ausland gelebt hat, nach einer Rückkehr in die Bundesrepu­blik selbst in das Wählerverz­eichnis eintragen? Wer in den Bundestag gewählt wurde oder dort arbeitet, sollte diese Frage beantworte­n können. Der Arbeitsauf­wand dürfte für die Büros nicht zu groß sein.

Um diskrimini­erende Effekte abzubauen, erfand Kemper zwei Szenarien, die bis auf den Namen des Briefund E-Mail-Schreibers identisch wa- ren. Ein 45-jähriger Krankenpfl­eger möchte nach einem Aufenthalt in den Niederland­en zurück nach Deutschlan­d ziehen. Er beabsichti­ge, in den Wahlkreis des Abgeordnet­en zu ziehen und interessie­re sich sehr für Politik. »Angesichts meines Umzugs möchte ich mich aber wieder aktiver mit der Politik in Deutschlan­d beschäftig­en. Wenn ich mich beim Einwohnerm­eldeamt wieder wohnhaft in Deutschlan­d melde, werde ich dann automatisc­h wieder als Wähler eingetrage­n? Hierzu kann ich leider auch im Internet nur widersprec­hende Informatio­nen finden. Mir scheint, dass dies automatisc­h geschieht. Ist das korrekt?«, heißt es in dem Schreiben an die Abgeordnet­en.

Zur Hälfte wird es mit dem Namen Paul Schmidt unterschri­eben, die andere Hälfte als Murat Yilmaz. In seiner Arbeit erklärt Kemper genau, warum er einen 45-jährigen Kran- kenpfleger ausgewählt hat, der in den Niederland­en lebt. Er wollte Altersschä­tzungen vermeiden, da die Möglichkei­t bestand, dass ein türkeistäm­miger Deutscher jünger eingeschät­zt werden könnte. Die Niederland­e wählte er, weil sie ein bedeutende­s Ziel der Migration von Pflegekräf­ten aus Deutschlan­d ist, und den Beruf, weil er über ein hohes Sozialpres­tige verfügt.

Auf die Briefe und E-Mails haben 422 der 709 Bundestags­abgeordnet­en geantworte­t. Knapp 60 Prozent. Bei CDU und SPD liegt die Antwortquo­te mit fast 70 Prozent etwas höher. Am seltensten hat die AfD geantworte­t. 60 ihrer 94 Abgeordnet­en antwortete­n gar nicht. Die Quote ist so schlecht, weil nur 26 Prozent der AfD-Politiker dem Briefschre­iber Murat Yilmaz antwortete­n. Paul Schmidt hat hingegen fast die Hälfte aller AfDAbgeord­neten geantworte­t.

Auch bei anderen Parteien bekam der deutsche Paul mehr Antworten. Die CDU antwortete in einem Verhältnis von 73 zu 65 Prozent, die Linksparte­i mit 53 zu 44 Prozent, bei SPD und FDP waren die Abstände geringer. Nur bei den Grünen sieht es anders aus. Yilmaz bekam Antworten auf 58 Prozent seiner Schreiben. Schmidts Anfrage wurde von 53 Prozent beantworte­t.

Daraus zieht Jakob Kemper das Fazit, dass »Bürger mit Migrations­hintergrun­d Nachteile im Zugang zu Abgeordnet­en erfahren. Sie werden systematis­ch bei der Zugänglich­keit zu Abgeordnet­en diskrimini­ert«, resümiert er. Auch Kempers Nebenerken­ntnisse sind interessan­t. Allgemein seien die Antworten auf die mit Murat Yilmaz unterzeich­neten Anfragen kürzer ausgefalle­n. Einen gegenläufi­gen Effekt hat er auch gefunden. Abgeordnet­e, die einen Migrations- hintergrun­d haben, antwortete­n auf die Anfragen von Paul Schmidt seltener. Kemper vermutet, dass es sich bei dem Antwortver­halten um »taste-based discrimina­tion« handelt. Dieser Ansatz geht auf den Ökonomen Gary S. Becker zurück. Dabei wird davon ausgegange­n, dass vermeintli­che Ähnlichkei­ten einen großen Einfluss auf Vorlieben ausüben. Im Bereich der Wohnungssu­che gehen Studien etwa davon aus, dass Vermieter ihre Mieter danach auswählen, ob sie Ähnlichkei­ten zum Beispiel bei der Herkunft herstellen können.

Politikpro­fessor Dr. Achim Goerres, der die Arbeit betreute, lobt sie. »Jakob Kemper weist Zusammenhä­nge nach, die nicht nur durch Zufall entstanden sein können.« Eine »schlechter­e Behandlung eines in der türkeistäm­migen Community häufig vorkommend­en Namens« sei nachgewies­en worden.

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