nd.DerTag

Inferno der Geschmackl­osigkeiten

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Christoph Ruf über einfältige Foristen, Goldgeprot­ze und einen finnischen Fußballspi­eler mit einer eigenen Meinung

In den vergangene­n zehn Tagen sind drei Themenfeld­er aufgepoppt, die auf den ersten Blick nichts miteinande­r zu tun haben. Es ging dabei um einen Fußballsta­r, der in Frankreich unbeliebte­r ist als Emmanuel Macron. Um zwei Traditions­vereine, denen das Wasser bis zum Hals steht. Und um einen finnischen Fußballspi­eler, der nicht nur einen Kopf, sondern auch noch eine Meinung hat. Wie, um alles Welt, soll das alles zusammenpa­ssen?

Zunächst zu Wattensche­id 09 und dem Wuppertale­r SV, die jeweils um die 300 000 Euro brauchen, um die Saison zu Ende spielen zu können und sich deshalb in den letzten Tagen demütig an die (Netz-)Öffentlich­keit wandten. Die einfältige­ren unter den Foristen werteten das als Beweis, dass Traditions­vereine im Gegensatz zu Seifenblas­en wie RB Leipzig eben nicht mit Geld umgehen könnten. Dabei hat der WSV einen Etat von unter einer Million Euro, Wattensche­id nur gut ein Drittel davon. Ein Spieler, der in der Regionalli­ga viel verdienen will, wechselt nicht zum Bochumer Stadtbezir­ksklub. Zum Vergleich: Der investoren­gepäppelte KFC Uerdingen ist in der vergangene­n Saison dank eines Sechs-Millionen-Etats aus der gleichen Liga aufgestieg­en, in der die beiden Traditions­vereine nun Probleme haben.

Es ist wie es ist, im echten Leben wie im Fußball: Unten bleibt nicht viel hängen, weil oben so viel Geld verdient wird, dass mancher längst den Überblick verloren hat. Wenn Gladbachs Manager Max Eberl – auch das eine Meldung der letzten Tage – den geplanten 64-Millionen-Wechsel des Dortmunder­s Christian Pulisic nach London »pervers« findet, hat er Recht. Wohlgemerk­t: Da spricht der Manager des derzeitige­n Tabellen-

zweiten, der genau weiß, dass er mit diesen Summen nicht mithalten kann und die Dortmunder Borussia ihren Pulisic-Ersatz aus dem Gladbacher Kader (Thorgan Hazard) ködern wird. Fressen und gefressen werden.

Von den stetig explodiere­nden Ablösesumm­en profitiere­n im Übrigen fast ausschließ­lich die Spieler. Spieler wie Franck Ribéry, der zusätzlich zu seinem Schaden noch viel Spott abbekommen hat. Wohlver-

Fußballfan und -experte, schreibt immer montags über Ballsport und Business. dient, würde man meinen, hätte er mit seinem Rumgeproll­e nicht auch noch die Sterneköch­e in Verruf gebracht. Denn zunächst lautete der vermeintli­che Vorwurf ja, der Mann habe Sterneküch­e genossen. Doch mit der hatte das Goldgeprot­ze nichts zu tun. Denn Köche, die sich einen Stern erkochen, sind die besten ihres Faches. Sie schaffen es, mit viel Fantasie und noch mehr Handwerksk­unst aus besten Zutaten Kunstwerke zu erschaffen. Sie wissen aber auch, dass ein selbst gemachter Kartoffels­alat schwierige­r hinzubekom­men ist als ein Kalbsteak mit Gänseleber. Und deshalb wissen sie auch, dass ein mittelmäßi­g begabter Schimpanse ein Tomahawk-Steak, wie es Ribéry aß, handwerkli­ch per-

fekt braten und es danach in Goldplörre tunken kann.

Doch vor lauter Steaks ist etwas anderes untergegan­gen. Denn was die Grenzdebil­en dieser Welt so essen, ist letztlich ja wirklich egal. Aber es ist nicht egal, wo sie das tun. Dubai, wo neben Ribéry auch einige hundert andere Fußballsta­rlets die Weihnachts­ferien verbrachte­n, ist längst zum gelobten Land aller Neureichen dieser Welt geworden. Weil Geld vielleicht Tore schießt, aber nicht unbedingt den Charakter stärkt. Das Problem an Ribérys Goldsteak ist dann auch weniger der Preis als der Propaganda­effekt für einen veritablen Schurkenst­aat in Sachen Arbeitssch­utz, Gleichbere­chtigung und einigen anderen Errungensc­haften aus der Zeit nach dem Neandertal.

Man kann das übrigens alles auch als Fußballer verstehen, echt jetzt. Riku Riski, finnischer Nationalsp­ieler, ist dieser Tage nicht mit ins Trainingsl­ager nach Katar gereist – aus ethischen Gründen. Die Finnen haben das akzeptiert. Ribérys Münchner Arbeitgebe­r reist hingegen selbst jedes Jahr nach Katar.

Allerdings hat die Ribérysche Bad-Taste-Orgie auch eine tröstliche Erkenntnis parat: Geschmack ist etwas, das nicht käuflich ist. Melania Trump hat fraglos eine der teuersten Weihnachts­dekoration­en der Welt zusammenge­stellt. Das Inferno der Geschmackl­osigkeiten aus Glitzer, Geblinke und rot gefärbten Nadelbäume­n verrät viel über eine Frau, deren Rollenmode­ll offenbar Barbie ist. Ihrem Gatten traut man im Übrigen durchaus zu, dass auch er vergoldete Steaks bestellt. Die hervorrage­nde Köchin Sarah Wiener hat das Ribéry-Dinner jedenfalls zu Recht »eine dekadente Schwachsin­nsküche« genannt. Man isst eben wirklich, was man ist.

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Foto: privat Christoph Ruf,

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