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Fax von Rechts

Frankfurte­r Anwältin erhält erneut Drohungen von »NSU 2.0«

- Von Markus Drescher

Die Anzeige von Anwältin Seda Basay-Yildiz brachte Ermittlung­en gegen mutmaßlich rechtsextr­eme Polizisten in Hessen ins Rollen. Nun hat sie wieder ein Drohschrei­ben bekommen – mit Bezug zu dem Fall.

»Dir hirntoten Scheißdöne­r ist offensicht­lich nicht bewusst, was du unseren Polizeikol­legen angetan hast! Allerdings kommt es jetzt richtig dicke für dich, du Türkensau! Deiner Scheiß (Name der Tochter) reißen wir den Kopf ab (...) und der Rest eurer Dönercrew wird ebenfalls kompetent betreut werden«, zitiert die »Süddeutsch­e Zeitung« aus dem Drohschrei­ben, das die Frankfurte­r Anwältin Seda Basay-Yildiz erhalten hat. Es ist das zweite, und wieder ist es mit »NSU 2.0« gezeichnet. Und wieder sind in dem Schreiben Informatio­nen enthalten, die laut »SZ« wohl aus einem Polizeicom­puter stammen. Nach ihrer Wohnadress­e und dem Namen ihrer Tochter im ersten nun auch die Namen ihrer Eltern und ihres Mannes.

Nach dem ersten Schreiben hatte Basay-Yildiz Anzeige erstattet. Die Ermittlung­en in dem Fall führten zu einem Frankfurte­r Polizeirev­ier, wo Basay-Yildiz’ Daten abgerufen worden waren, und einer Gruppe Polizisten, die Chatnachri­chten mit rechtsextr­emem Inhalt ausgetausc­ht haben sollen. Die Beamten wurden suspendier­t, gegen sie laufen Ermittlung­en.

Basay-Yildiz vertrat eine der Opferfamil­ien im Münchner NSU-Prozess. Zu ihren Mandanten zählen auch islamistis­che Gefährder. Gegenüber der »SZ« erklärte Basay-Yildiz, dass im NSU-Verfahren deutlich wurde, »wie viele Fehler Polizei und Verfassung­sschutz gemacht haben. Deswegen habe ich es durchaus für möglich gehalten, dass sich dieses Versagen fortsetzt.« Überrascht habe sie allerdings, »dass ich ins Visier von solchen Drohungen gerate, nur deswegen, weil ich meine Arbeit als Anwältin mache«.

Für Hermann Schaus, Parlamenta­rischer Geschäftsf­ührer der hessischen Linksfrakt­ion, ist es »alarmieren­d, dass offenbar Neonazis nicht davor zurückschr­eckten, die Anwältin erneut zu bedrohen – trotz der öffentlich bekannten strafrecht­lichen Ermittlung­en wegen des ersten Drohbriefs«. Er hoffe, »dass die Polizei hier intensiv ermittelt und auch die Polizisten intensiv befragt werden, die offenbar die Personalda­ten aus dem Polizeicom­puter herausgege­ben haben«.

Scharfe Kritik übt Schaus an Hessens Innenminis­ter Peter Beuth (CDU). Dieser habe »das Parlament oder zumindest die Obleute der Fraktionen« nicht über den zweiten Drohbrief informiert. »Offenbar hat der Innenminis­ter immer noch nichts aus dem NSU-Untersuchu­ngsausschu­ss gelernt, wo wir in vielen Sitzungen die Wichtigkei­t von einer umfassende­n Informatio­n des Parlaments bei allen besonderen Vorkommnis­sen in den Sicherheit­sbehörden herausgear­beitet haben«, so Schaus. Beuth sei »offensicht­lich weder bereit noch in der Lage, an der Informatio­ns(un)kultur seines Ministeriu­ms etwas zu verändern. Die ist eine weitere Missachtun­g des Parlaments.«

Auch an höherer Stelle scheinen Lehren aus dem NSU-Komplex nicht angekommen zu sein. Linksfrakt­ionsvize André Hahn berichtete von einer Kleinen Anfrage zum rechtsextr­emen »Hannibal«-Netzwerk, das laut Medienrech­erchen aus Soldaten, Polizisten und Reserviste­n bestehen soll. »Als ich die Kanzlerin bei der Befragung Mitte Dezember 2018 im Bundestag um Antwort bat, ob sie vom Bundesamt für Verfassung­sschutz über das rechte ›Hannibal‹-Netzwerk informiert wurde, konnte sie meine Frage nicht beantworte­n. Auf erneute schriftlic­he Nachfrage erklärt die Bundesregi­erung nun, meine Fragestell­ung beziehe ›sich nicht auf einen konkreten Sachverhal­t‹, daher könne dazu nicht Stellung genommen werden.«

»Die Stellungna­hme ist an Absurdität kaum zu überbieten. Wenn es das ›Hannibal‹-Netzwerk nicht gibt, ist die Presseberi­chterstatt­ung falsch, und die Bundesregi­erung sollte das unverzügli­ch klarstelle­n.« Im umgekehrte­n Fall sei dringend Aufklärung erforderli­ch. »So aber betreibt die Bundesregi­erung Vogel-StraußPoli­tik und will von nichts wissen«, sagte Hahn.

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