Warten auf eine Geste von Sánchez
Katalanische Unabhängigkeitsparteien stellen Spaniens Regierungschef Bedingungen
Spaniens Regierungschef Sánchez ist für den Haushalt 2019 auf die Stimmen der katalanischen Unabhängigkeitsparteien angewiesen. Die fordern die Einhaltung von Grundrechten.
Im Kabinett steht die Mehrheit, im Parlament noch nicht: Spaniens sozialdemokratischer Regierungschef Pedro Sánchez hat am Freitag seinen Haushalt 2019 im Ministerrat verabschiedet. Mit den Stimmen der katalanischen Unabhängigkeitsparteien will er ihn auch im spanischen Parlament durchbringen. Nur dank ihrer Stimmen beim Misstrauensvotum gegen den rechten Regierungschef Mariano Rajoy von der PP konnte er im vergangenen Juni selbst Ministerpräsident werden. Derzeit gehen die Chancen, mit Hilfe der Katalanen den Haushalt durchzubringen, gegen Null. Es fehlt dazu eine klare Geste seitens Sánchez. So hat der ehemalige katalanische Regierungschef Carles Puigdemont aus Belgien am Freitag anlässlich eines Besuchs seines Nachfolgers Quim Torra erklärt, dass es zwar immer wieder »Versprechen« gebe, aber es »an der Umsetzung fehlt«. Es gehe nicht um den Haushalt, »sondern um Grundrechte, die verletzt werden«, sagte Puigdemont.
Kataloniens Regierungschef Torra mahnt bei Sánchez stets zwei Punkte an: Ein Dialog über das Selbstbestimmungsrecht, sich also nach schottischem Vorbild auf ein Referendum über die Unabhängigkeit zu einigen. Und ihn stört, dass Führungspersonen inhaftiert oder ins Exil getrieben worden sind. Reichen würde für eine Zustimmung zum Haushalt dem Vernehmen nach Bewegung in der Gefangenenfrage. Im Februar sollen die Prozesse gegen 18 Unabhängigkeitsbefürworter wegen angeblicher Rebellion am Obersten Gerichtshof in Madrid beginnen, für die im Fall Puigdemont deutsche Richter aber keine Hinweise fanden. Auch ihre Kollegen in Belgien, Großbritannien und der Schweiz liefern deshalb ehemalige Regierungsmitglieder nicht an Spanien aus.
Als der Linkspartei-Abgeordnete Andrej Hunko am vergangenen Mittwoch die »politische Gefangenen« im katalanischen Gefängnis Lledoners besuchte, erklärten diese ihm, dass die Regierung über die Generalstaatsanwaltschaft die Anschuldigungen zu- rücknehmen könne, womit eine Verurteilung sehr schwer würde. Die ehemaligen Minister und Aktivisten gehen davon aber nicht aus. »Sie rechnen alle damit, dass sie verurteilt werden«, erklärte Hunko dem »nd« nach dem Besuch. Es handele sich um »Rache«, sagte ihm der ehemalige Außenminister Raül Romeva.
Die fünf Gefangenen, mit denen Hunko sprechen konnte, setzten keine Hoffnungen in die spanische Justiz. »Aber sie rechnen damit, dass sie vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg gewinnen.« Trotz der Tatsache, dass Verurteilungen von bis zu 30 Jahren drohen, seien die Gefangenen sehr guter Dinge und kämpferisch. »Ich fand es sehr beeindruckend und man spürt, dass es an allererster Stelle ein Kampf um Demokratie ist.«
Beeindruckend fand er auch die allgemein entspannte Stimmung im katalanischen Gefängnis. Diese Lage dürfte sich für die Gefangenen bald verändern, da die Verlegung nach Madrid bevorstehe. »Der Besuch war völlig anders als der, den ich einst bei Arnaldo Otegi erlebt habe«. Vorgänge, die er nicht einmal aus der Türkei kannte, hatte Hunko damals in einem spanischen Gefängnis kritisiert. Der Chef der baskischen Linkspartei EH-Bildu saß, so urteilte Straßburg kürzlich, sechseinhalb Jahre zu Unrecht, da er keinen fairen Prozess hatte. Auf solche Urteile stützen die Katalanen ihre Hoffnungen.
Gesprochen habe man auch darüber, dass der Menschenrechtsgerichtshof von der Türkei gerade die Freilassung des kurdische Abgeordneten Selahattin Demirtaş gefordert hat. Und diese Fälle sind vergleichbar. Allerdings warnte Hunko die Katalanen, »dass die Richter in Straßburg starkem Druck ausgesetzt sind«. Spanien hat das Demirtaş-Urteil nicht gefallen, denn auch die spanische Justiz lässt die gewählten Abgeordneten nicht ins katalanische Parlament. Sie sitzen zum Teil, wie der ehemalige Präsident des zivilgesellschaftlichen Katalanischen Nationalkongress Jordi Sànchez, seit fast 15 Monaten in Untersuchungshaft. Sànchez und drei weitere Abgeordnete haben gerade mit einem Hungerstreik Druck auf das Verfassungsgericht gemacht, sich endlich mit den Beschwerden zu befassen, was nach mehr als einem Jahr am 15. Januar geschieht.
»Nach meiner Einschätzung widerspricht die Verhaftung von gewählten Abgeordneten den selbst erklärten demokratischen Werten der Europäischen Union«, sagt Hunko. Er fordert dazu auf, den Prozess zu beobachten und kündigt parlamentarische Initiativen auch in Deutschland an. Er will sich persönlich ein Bild über das Verfahren verschaffen und fordert: »Europa muss die katalanische Frage behandeln.« Noch spricht man in Brüssel, Paris oder Berlin stets von einer inneren Angelegenheit Spaniens.