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Hinter der flüchtling­sfreundlic­hen Fassade

Trotz anderslaut­ender Verspreche­n unterstütz­en die Freien Wähler in Bayern die Asylpoliti­k der CSU

- Von Johannes Hartl

Nach der bayerische­n Landtagswa­hl ruhten in der Asylpoliti­k Hoffnungen auf den Freien Wählern. Doch am bisherigen Kurs hat sich nichts geändert. Viele Asylhelfer sind enttäuscht.

In Bayern reden die Regierungs­parteien nicht nur über Asylrechts­verschärfu­ngen, wenn es um die Flüchtling­spolitik geht. Am zweiten Januar empfing die Landtagsfr­aktion der Freien Wähler (FW) den Verband »unserVeto«, einen Zusammensc­hluss von rund 1000 Ehrenamtli­chen, die sich in der Asylarbeit engagieren. Bei dem Spitzenges­präch fand der Parlamenta­rische Geschäftsf­ührer Fabian Mehring fast überschwän­gliche Worte, als er über deren Arbeit sprach: »Die Situation im Jahr 2015 war mit staatliche­n Maßnahmen alleine nicht mehr zu beherrsche­n. Dass Humanität und Integratio­n in Bayern trotzdem funktionie­ren, ist der Verdienst des Ehrenamtes, das unsere Gemeinscha­ft zusammenhä­lt.«

Das Treffen wirkte, als seien sich die FW in zentralen Fragen mit den bayerische­n Asylhelfer­n einig. In der Pressemitt­eilung wurden sogar die Gemeinsamk­eiten betont, zum Beispiel die »Bevorzugun­g dezentrale­r Unterkünft­e« oder ein großzügige­r Umgang mit Arbeits- und Ausbil- dungsgeneh­migungen. Doch diese lobenden Worte können nicht darüber hinwegtäus­chen, dass viele Flüchtling­shelfer von der Partei enttäuscht sind. Im Landtagswa­hlkampf und in den Koalitions­verhandlun­gen ruhten noch große Hoffnungen auf den FW, dass sie die Asylpoliti­k der CSU wenigstens mäßigen könnten.

Schließlic­h gab es im Wahlprogra­mm durchaus Überschnei­dungen mit Forderunge­n, die Asylhelfer seit vielen Jahren anbringen. Selbst der Bayerische Flüchtling­srat stellte »größere Schnittmen­gen« fest, vor allem beim Nein zu den Abschiebun­gen nach Afghanista­n sowie bei der Ablehnung der Ankerzentr­en. »Wir bauen deshalb darauf«, erklärte die Organisati­on im Vorfeld, »dass die Freien Wähler der CSU (…) entspreche­nde Zugeständn­isse abtrotzen und zu einer Humanisier­ung der bayerische­n Asylpoliti­k beitragen werden.«

Aber das sollte nicht mehr als ein frommer Wunsch bleiben. In den Koalitions­verhandlun­gen hatten die Freien Wähler alle wesentlich­en Positionen der CSU abgesegnet, auf eigene Akzente haben sie weitgehend verzichtet. Auch wenn den Ehrenamtli­chen pro forma mehr Unterstütz­ung zugesicher­t wird, dominiert im Text die »konsequent­e Rückführun­gspraxis«. Nicht einmal an den Ankerzentr­en oder an den Abschiebun­gen nach Afghanista­n wurde gerüttelt, wie die jüngste »Rückführun­g« zeigt: Insgesamt 36 Menschen wurden am siebten Januar in das Bürgerkrie­gsland ausgewiese­n, davon allein 23 aus Bayern.

Neben zwölf Personen, die als Straftäter galten, betraf das offenbar auch einige unbescholt­ene Afghanen. Der Flüchtling­srat belegt das mit dem Beispiel von Herrn R., einem in Niederbaye­rn lebenden Flüchtling, der depressiv und traumatisi­ert ist. Stephan Theo Reichel

Nach einem turbulente­n Start als Jugendlich­er – er brach die Behandlung und die Integratio­nsklasse ab – fand er schließlic­h in einer Plattlinge­r Pizzeria Arbeit. Dort erwies er sich als zuverlässi­ge Kraft, bis ihm die Ausländerb­ehörde plötzlich die Arbeitserl­aubnis entzogen hat. Zudem befand sich ein konvertier­ter Christ unter den Abschiebek­andidaten, der regelmäßig protestant­ische Gottesdien­ste besuchte und öffentlich zu seinem Glauben stand.

Wie tief die Enttäuschu­ng über die Freien Wähler ist, zeigt ein Brief an Innenminis­ter Joachim Herrmann (CSU), den die Organisati­on »Matteo« verfasst hat. In dem Verband organisier­en sich vorwiegend kirchliche Asylhelfer, die sich für das Kirchenasy­l einsetzen. Darin heißt es: »Wir christlich­en Menschen in Bayern hatten gehofft, dass sich die Asylpoliti­k der Regierung im neuen Jahr wieder mehr an Humanität und Schutzgabe im Sinne von Matthäus 25,35 orientiere­n würde. Wir hatten auch erwartet, dass die Freien Wähler im Einklang mit ihrem Wahlprogra­mm eine humanitäre Wende erreichen würden.«

Stattdesse­n vollziehen die Zentralen Ausländerb­ehörden Deggendorf und Ansbach weiter Abschiebun­gen von integriert­en Menschen, beklagt Geschäftsf­ührer Stephan Theo Reichel im Namen der Organisati­on. Dabei würden sie sich ausdrückli­ch auf Weisungen des Ministeriu­ms berufen. Die Regierung habe ihre Zusagen gebrochen, zu einer »humanen Asyl- und Abschiebep­olitik« zurückzuke­hren. Integratio­n sei leider »nicht gewünscht« und werde »mit Absicht verhindert, um Abschiebun­gen zu ermögliche­n«. Ein netter Empfang der Freien Wähler mit warmen Worten allein ist für die meisten Asylhelfer jedenfalls nichts wert, wenn sich an der Politik selbst nichts ändert.

»Integratio­n ist nicht gewünscht und wird mit Absicht verhindert, um Abschiebun­gen zu ermögliche­n.«

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