Pädagogen aus Massenproduktion
Lehramtsanwärter berichten Staatssekretär Steffen Krach von ihrem Studienalltag
Berlin sucht händeringend mehr ausgebildete Lehrkräfte. Investitionen in Millionenhöhe sollen an den Universitäten die dafür notwendigen Kapazitäten schaffen. Die Herausforderungen sind groß.
Qualifizierte Pädagogen sind in Berlin Mangelware. Um der Lage Herr zu werden, haben der rot-rot-grüne Senat und die Universitäten beschlossen, die Kapazitäten für die Ausbildung von Lehrkräften zu erhöhen. Ziel ist es, die Zahl der studierten Lehrer bis 2022 auf jährlich 2000 aufzustocken. Für neue Professuren, die Einstellung wissenschaftlichen Personals und den Ausbau der Infrastruktur will der Senat insgesamt 86 Millionen Euro in die Universitäten pumpen. So sehen es die im vergangenen Jahr abgeschlossenen Hochschulverträge vor.
Doch wie studiert es sich unter der politischen Vorgabe, so schnell wie möglich so viele Pädagogen wie möglich für den Schuldienst fit zu machen? Diese Frage stand im Zentrum des »Hearings Lehrkräftebildung«, das am Donnerstagabend im Henry Ford Bau an der Freien Universität (FU) in Dahlem stattfand. Wissenschaftsstaatssekretär Steffen Krach (SPD) hatte zu der Veranstaltung mit der erklärten Absicht eingeladen, sich ein Bild von der Praxis der Lehrerausbildung an den Universitäten zu machen.
Auf dem Podium saßen Vertreter der Berliner Universitäten, die maßgeblich für die Ausbildung der angehenden Pädagogen verantwortlich sind. Das Thema brannte ganz offensichtlich auch vielen Studenten unter den Nägeln. Rund 150 Kommilitonen waren zum Erfahrungsaustausch gekommen.
Krach sprach von einem »extrem hohen Druck«, der in der aktuellen Situation auf den Universitätsleitungen und den Lehramtsstudenten laste. »In den letzten Jahren ist Vieles im Bereich Lehrerausbildung suboptimal gelaufen«, konstatierte der Staatssekretär. Dass in der Vergangenheit zu wenig in die Lehrerausbildung investiert wurde, stelle die Berliner Bildungspolitik aktuell ebenso vor große Herausforderungen, wie die stetig wachsende Zahl von Schülern. »Wir suchen händeringend mehr qualifizierte junge Pädagogen«, brachte es Krach auf den Punkt. Dieser Analyse konnte die stellvertretende Direktorin der Dahlem School of Education der FU, Daniela Caspari, nur zustimmen. »Der Aufwuchs in den Ausbildungskapa- zitäten verlangt uns tagtäglich kreative Lösungen ab«, sagte Caspari. Neben dem zusätzlichen Bedarf an geeigneten Räumen und Lehrpersonal bräuchte es vor allem mehr administrative Entlastung, um den Verwaltungsaufwand stemmen zu können. Das Geld sei dabei gar nicht das Hauptproblem, wie Beate Lütke,
»Wir angehenden Lehrer dürfen nicht für die Verfehlungen der Politiker in der Vergangenheit haften.«
Max Rossdeutscher, Lehramtsstudent
stellvertretende Direktorin der Professional School of Education der Humboldt-Universität (HU), ergänzte. »Während immer mehr Studenten in unsere Lehramtsstudiengänge strömen, ist es schwer, qualifiziertes Personal für die Lehre und die Verwaltung zu finden«, so Lütke.
Wie sich das Fehlen dieses Personals konkret auf den Studienalltag auswirkt, schilderte Jenny Bintsch. Die Studentin ist an der FU im Master Grundschulpädagogik eingeschrieben. »In unseren Seminaren sitzen wir dicht an dicht«, erläuterte Bintsch. In Räumen, die maximal für 15 Personen ausgelegt wären, säßen derzeit auch gut und gerne einmal 30. »Dass wir so viele Kommilitonen sind, hat zur Folge, dass sich die Professoren nicht mehr um den Einzelnen kümmern können.« Die Quantität dürfe aber nicht über der Qualität der Lehre stehen, forderte die Studentin. »Damit ist niemandem geholfen«. Von heillos überfüllten Seminarräumen konnten viele ihrer Kommilitonen im Audimax ein Lied singen. Auch Max Rossdeutscher, der an der HU im Bachelor Geschichte und Germanistik studiert, musste schon auf dem Boden seinem Dozenten lauschen. »Ich finde, dass im Lehramtsstudium die Praxiserfahrung viel zu kurz kommt«, kritisierte er. Auch habe der Prüfungsdruck stark zugenommen. »Wir angehenden Lehrer dürfen nicht für die Verfehlungen der Politiker in der Vergangenheit haften«, sagte der Student.
Staatssekretär Krach hörte an diesem Abend genau zu. »Ich nehme viele neue Impulse mit.« Er versicherte, sich weiter für eine Verbesserung der Studienbedingungen einzusetzen. Auch ein weiteres Hearing soll es geben.