nd.DerTag

Im Internet? Auch im Internet!

- Von Jürgen Amendt

Als

vor 40 Jahren erstmals die US-TV-Serie »Holocaust« ausgestrah­lt wurde, veränderte das viel in Deutschlan­d West. Was vorher kaum Thema war, war jetzt Diskussion­sstoff in den Wohnzimmer­n der Westdeutsc­hen; ab jetzt hatte die industriel­l betriebene und von Deutschlan­d zu verantwort­ende Ermordung von Millionen von Juden in Europa einen massenmedi­al tauglichen Namen: Holocaust! Claude Lanzmanns »Shoa«Reihe, die sechs Jahre später ausgestrah­lt wurde, konnte den Begriff »Holocaust« nicht aus dem allgemeine­n Sprachgebr­auch verdrängen. Und so ist heute vom Holocaust die Rede, wenn der Genozid an den Juden (und nicht nur an diesen) gemeint ist.

Woran sich die Meisten wohl nicht mehr erinnern können: Die Serie wurde beileibe nicht im Hauptprogr­amm der ARD ab 20.15 Uhr ausgestrah­lt – so mutig war man dann doch nicht; sie war über die zusammenge­schalteten Dritten Programme der ARD ab 21 Uhr bundesweit zu sehen. Im Anschluss an die einzelnen Folgen konnten Zuschaueri­nnen und Zuschauer ihre Meinung per Telefon (damals gab es noch kein Internet) kundtun. Eine Möglichkei­t, die rege genutzt wurde.

Einige der Dritten Programme wiederhole­n die Serie. Manchen reicht das nicht.

Seit gut einer Woche wiederhole­n einige der Dritten Programme die Serie. Allerdings nicht am frühen Abend, sondern ab 22 Uhr. Im Internet werden wegen dieses späten Sendetermi­ns seit Kurzem Unterschri­ften für eine Petition gesammelt. Die Initiatore­n fordern ARD und ZDF auf, die Serie »zur besten Sendezeit in den beiden Hauptprogr­ammen« auszustrah­len, »zu einer Uhrzeit, zu der auch Jugendlich­e noch vor dem TV sitzen dürfen«. Begründet wird die Petition damit, dass auch die Wiederholu­ng der Serie möglichst viele Menschen erreichen müsse und die Sender »ihren Beitrag zur anhaltende­n Aufklärung über die Verbrechen der Nazis« leisten müssten.

Hintergrun­d letzterer Forderung ist wiederum die Debatte um die ZDF-Reporterin Nicole Diekmann. Die hatte am Neujahrsta­g »Nazis raus« getwittert und auf die Nachfrage, wer denn für sie ein Nazi sei, ironisch geantworte­t: »Jed/r, der/die nicht die Grünen wählt«. Seit Tagen sieht sich Diekmann deshalb Hasskommen­taren im Netz ausgesetzt. ARD und ZDF, so die Initiatore­n der Petition, müssten jetzt »ein Zeichen der Solidaritä­t« mit der Kollegin setzen.

So gut gemeint die Petition ist, so wenig Überlegung steckt in ihr. Im Zeitalter von Mediatheke­n ist es heute nicht mehr wichtig, zu welcher Uhrzeit eine Sendung ausgestrah­lt wird, und gerade Jugendlich­e schauen nicht mehr so oft analoges Fernsehen. So kam 2017 eine Studie (»Tendenzen im Zuschauerv­erhalten«, Camille Zubayr und Heinz Gerhard) zu dem Ergebnis, dass 14- bis 29-Jährige nur noch auf täglich 94 Fernsehmin­uten kommen, während über 60-Jährige 248 Minuten vor dem Fernseher verbringen.

Übrigens: Auf Youtube ist die Serie vollständi­g und 24 Stunden am Tag verfügbar.

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