Hinter der flüchtlingsfreundlichen Fassade
Trotz anderslautender Versprechen unterstützen die Freien Wähler in Bayern die Asylpolitik der CSU
Nach der bayerischen Landtagswahl ruhten in der Asylpolitik Hoffnungen auf den Freien Wählern. Doch am bisherigen Kurs hat sich nichts geändert. Viele Asylhelfer sind enttäuscht.
In Bayern reden die Regierungsparteien nicht nur über Asylrechtsverschärfungen, wenn es um die Flüchtlingspolitik geht. Am zweiten Januar empfing die Landtagsfraktion der Freien Wähler (FW) den Verband »unserVeto«, einen Zusammenschluss von rund 1000 Ehrenamtlichen, die sich in der Asylarbeit engagieren. Bei dem Spitzengespräch fand der Parlamentarische Geschäftsführer Fabian Mehring fast überschwängliche Worte, als er über deren Arbeit sprach: »Die Situation im Jahr 2015 war mit staatlichen Maßnahmen alleine nicht mehr zu beherrschen. Dass Humanität und Integration in Bayern trotzdem funktionieren, ist der Verdienst des Ehrenamtes, das unsere Gemeinschaft zusammenhält.«
Das Treffen wirkte, als seien sich die FW in zentralen Fragen mit den bayerischen Asylhelfern einig. In der Pressemitteilung wurden sogar die Gemeinsamkeiten betont, zum Beispiel die »Bevorzugung dezentraler Unterkünfte« oder ein großzügiger Umgang mit Arbeits- und Ausbil- dungsgenehmigungen. Doch diese lobenden Worte können nicht darüber hinwegtäuschen, dass viele Flüchtlingshelfer von der Partei enttäuscht sind. Im Landtagswahlkampf und in den Koalitionsverhandlungen ruhten noch große Hoffnungen auf den FW, dass sie die Asylpolitik der CSU wenigstens mäßigen könnten.
Schließlich gab es im Wahlprogramm durchaus Überschneidungen mit Forderungen, die Asylhelfer seit vielen Jahren anbringen. Selbst der Bayerische Flüchtlingsrat stellte »größere Schnittmengen« fest, vor allem beim Nein zu den Abschiebungen nach Afghanistan sowie bei der Ablehnung der Ankerzentren. »Wir bauen deshalb darauf«, erklärte die Organisation im Vorfeld, »dass die Freien Wähler der CSU (…) entsprechende Zugeständnisse abtrotzen und zu einer Humanisierung der bayerischen Asylpolitik beitragen werden.«
Aber das sollte nicht mehr als ein frommer Wunsch bleiben. In den Koalitionsverhandlungen hatten die Freien Wähler alle wesentlichen Positionen der CSU abgesegnet, auf eigene Akzente haben sie weitgehend verzichtet. Auch wenn den Ehrenamtlichen pro forma mehr Unterstützung zugesichert wird, dominiert im Text die »konsequente Rückführungspraxis«. Nicht einmal an den Ankerzentren oder an den Abschiebungen nach Afghanistan wurde gerüttelt, wie die jüngste »Rückführung« zeigt: Insgesamt 36 Menschen wurden am siebten Januar in das Bürgerkriegsland ausgewiesen, davon allein 23 aus Bayern.
Neben zwölf Personen, die als Straftäter galten, betraf das offenbar auch einige unbescholtene Afghanen. Der Flüchtlingsrat belegt das mit dem Beispiel von Herrn R., einem in Niederbayern lebenden Flüchtling, der depressiv und traumatisiert ist. Stephan Theo Reichel
Nach einem turbulenten Start als Jugendlicher – er brach die Behandlung und die Integrationsklasse ab – fand er schließlich in einer Plattlinger Pizzeria Arbeit. Dort erwies er sich als zuverlässige Kraft, bis ihm die Ausländerbehörde plötzlich die Arbeitserlaubnis entzogen hat. Zudem befand sich ein konvertierter Christ unter den Abschiebekandidaten, der regelmäßig protestantische Gottesdienste besuchte und öffentlich zu seinem Glauben stand.
Wie tief die Enttäuschung über die Freien Wähler ist, zeigt ein Brief an Innenminister Joachim Herrmann (CSU), den die Organisation »Matteo« verfasst hat. In dem Verband organisieren sich vorwiegend kirchliche Asylhelfer, die sich für das Kirchenasyl einsetzen. Darin heißt es: »Wir christlichen Menschen in Bayern hatten gehofft, dass sich die Asylpolitik der Regierung im neuen Jahr wieder mehr an Humanität und Schutzgabe im Sinne von Matthäus 25,35 orientieren würde. Wir hatten auch erwartet, dass die Freien Wähler im Einklang mit ihrem Wahlprogramm eine humanitäre Wende erreichen würden.«
Stattdessen vollziehen die Zentralen Ausländerbehörden Deggendorf und Ansbach weiter Abschiebungen von integrierten Menschen, beklagt Geschäftsführer Stephan Theo Reichel im Namen der Organisation. Dabei würden sie sich ausdrücklich auf Weisungen des Ministeriums berufen. Die Regierung habe ihre Zusagen gebrochen, zu einer »humanen Asyl- und Abschiebepolitik« zurückzukehren. Integration sei leider »nicht gewünscht« und werde »mit Absicht verhindert, um Abschiebungen zu ermöglichen«. Ein netter Empfang der Freien Wähler mit warmen Worten allein ist für die meisten Asylhelfer jedenfalls nichts wert, wenn sich an der Politik selbst nichts ändert.
»Integration ist nicht gewünscht und wird mit Absicht verhindert, um Abschiebungen zu ermöglichen.«