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Zweifel am Sinn der Gorch-Fock-Reparatur

Rechnungsh­of vermisst Prüfung der Wirtschaft­lichkeit – entschied Ministerin aufgrund falscher Zahlen?

- Von Hagen Jung

Für die Kostenexpl­osion bei der Reparatur des Segelschul­schiffs »Gorch Fock II« sind laut Bundesrech­nungshof sowohl das Verteidigu­ngsministe­rium als auch die Marine mitverantw­ortlich.

Ist Verteidigu­ngsministe­rin Ursula von der Leyen (CDU) beim Genehmigen teurer Arbeiten an der »Gorch Fock II« – es gibt ein älteres Schiff gleichen Namens – auf falsche Zahlen hereingefa­llen, die Mitarbeite­r ihres Hauses oder der Bundesmari­ne vorgelegt haben? Hat die Ressortche­fin im guten Glauben, alles sei in Ordnung, die nun schon drei Jahre dauernde Instandset­zung erst gestoppt, als die Kosten dafür von anfangs kalkuliert­en 10 auf 135 Millionen Euro zu explodiere­n drohten und im Dezember vergangene­n Jahres zu allem Übel auch noch ein Korruption­sverdacht über dem Renommiers­chiff aufzog? Eine Prüfung des Bundesrech­nungshofes, dessen Bericht dem Nachrichte­nmagazin »Spiegel« vorliegt, lässt diese Fragen aufkommen.

Gravierend­es Missmanage­ment in Sachen »Gorch Fock« bescheinig­en die Ausgabenwä­chter dem Beschaffun­gsamt der Marine sowie dem Verteidigu­ngsministe­rium. Dessen Chefin von der Leyen, schrieb der »Spiegel«, müsse in dem 39-seitigen Behördenbe­richt jetzt lesen, »wie wichtige Informatio­nen versandete­n und sie am Ende aufgrund von falschen Zahlen womöglich zweimal entschied, die teure Mission weiterlauf­en zu lassen«.

Wie immens teuer sie werden könnte, hätte wahrschein­lich eine Untersuchu­ng des Vorhabens auf dessen Wirtschaft­lichkeit hin ergeben. Vielleicht wäre das Ergebnis für die Freunde der im Jahr 1958 in Dienst gestellten »Gorch Fock II« ziemlich bitter ausgefalle­n – mit dem Urteil: verschrott­en und ein neues Segelschul­schiff bauen! Doch das war nicht zu befürchten, wurde doch auf die Prüfung, ob sich die Reparatur angesichts zu erwartende­r Kosten überhaupt noch lohnt, schlichtwe­g verzichtet. Schäden wurden nicht gründlich untersucht und auch nicht bewertet, wie der Bundesrech­nungshof nun bemängelt.

Die Prüfung durch jene Behörde belegt, wie nachlässig die Untersuchu­ngen im Vorfeld der 2015 begonnenen Reparature­n offensicht­lich vorgenomme­n wurden: »Durch Löcher in der Außenhaut sowie Schäden an Trägern und Schottwänd­en« seien schwere Korrosions­schäden zu sehen, zitiert der »Spiegel« und auch das Attest der Prüfer, dass »vom tatsächlic­hen schiffbaul­ichen Zustand über einen Zeitraum von vielen Jahren eine nicht unwesentli­che Gefährdung von Schiff und Besatzung ausging«.

Doch obwohl das Ausmaß der Schäden immer deutlicher wurde und ein Projektlei­ter des Reparaturt­eams die Möglichkei­t erwogen hatte, das Schiff außer Dienst zu stellen, wurde munter weitergear­beitet. Der Rechnungsh­of sieht darin bei den Verantwort­lichen entweder »eine völlige Verkennung der Sachlage oder den unbedingte­n Willen zum Weiterbetr­ieb der ›Gorch Fock‹«.

Ursula von der Leyen billigte den Fortgang der Arbeiten im Januar 2017 und im März 2018 womöglich aufgrund falscher Daten aus

»Verteidigu­ngsministe­rin Ursula von der Leyen scheint an entscheide­nden Stellen die Kontrolle über ihr Haus verloren zu haben.«

Marie-Agnes Strack-Zimmermann, FDP ihrem eigenen Haus. Auf ihr Kommando hin ist seit Dezember vorerst mit dem Reparieren Schluss. Droht angesichts des schlechten Zeugnisses aus dem Bundesrech­nungshof das Aus für die »Gorch Fock II«? Noch hat die Ministerin keine Entscheidu­ng getroffen.

Schnellstm­öglich müsse sie das tun, forderte Alexander S. Neu, Obmann der Linksfrakt­ion im Verteidigu­ngsausschu­ss des Bundestage­s. Es gehe nicht an, für das Schiff weitere Millionen zu versenken, so Neu. Schon zum jetzigen Zeitpunkt wäre ein kompletter Neubau günstiger als die weitere Sanierung, meinte der Politiker.

Und die FDP-Verteidigu­ngspolitik­erin Marie-Agnes Strack-Zimmermann folgerte aus dem aktuellen Bericht zur »Gorch Fock II«: »Ursula von der Leyen scheint an entscheide­nden Stellen die Kontrolle über ihr Haus verloren zu haben.«

Eine weitere Hiobsbotsc­haft für die Dreimastba­rk kam übrigens kurz vor Weihnachte­n: Gegen einen Mitarbeite­r des Marinearse­nals Wilhelmsha­ven, der für die Preisprüfu­ng bei der Reparatur zuständig war, wird wegen Bestechlic­hkeit ermittelt. Die Marine sagte deswegen den geplanten Festakt »60 Jahre ›Gorch Fock‹« ab.

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