Wahlkampf als Trotzreaktion
Spitzenkandidat Martin Dulig will Sachsens SPD an der Regierung halten / Mitte-Links-Bündnis spielt keine Rolle Sachsens SPD hat Martin Dulig als Spitzenkandidat für die Landtagswahl im September aufgestellt. Er stimmt die Partei auf einen Wahlkampf gegen
Martin Dulig macht den Lindner: Im Stil des FDP-Bundeschefs stolziert der sächsische SPD-Chef über einen Laufsteg, der auf dem Oberdeck des Flughafens Dresden zwischen die Stuhlreihen der 128 Delegierten ragt. Das rote Rednerpult steht unbenutzt; statt in ein Manuskript schaut er ab und an auf den Stichwortzettel auf einem Beistelltisch. Ein Headset lässt die Hände frei. Mit denen gestikuliert der 44-Jährige ausladend, was ihn wie einen Motivationstrainer wirken lässt.
Dulig will seine Partei für einen Wahlkampf anstacheln, in dem es um viel geht – und den sie unter denkbar ungünstigen Vorzeichen führt. In gut sieben Monaten wird in Sachsen ein neuer Landtag gewählt. Die SPD, die vor fünf Jahren zum zweiten Mal eine Koalition mit der CDU eingegangen ist, will weiter an der Macht bleiben: »Ich will, dass wir regieren«, sagt Dulig. Allerdings bietet die Partei im Bund ein anhaltend trauriges Bild und siecht in Umfragen vor sich hin. Man werde »keinen Rückenwind aus Berlin« haben und es »aus eigener Kraft schaffen müssen«, sagt Dulig und fordert eine »Trotzreaktion« von der Landespartei. Der Beifall an der Stelle ist kräftig wie an keiner anderen.
Dabei ist die SPD im Freistaat alles andere als ein Herkules. Bei der Landtagswahl 2004 – Dulig war damals noch Juso-Chef – fiel sie mit 9,8 Prozent auf ein Allzeittief, rettete sich aber in eine erste Regierungsbeteiligung. Fünf Jahre später, Dulig war inzwischen Fraktionschef im Landtag, langte es auch nur zu 10,4 Prozent; in der Regierung wurde man durch die FDP ersetzt. Danach rückte Dulig zum Landeschef auf. Die erste Kampagne mit ihm als Frontmann beendete die Partei 2014 bei 12,4 Prozent. Dulig habe die SPD aus dem »Tal der Tränen« geführt, hieß es danach. Zudem reichte es erneut zum Regie- ren; Dulig ist seither Vizeministerpräsident und Wirtschaftsminister.
Die SPD hält sich zugute, in der Koalition viel erreicht zu haben: es sei ein »Politikwechsel vollzogen« und bewirkt worden, dass »der Staat wieder im Dienst der Menschen und nicht des Finanzministers« stehe, lobte er die Abkehr von der langjährigen Sparpolitik CDU-geführter Regierungen, die zu traurigen Zuständen etwa in Schulen und bei der Polizei ge- führt hatte. Jetzt sei die »Reparaturphase« abgeschlossen; die SPD, betonte Dulig, wolle nun »gestalten« – etwa bei Wohnen und Mobilität.
Allerdings sei Dankbarkeit für Erreichtes »keine Währung bei Wahlen«, räumt der SPD-Mann ein. Umfragen sehen die Partei bei zehn Prozent und damit erneut bedrohlich nahe am »Tal der Tränen«. Deshalb müsse es nun darum gehen, »Hoffnungen« bei Wählern zu wecken. Die Partei wolle die »hart arbeitenden Leute« in den Mittelpunkt stellen, zudem jene ansprechen, die einen »handlungsfähigen Staat« wünschen, und vor allem alle, die den Freistaat nicht zum »Angstland« werden lassen wollten. Im September, sagt Dulig, finde eine »Richtungswahl« statt.
Einer möglichen Koalition der CDU mit der AfD hält die SPD indes allein die Bereitschaft entgegen, selbst weiter mit ihr zu regieren. Eine Alternative etwa in Form eines Mitte-LinksBündnisses formuliert Dulig nicht – und schiebt die Schuld dafür der LINKEN zu. Die habe sich »selbst aus dem Rennen genommen«, sagte er unter Verweis auf Äußerungen von deren Spitzenkandidat Rico Gebhardt, der freilich gesagt hatte, man wolle nicht auf die »Auswechselbank« der CDU. Die Argumentation der SPD variiert indes. Vor Tagen hatte sie auf Twitter betont, ein linkes Bündnis nicht auszuschließen; sie sei aber »mit Blick auf die Umfragewerte realistisch«. Die sahen LINKE, SPD und Grüne zuletzt bei nur 37 Prozent. Ohne dass sich das geändert hätte, musste am Wochenende ein Text im Leipziger Stadtmagazin »Kreuzer« als Sündenbock herhalten, der einen fehlenden Willen zu Rot-Rot-Grün in Sachsen feststellte. So würde man »Optionen schon zerschreiben, wenn das Wahljahr gerade erst begonnen« habe, hieß es bei der SPD. Dort halten derlei Optionen nur wenige hoch. Juso-Chef Stefan Engel betont, die SPD sei »kein Anhängsel der CDU«; gebe es Mehrheiten ohne diese, »erwarte« er, dass sie genutzt würden. Den Rückhalt für Dulig schmälert das nicht. Er erhielt als Spitzenkandidat 88,1 Prozent. Vor fünf Jahren waren es 95,4 Prozent.