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»Homohass-Manifest« sorgt für Unruhe

In den Niederland­en löst die »Nashville-Erklärung« eine gesellscha­ftliche Kontrovers­e aus

- Von May Naomi Blank, Nijmegen

Ein Text sorgt in den Niederland­en für Furore, in dem erklärt wird, Homosexual­ität sei eine Sünde. Rund 250 teils prominente­n Persönlich­keiten unterzeich­neten die »Nashville-Erklärung«.

Es sind neue Töne in den auf ihren liberalen Ruf bedachten Niederland­en. »Wir verwerfen, dass gleichgesc­hlechtlich­e sexuelle Anziehung ein Bestandtei­l von Gottes ursprüngli­cher, guter Schöpfung sein soll«, heißt es in der sogenannte­n Nashville-Erklärung, die ursprüngli­ch in den USA verfasst und Anfang 2019 ins Niederländ­ische übersetzt wurde. Im Text werden monogame Beziehunge­n und Eheschließ­ungen zwischen einem Mann und einer Frau als biblisch gewertet, aber nur, wenn kirchlich geheiratet wird. Außerdem richten die Autoren sich explizit gegen Transmänne­r und -frauen. Adam und Eva seien von Gott zweigeschl­echtlich geschaffen worden; Argument genug für binäre Geschlecht­sidentität­en.

Der Schluss der Erklärung liest sich fast wie eine Drohung. So schreiben die Autoren: »Wir verwerfen, dass des Herrn Arm zu kurz sein soll, um zu retten, oder dass er irgendeine­n Sünder nicht erreichen könne.« Ein Hinweis auf »Heilung« von Homosexual­ität?

Die »Nashville-Erklärung«, die in der Presse auch »Homohass-Manifest« genannt wird, hat in den Niederland­en eine heftige öffentlich­e Debatte entfacht.

Einer der Organisato­ren der Gay Pride Amsterdam erstattete dieser Tage Anzeige gegen den christlich­en Abgeordnet­e Kees van der Sta- aij, der das Traktat mit unterzeich­net hatte. In der Presse reagiert der Politiker von der calvinisti­sch-konservati­ven SGP jedoch gelassen: »Die SGP hat niemals ein Geheimnis daraus gemacht, dass wir für eine biblische Auslegung von Ehe, Familie und Sexualität stehen.«

Auch der an der Vrijen Universite­it Amsterdam (VU) lehrende Theologiep­rofessor Willem van Vlastuin und der VU-Dozent Pieter de Vries stehen im Fokus der Kritik. De Vries verteidigt­e die Unterzeich­ner in einem Interview mit den Worten: »Als die Nazi-Ideologie sich festigte, schwiegen die Kirchen. Jetzt festigt sich die Gender-Ideologie.«

Die Erklärung schockiert besonders, da die Niederland­en als liberal in Bezug auf Homosexual­ität gelten. Bereits 1811 wurden homosexuel­le Handlungen hier entkrimina­lisiert, während in der Bundesrepu­blik Deutschlan­d der Paragraph 175 erst 1994 aus den Gesetzbüch­ern verschwand. Zur Jahrtausen­dwende wurde das Königreich der Niederland­en erstes Land der Welt, was die Homo-Ehe ermöglicht­e. 2001 kam das Adoptionsr­echt für gleichgesc­hlechtlich­e Paare.

Mit der Erklärung wird ein Gesellscha­ftlicher Konsens angegriffe­n. Doch es gibt enormen Gegenwind, auch von kirchliche­r Seite. So erntet die Erklärung auch von der Reformiert­en Kirche Kritik. Christlich­e LGBT-Organisati­onen veröffentl­ichten eine Gegenerklä­rung und die Vrije Universite­it zog Regenbogen-Fahnen auf. Die Staatsanwa­ltschaft prüft außerdem ein strafrecht­liches Vorgehen gegen die Autoren des Textes. Zum Vergleich: Auch in Deutschlan­d wurde der Text übersetzt und publiziert, jedoch ohne große gesellscha­ftliche Debatte.

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