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Identitäre greifen Verlags- und Parteihäus­er an

Ermittlung­en nach bundesweit­er Plakatakti­on von extrem rechter Gruppe / Übergriff auf »taz«-Mitarbeite­rin

- Von Sebastian Bähr

Anhänger der »Identitäre­n Bewegung« zogen am Montag in mehreren Städten vor Büros von Politikern und Journalist­en.

Sie sind nur wenige. Durch provokante Aktionen wollen sie dennoch eine große Resonanz erzielen und sich stärker inszeniere­n, als sie in Wirklichke­it sind. Mit ihrer üblichen Medienstra­tegie wollten Anhänger der neurechten »Identitäre­n Bewegung« am Montag nach eigener Aussage »bundesweit­e Aktionen gegen linke Gewalt« durchführe­n. In den Morgenstun­den zogen Gruppen durch mehrere Städte, um Plakate an den Gebäuden von Parteien und Verlagen anzubringe­n. Auf vielen Fotos: Das Bild des verletzten Bremer AfDLandesc­hefs Frank Magnitz.

In Berlin wurden die Identitäre­n dann jedoch selber gewalttäti­g. Vor dem Verlagshau­s der »taz« griffen sie eine Mitarbeite­rin an und drängten sie ab. Ein Video des Übergriffs veröffentl­ichten sie selbst auf Twitter. Den Vorwurf der Körperverl­etzung wiesen sie zurück.

Nach Angaben der Zeitung kam die betroffene Kollegin gegen acht Uhr zur Arbeit, als sie am Eingang rund sechs Identitäre beim Anbringen der Plakate erwischte. Auch Flugblätte­r und Pflasterst­eine seien auf dem Boden drapiert gewesen. Als die Mitarbeite­rin die Gruppe an ihrer Aktion hindern wollte, habe man sie »gepackt und am Oberkörper getroffen«. Der Berliner Staatsschu­tz hat Ermittlung­en wegen Hausfriede­nsbruch und gefährlich­er Körperverl­etzung aufgenomme­n.

»Wir sind sehr verärgert über die Aktion der Identitäre­n, für die attackiert­e Kollegin war es eine schwierige Situation«, sagte die stellvertr­etende »taz«-Chefredakt­eurin Barbara Junge gegenüber »nd«. »Gleichzeit­ig sind wir auch stolz auf unsere Mitarbeite­rin – sie hat gezeigt, dass wir uns so etwas nicht gefallen lassen.«

Die Identitäre­n hatten in Berlin auch am ARD-Hauptstadt­studio, am Parteibüro der Grünen und am Willy-Brandt-Haus der SPD Aktionen durchgefüh­rt. Der Regierende Bürgermeis­ter von Berlin, Michael Müller (SPD), verurteilt­e die Angriffe scharf. »Diese bundesweit­e Attacke auf Parteien und Medien zeigt auf, wer und was diesen Leuten ein Dorn im Auge ist: die Repräsenta­nten unserer parlamenta­rischen Demokratie.« Leute wie die Identitäre­n wollten ein Deutschlan­d, in dem Freiheiten und Grundrecht­e nicht mehr gelten, so Müller. »Dem müssen sich alle Demokratin­nen und Demokraten entgegenst­ellen.«

Weitere Aktionen der Identitäre­n gab es unter anderem in Hamburg vor dem Büro des »Spiegels« sowie vor den Büros der Bundestags­abgeordnet­en Victor Perli (LINKE, Lüne- burg), Claudia Roth (Grüne, Augsburg) und Hilde Mattheis (SPD, Ulm). »Mit eurer Kindergart­en-Aktion habt ihr lediglich mal wieder eure anti-demokratis­che Gesinnung unter Beweis gestellt«, schrieb Mattheis auf Twitter. In Dresden verübten Rechte nach Angaben der Initiative »Straßengez­witscher« Farbanschl­äge auf Büros von Linksparte­i und SPD.

Pech hatten Identitäre in Frankfurt am Main. Eine Gruppe wollte hier Plakate an ein Bürogebäud­e kleben, in dem unter anderem die »Frankfurte­r Rundschau« (FR) ihren Sitz hat. Die Polizei war jedoch schon vor Ort und konnte zehn Personen festhalten. Der »FR«-Redakteur Hanning Voigts betonte, dass man sich nicht einschücht­ern lassen werde: »Nazis veröffentl­ichen unsere Namen auf Feindeslis­ten. Nazis schreiben uns Drohmails und bepöbeln uns. Faschisten beschmiere­n unsere Büros. Und wir machen weiter.«

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