Kritik an Polizeigewalt in Frankreich
Wieder mehr Teilnehmer an Aktionen der Gelben Westen
Mit 84 000 Teilnehmenden erhöhen die Demonstranten den Druck auf die Regierung Macrons. Kritik gibt es am Einsatz von Hartgummigeschossen der französischen Polizei.
Mit landesweit 84 000 Teilnehmern – 30 000 mehr eine Woche zuvor – zeugte der neunte Aktionstag der Gelben Westen am vergangenen Sonnabend von einer erneut wachsenden Dynamik der Bewegung. Das dürfte der Regierung eine Lehre sein, die das Teilnehmertief um Weihnachten und den Jahreswechsel herum bereits für den Anfang vom Ende der Protestbewegung gehalten hatte.
Diesmal gab es von Seiten der Demonstranten deutlich weniger gewalttätige Ausschreitungen und Konfrontationen mit der Polizei als bei vorangegangenen Aktionstagen, auch wenn landesweit 244 Demonstranten vorübergehend festgenommen wurden. In Paris zählten die vier verschiedenen Demonstrationszüge, die alle angemeldet und durch eigene Ordner begleitet waren, 8000 Teilnehmerinnen und Teilnehmer und damit 3000 mehr als eine Woche zuvor. Weitere große Demonstrationen der Gelben Westen gab es in Bordeaux, Toulouse und Bourges, wo jeweils 6000 Teilnehmer gezählt wurden, sowie in Lille, Rouen, Caen und Grenoble.
Einen besonderen Charakter hatte die Demonstration der Gelben Westen in der Mittelmeerhafenstadt Toulon. Sie hatte das Polizeikommissariat der Stadt zum Ziel, um gegen Polizeigewalt zu protestieren. Hier hatte eine Woche zuvor am Rande der Demonstration der Polizeihauptmann Didier Andrieux einen einzelnen Demonstranten zusammengeschlagen. Offenbar wollte er sich dafür rächen, dass er Stunden zuvor selbst angegriffen worden war. Dieser von ihm und seinen Vorgesetzten zunächst geleugnete Übergriff konnte durch Videoaufnahmen anderer Demonstranten bewiesen werden. Daraufhin wurde gegen den Offizier ein Ermittlungsverfahren der innerpolizeilichen Untersuchungsabteilung IGPN einleitet.
In diesem Zusammenhang wächst in der Öffentlichkeit die Kritik an den immer zahlreicheren Verstößen seitens der Ordnungskräfte, die vor allem auf eine unzureichende Ausbildung und auf den Einsatz umstrittener Waffen zurückgeführt wird. So hat der unabhängige Journalist Didier Dufresne, der auf Themen der öffentlichen Sicherheit spezialisiert ist und auf seiner Internetseite Fälle von Polizeigewalt dokumentiert, seit Beginn der Aktionen der Gelben Westen mehr als 250 solcher Fälle mit detaillierten Beschreibungen, Zeugenaussagen und Fotos oder Videos zusammengetragen. Dabei geht es um Demonstranten, die durch Granaten der Polizei oder Schüsse mit »Flashballs«, Kugeln aus Hartgummi, verletzt wurden. »Da geht es nicht nur um einige Tage Arbeitsunfähigkeit«, meint er, »sondern nicht selten um lebenslange Schäden wie eine abgerissene Hand oder ein ausgeschossenes Auge.«
»Selbst Kriminalpolizisten in Zivil sind mit Flashball-Gewehren bewaffnet und schießen damit, obwohl sie dafür gar nicht ausgebildet sind.«
David Michaux, Generalsekretär der rechten Polizeigewerkschaft UNSA
Im Zentrum der Kritik stehen vor allem die Flashballs, die in Europa nur noch in Frankreich eingesetzt werden und wo gerade erst 1500 weitere Abschussgeräte geordert wurden. »Auf Videoaufnahmen ist zweifelsfrei zu sehen, dass mit Flashball auf Kopfhöhe gezielt wurde, was selbst den Dienstvorschriften nach streng verboten ist«, betont Dufresne. »Wer heute in Frankreich demonstriert, riskiert also sein Augenlicht.«
David Michaux, Generalsekretär der rechten Polizeigewerkschaft UNSA Police, kritisiert: »Selbst Kriminalpolizisten in Zivil sind mit Flashball-Gewehren bewaffnet und schießen damit, obwohl sie dafür gar nicht ausgebildet sind, im Gegensatz zu den Bereitschaftspolizisten der CRSKompanien. Das ist unverantwortlich.«