Nur an Admiralen mangelt’s nicht
Rüstungsbestellungen sollen helfen, Selbstbewusstsein der Marine aufzubauen
Die Marine will ihre »Minderwertigkeitsgefühle« therapieren. Schaut man sich die gesamte Flottenrüstung an, fallen die horrenden Mehrkosten bei der Restaurierung der »Gorch Fock« kaum ins Gewicht.
Ende vergangene Woche hielten die Führungskräfte der Deutschen Marine abseits der A20 in Dobbin-Listow ihre nun schon 59. HiTaTa ab. Diese alljährlich veranstalteten HistorischTaktischen Tagungen sind eine Art Weichenstellung, die – glaubt man Vizeadmiral Andreas Krause – in der Gesellschaft und selbst innerhalb der Bundeswehr viel zu wenig Beachtung finden.
Der Chef der Marine beklagte, dass die jahrzehntelangen Landoperationen, an denen die Bundeswehr sich beteiligt hat, zu einer »Sea blindness« geführt hätten. Kommt die Rede auf die Schnelle NATO-Eingreiftruppe VJTF, denke jeder an Heeresbrigaden. Doch die Rückbesinnung auf die Landes- und die Bündnisverteidigung, die neben die internationalen Einsätze trete, fordere auch die Marine. Denn, so war bei der HiTaTa zu hören: Eine etwaige Verteidigung des Bündnisgebietes beginne nicht erst irgendwo an der russischen Grenze, sondern bereits an der USOstküste. Ohne Nachschub über den Atlantik gehe nichts. Neben dem Einsatzgebiet Nordatlantik stünden die Nord- und Ostsee im »geografischen Fokus«, betonte Krause. Da könne die Deutsche Marine »ihre besondere Expertise für die Randmeerkriegführung« einbringen. Zugleich wolle man ein regionales Hauptquartier im Ostseeraum zur Führung »hochintensiver Operationen« schaffen. Krauses »Kollegen« in Russland haben sicher nichts anderes erwartet.
Gemessen an der Anzahl der Admirale – sie ist seit dem Ende des ersten Kalten Krieges kaum gesunken und liegt bei 35 – sind die deutschen Seestreitkräfte bestens aufgestellt. Vor allem in alliierten Stäben trifft man sie an. Weniger auf See, denn dafür gibt es zu wenige Schiffe. Aktuell verfügt man über 46 Einheiten, und auch wenn man die drei Spionageschiffe sowie diverse Hafenschlepper hinzuzählt, ist das die kleinste deutsche Flotte aller Zeiten. Doch Krause machte den Seinen Hoffnung. Es sei geplant, dass die Flotte bis 2031 um durchschnittlich eine Einheit pro Jahr verstärkt wird. Am Anfang der übernächsten Dekade hätte man so einen Bestand, der 30 Prozent größer ist als der aktuelle. Spätestens an dem Punkt wurde aus der HiTaTa- eine HaHaHa-Veranstaltung.
Seit drei Jahren überfällig sind vier neue Fregatten. Das Typschiff »Baden-Württemberg« schwimmt zwar, doch nicht gut genug. Aufgrund von Baumängeln und Verzögerungen konnte sie nicht in Dienst gestellt werden. Krause hofft nun, dass es im Mai klappen könnte. Die Kosten des Gesamtprojekts liegen schon jetzt um eine Milliarde Euro über dem Limit.
Noch trüber sieht es mit den Superfregatten MKS-180 aus. Der Flottenchef rechnet mit dem ersten von vier Schiffen »in der zweiten Hälfte der nächsten Dekade«. Er habe sich entschieden, »dass wir eine zweijährige Verzögerung bis 2027 hinnehmen, um sicherstellen zu können, dass wir kein Schiff in Dienst stellen müssen, das nicht über die erforderlichen Fähigkeiten verfügt«. Hinter den Kulissen hört man: Statt mit 3,5 Milliarden Euro Baukosten rechnet man, noch bevor ein Stück Rumpf zugeschnitten ist, mit 5,3 Milliarden Euro. Zugleich stellen sich auch Fragen nach einem möglichen Einsatz dieser Schiffe. Als man sie geplant hat, orientierte sich die Marineführung an globalen Ambitionen. Für den nun ins Auge gefassten Einsatz in der Ostsee sind die MKS-180 kaum geeignet.
Angesichts der Erfahrungen mit dem ersten Korvetten-Los glaubt niemand, dass die nun bestellten fünf weiteren Schiffe termingerecht fertig werden. Das Lieferdatum ist der Zeitraum zwischen Ende 2022 und Sommer 2025. Der Stückpreis soll bei rund 400 Millionen Euro liegen. Da geht noch was! Hinzu kommen Planungen für zwei U-Boote, die im Rahmen eines mit Norwegen verabredeten Projekts entstehen. Immerhin sind nach einem Totalausfall aller sieben derzeit betriebenen deutschen UBoote drei wieder fahrbereit.
Beschafft werden neue Betriebsstoffversorger – die alten haben aus Umweltgründen keinen »TÜV« mehr bekommen. Man braucht neue Tender und will die Minensucheinheiten verstärken. Auch die völlig veralteten Hubschrauber der Marine müssen ersetzt werden. Im Oktober soll der erste »SeaLion« übernommen werden. Wie man die »SeaLynx«-Bordhubschrauber ersetzen kann, weiß niemand. Deshalb hat man zuerst einen Namen für sie ausgesucht: »SeaTiger«.
Das eigentliche Problem dieser immensen Aufrüstungsanstrengungen ist der Mensch. Es gibt einfach nicht genügend Bewerber. Die Marineschulen waren – im Gegensatz zu denen beim Heer – nicht ausgelastet. Um das zu ändern, planen Krauses Werber in diesem Jahr »etwa 70 Einzelmaßnahmen, darunter knapp 50 Seefahrten, mit absehbar 2200 interessierten Teilnehmern«.