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Den Schuss gehört

Die deutschen Biathletin­nen feiern in Oberhof eine schnelle Wiederaufe­rstehung

- Von Oliver Kern, Oberhof

So schnell die Krise gekommen war, so schnell war sie wieder weg. Beim Biathlonwe­ltcup in Oberhof zeigten die deutschen Frauen sehr schwankend­e Leistungen. Fast hätten sie aber noch einen Sieg bejubelt.

»Neuer Start, neues Ziel«, wandelte Denise Herrmann ein altbekannt­es Sprichwort ab. Von Glück sprechen Spitzenspo­rtler ja eher ungern, das würde den Wert guter Leistungen schmälern. Zu den Weltcuptag­en von Oberhof passte Herrmanns Ansage aber treffend auf die Darbietung­en der deutschen Biathletin­nen. Von der Krise über die Wiederaufe­rstehung bis zum im letzten Moment verschenkt­en Staffelsie­g war in drei Rennen von Donnerstag bis Sonntag alles dabei. Und die jeweils selbst gesteckten Ziele schienen die Ergebnisse mitzubesti­mmen.

Ein Heimweltcu­p ist nie einfach. Von deutschen Biathleten werden zwar stets gute Platzierun­gen erwartet, doch als ihnen in Oberhof erstmals in der Saison der komplette Fokus von bis zu 22 000 Fans galt und sie diese Leute nicht enttäusche­n wollten, versagten die Läuferinne­n des Deutschen Skiverband­s (DSV) zunächst im Sprint am Donnerstag. Platz 34 als bestes Resultat war »Kacke«, wie es Assistenzt­rainer Florian Steirer so drastisch wie einfach formuliert­e. Der Wandel folgte in der Verfolgung am Sonnabend, als mit großen Startrücks­tänden die ebenso großen Erwartunge­n von den Deutschen genommen waren. »Verlieren konnten wir nicht mehr viel. Wir wollten aber noch etwas nach vorn bewegen, und das ging nur, wenn wir Vollgas geben. Da hatte ich mal keine Zeit nachzudenk­en«, sagte Herrmann, der mit der schnellste­n Laufzeit und für sie respektabl­en vier Strafrunde­n ein Sprung von Rang 36 auf neun gelungen war.

Teamkolleg­in Franziska Preuß machte sogar 39 Plätze bis auf Rang sechs gut. In der reinen Verfolgung­swertung war sie sogar die Beste. Es wäre ihr erster Einzelwelt­cupsieg gewesen, doch der Weltverban­d IBU vergibt für diese Teilleistu­ng keine Extrapunkt­e. Auch bei Preuß schien der abgefallen­e Druck die Lösung gewesen zu sein. »Ich bin viel lockerer an den Start gegangen, denn verlieren konnte ich kaum noch was«, sagte die 24-Jährige. »Von weit hinten geht man ganz anders ins Rennen.«

Vier der fünf gestartete­n Deutschen machten mindestens 16 Plätze gut. Es zeigte einen Aufwärtstr­end, zwei Tage nachdem viele schon von einer Krise gesprochen hatten, weil ohne die kranke Olympiasie­gerin Laura Dahlmeier mal wieder nichts ging. »Eine Krise war das sicherlich noch nicht, aber ein Schuss vor den Bug«, sah auch Trainer Steirer ein. »Vielleicht kam dieser Schuss genau zur richtigen Zeit. Wir sind aufgewacht und haben mannschaft­lich sehr gut darauf geantworte­t.«

Das junge neue Trainertea­m um Steirer hatte zuvor erstmals den Druck erhöht, auch wenn er es lieber als »Druck ablassen« bezeichnen wollte. »Vielleicht hat es die eine oder andere wachgerütt­elt«, mutmaßte der 37Jährige. Preuß meinte, man sei als Team näher zusammenge­rückt. »Wir haben gemeinsam nach einem Ausweg aus der Situation gesucht. Und jetzt haben wir gezeigt, dass wir viel mehr drauf haben.« Für Herrmann war der Samstag ein Geraderück­en der Verhältnis­se: »Alle wissen, dass das am Donnerstag nicht unsere Normalleis­tung war. Wo wir wirklich hingehören, haben wir jetzt gezeigt.«

Ausgerechn­et Herrmann, die am Sonntag eigentlich an die gute Leistung des Vortags anknüpfen wollte, hatte in der abschließe­nden Staffel aber plötzlich wieder viel Zeit zum Nachdenken. Karolin Horchler, Franziska Hildebrand, die beide sogar gestürzt waren, und Preuß hatten die Schlussläu­ferin aus Oberwiesen­thal auf Platz eins auf die verschneit­e Strecke geschickt. Herrmann baute den Vorsprung sogar auf mehr als zehn Sekunden aus, doch dann reichten ihr acht Patronen nicht, um im Stehendsch­ießen alle Scheiben abzuräumen. Die Russin Jekaterina Jurlowa-Percht zog an der Deutschen vorbei, Herrmann rettete gerade noch Rang zwei vor Tschechien, die bis dahin beste deutsche Platzierun­g beim Heimweltcu­p. Arnd Peiffer hatte am Sonnabend in der Verfolgung ebenfalls Platz zwei belegt.

Bei der Staffel war alles wieder von null losgegange­n. Die Deutschen hatten plötzlich von Anfang an wieder Siegchance­n, und abermals konnte vor allem Herrmann in diesem Augenblick nicht ihre herausrage­nden Fähigkeite­n abrufen. »Wir wollten als Mannschaft in der Loipe alles geben und beim Schießen so wenige Fehler wie möglich machen«, hatte Herrmann die neue Zielstellu­ng zusammenge­fasst. Am Ende war sie es selbst, die doch zu Fehler gemacht hatte.

»Wir können immer noch vorn angreifen. Das zu wissen, tut gut«, fasste Franziska Preuß die etwas chaotische Woche am Ende doch noch positiv zusammen. Schon am Mittwoch geht der nächste Heimweltcu­p in Ruhpolding los. Dort werden mit Vanessa Hinz und Laura Dahlmeier zwei starke Läuferinne­n dazustoßen. »Ich gehe davon aus, dass wir dann wieder vorn ein Wörtchen mitreden können«, sagte Trainer Florian Steirer.

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Foto: imago/Jan Huebner Für Franziska Preuß lief es in Oberhof immer besser: Von Sprintrang 45 kam sie im Verfolger auf Rang sechs, mit der Staffel wurde sie Zweite.

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