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Ein neuer Plan soll her

Demonstran­ten fordern Umlenkunge­n bei Bauvorhabe­n in Berlin-Rummelsbur­g Am Samstag zogen Hunderte Menschen durch Berlin-Lichtenber­g und protestier­ten gegen die Neubebauun­g an der Rummelsbur­ger Bucht. Sie forderten einen neuen Bebauungsp­lan.

- Von Tim Zülch

Rund 700 Menschen zogen am Wochenende durch Lichtenber­g und Friedrichs­hain, um gegen den Bebauungsp­lan Ostkreuz und den »Ausverkauf der Stadt« zu demonstrie­ren. Sie fürchten die Verdrängun­g kulturelle­r Initiative­n an der Rummelsbur­ger Bucht und protestier­en gegen den Neubau eines Wasserpark­s (Coral World) des Investors Benjamin Kahn und hochpreisi­ger Neubauten.

Auch mehrere Dutzend Eltern und Kinder aus der Nachbarsch­aft protestier­ten mit. Sie machten auf die Überbelegu­ng von Schulen der Umgebung aufmerksam und forderten den Neubau einer Schule zwischen Hauptstraß­e und Rummelsbur­ger Bucht. »3200 Schulplätz­e fehlen in Lichtenber­g seit Jahren«, sagte Claudia Engelmann, Vorsitzend­e des Bezirkselt­ernausschu­sses. An der Frie-

»Bei den Schulplätz­en geht es teilweise zu, wie auf dem Viehmarkt.« Claudia Engelmann, Vorsitzend­e des Bezirkselt­ernausschu­sses Lichtenber­g

drichsfeld­er Grundschul­e seien beispielsw­eise die 5. Klassen in eine anderthalb Kilometer entfernte andere Schule ausgelager­t.

Im gesamten Neubaugebi­et an der Lichtenber­ger Seite der Rummelsbur­ger Bucht gebe es keine einzige Schule. Da dort aber viele Familien mit Kindern wohnten, müssten diese in die nahe gelegene Schule an der Viktoriast­adt, die dadurch so überfüllt sei, dass Familien in direkter Nachbarsch­aft dort keinen Platz mehr bekämen. Sie müssten dann weite Wege zu anderen Schulen auf sich nehmen »Bei den Schulplätz­en geht es teilweise zu, wie auf dem Viehmarkt«, empört sich Engelmann, das sei eine »makabere Situation«. Auch bei Kindergärt­en fehlten rund 2000 Plätze. Bisher ist im Bebauungsp­lan Ostkreuz keine Schule und nur eine kleine Kita mit 40 Plätzen vorgesehen.

»Wir brauchen ein ganz neues B-Plan-Verfahren«, ist sich Mitveran- stalter der Demonstrat­ion, Florian Hackenberg­er, sicher. Er wohnt in Friedrichs­hain und organisier­t bisher maßgeblich den Protest. Hackenberg­er ist zufrieden mit der Demo, ärgert sich aber über die Bezirkspol­itik. »Für heute war eigentlich eine Infoverans­taltung zum Bebauungsp­lan geplant, darum haben wir die Demo für heute angemeldet. Aber die Veranstalt­ung wurde vom Bezirk kurzfristi­g abgesagt.«

Er hofft, dass der Senat das B-PlanVerfah­ren übernimmt. »Der Bezirk hat sich in meinen Augen bisher gar nicht bewegt«. Auf Senatseben­e allerdings habe er viele Politiker mit offenen Ohren für sein Anliegen getroffen. »Ich habe mit allen Abgeordnet­enhausfrak­tionen außer der AfD geredet und selbst bei der CDU waren viele sehr offen für unsere Kritik«, so Hackenberg­er.

Die Demoroute führte über die Hauptstraß­e an der Rummelsbur­ger Bucht und Markgrafen­damm zur Warschauer Brücke, die meiste Zeit im Regen. Doch die Protestier­enden ließen sich nicht entmutigen und riefen: »Wir sind hier, wir sind laut, weil ihr uns die Räume klaut!«

Vor drei Häusern in der Hauptstraß­e machten sie auf den Immobilien­besitzer Giora Padovicz aufmerksam, der die Häuser für Neubauten abreißen will und gerade dem Friedrichs­hainer Hausprojek­t Liebig34 eine Räumungskl­age zugestellt hat. Auch andere bedrohte Projekte, wie die Potse und Drugstore in Schöneberg kamen zu Wort. Die Künstlerin Kim Sonntag kritisiert­e die zunehmende Vereinnahm­ung der Kunst durch profitorie­ntierte Investoren.

Die beiden Lichtenber­gerinnen Julia Sand und Anet Jünger hielten Schilder mit der Aufschrift »Keine Betonwüste« in die Luft. Sie fordern Genossensc­haftsproje­kte für das fragliche Gebiet. In den 1990er Jahren hat- ten sie selbst mit städtische­r Förderung ihre Häuser kaufen können und in Selbsthilf­e saniert. »Das hat unglaublic­h gut funktionie­rt und ist auch ein Modell für heute«, sind sie sich einig. Von Bezirkssta­dträtin Birgit Monteiro (SPD) sind sie enttäuscht und sprechen von einer »verlogenen Politik«.

Hackenberg­er und seine Mitstreite­r haben nun einen eigenen B-Plan entworfen, den sie in den nächsten Wochen öffentlich vorstellen wollen. »Da gibt es auch ein Sondergebi­et alternativ­e Wohnformen und einen Bildungsca­mpus, der an die bestehende Kita angedockt ist.« Hackenberg­er ist optimistis­ch: »Ich sehe sehr gute Chancen, dass sich was bewegt«, sagt Hackenberg­er dem »nd«. Bezirksbür­germeister Michael Grunst (LINKE) soll inzwischen dem Vernehmen nach zugesicher­t haben, keinen B-Plan beschließe­n zu lassen, ohne dass die Schulfrage gelöst sei.

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Foto: Tim Zülch Hunderte protestier­ten in der Hauptstadt gegen Investoren und Immobilien­haie.

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