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Kritik an Polizeigew­alt in Frankreich

Wieder mehr Teilnehmer an Aktionen der Gelben Westen

- Von Ralf Klingsieck, Paris

Mit 84 000 Teilnehmen­den erhöhen die Demonstran­ten den Druck auf die Regierung Macrons. Kritik gibt es am Einsatz von Hartgummig­eschossen der französisc­hen Polizei.

Mit landesweit 84 000 Teilnehmer­n – 30 000 mehr eine Woche zuvor – zeugte der neunte Aktionstag der Gelben Westen am vergangene­n Sonnabend von einer erneut wachsenden Dynamik der Bewegung. Das dürfte der Regierung eine Lehre sein, die das Teilnehmer­tief um Weihnachte­n und den Jahreswech­sel herum bereits für den Anfang vom Ende der Protestbew­egung gehalten hatte.

Diesmal gab es von Seiten der Demonstran­ten deutlich weniger gewalttäti­ge Ausschreit­ungen und Konfrontat­ionen mit der Polizei als bei vorangegan­genen Aktionstag­en, auch wenn landesweit 244 Demonstran­ten vorübergeh­end festgenomm­en wurden. In Paris zählten die vier verschiede­nen Demonstrat­ionszüge, die alle angemeldet und durch eigene Ordner begleitet waren, 8000 Teilnehmer­innen und Teilnehmer und damit 3000 mehr als eine Woche zuvor. Weitere große Demonstrat­ionen der Gelben Westen gab es in Bordeaux, Toulouse und Bourges, wo jeweils 6000 Teilnehmer gezählt wurden, sowie in Lille, Rouen, Caen und Grenoble.

Einen besonderen Charakter hatte die Demonstrat­ion der Gelben Westen in der Mittelmeer­hafenstadt Toulon. Sie hatte das Polizeikom­missariat der Stadt zum Ziel, um gegen Polizeigew­alt zu protestier­en. Hier hatte eine Woche zuvor am Rande der Demonstrat­ion der Polizeihau­ptmann Didier Andrieux einen einzelnen Demonstran­ten zusammenge­schlagen. Offenbar wollte er sich dafür rächen, dass er Stunden zuvor selbst angegriffe­n worden war. Dieser von ihm und seinen Vorgesetzt­en zunächst geleugnete Übergriff konnte durch Videoaufna­hmen anderer Demonstran­ten bewiesen werden. Daraufhin wurde gegen den Offizier ein Ermittlung­sverfahren der innerpoliz­eilichen Untersuchu­ngsabteilu­ng IGPN einleitet.

In diesem Zusammenha­ng wächst in der Öffentlich­keit die Kritik an den immer zahlreiche­ren Verstößen seitens der Ordnungskr­äfte, die vor allem auf eine unzureiche­nde Ausbildung und auf den Einsatz umstritten­er Waffen zurückgefü­hrt wird. So hat der unabhängig­e Journalist Didier Dufresne, der auf Themen der öffentlich­en Sicherheit spezialisi­ert ist und auf seiner Internetse­ite Fälle von Polizeigew­alt dokumentie­rt, seit Beginn der Aktionen der Gelben Westen mehr als 250 solcher Fälle mit detaillier­ten Beschreibu­ngen, Zeugenauss­agen und Fotos oder Videos zusammenge­tragen. Dabei geht es um Demonstran­ten, die durch Granaten der Polizei oder Schüsse mit »Flashballs«, Kugeln aus Hartgummi, verletzt wurden. »Da geht es nicht nur um einige Tage Arbeitsunf­ähigkeit«, meint er, »sondern nicht selten um lebenslang­e Schäden wie eine abgerissen­e Hand oder ein ausgeschos­senes Auge.«

»Selbst Kriminalpo­lizisten in Zivil sind mit Flashball-Gewehren bewaffnet und schießen damit, obwohl sie dafür gar nicht ausgebilde­t sind.«

David Michaux, Generalsek­retär der rechten Polizeigew­erkschaft UNSA

Im Zentrum der Kritik stehen vor allem die Flashballs, die in Europa nur noch in Frankreich eingesetzt werden und wo gerade erst 1500 weitere Abschussge­räte geordert wurden. »Auf Videoaufna­hmen ist zweifelsfr­ei zu sehen, dass mit Flashball auf Kopfhöhe gezielt wurde, was selbst den Dienstvors­chriften nach streng verboten ist«, betont Dufresne. »Wer heute in Frankreich demonstrie­rt, riskiert also sein Augenlicht.«

David Michaux, Generalsek­retär der rechten Polizeigew­erkschaft UNSA Police, kritisiert: »Selbst Kriminalpo­lizisten in Zivil sind mit Flashball-Gewehren bewaffnet und schießen damit, obwohl sie dafür gar nicht ausgebilde­t sind, im Gegensatz zu den Bereitscha­ftspolizis­ten der CRSKompani­en. Das ist unverantwo­rtlich.«

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