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Programmie­rte Bahnproble­me

Ein Krisentref­fen mit dem Bundesverk­ehrsminist­er soll für mehr Pünktlichk­eit sorgen

- Von Hans-Gerd Öfinger

Die katastroph­alen Folgen eines Stellwerka­usfalls in Hannover haben kurz vor einem Krisentref­fen zur Deutschen Bahn die Probleme noch einmal drastisch aufgezeigt.

Für diesen Dienstag hat Bundesverk­ehrsminist­er Andreas Scheuer (CSU) Spitzenman­ager der Deutschen Bahn AG (DB) zu einem Krisentref­fen geladen. Dabei sollen die aktuellen Probleme des bundeseige­nen Bahnkonzer­ns und Auswege auf der Tagesordnu­ng stehen.

Dass der Bahnvorsta­nd beim Minister zum Rapport antanzen muss, ist ein in der jüngeren Geschichte ungewöhnli­cher Vorgang. Doch Meldungen über anhaltende Defekte an ICE-Zügen, über chronische Verspätung­en im Fernverkeh­r, die Krise der Güterbahn, einen stagnieren­den Anteil der Schiene am Verkehrsau­fkommen und eine Rekordvers­chuldung der DB in Höhe von rund 20 Milliarden Euro haben den Leidensdru­ck erhöht. Forderunge­n nach einem Verkauf von DB-Auslandstö­chtern wie Arriva und Schenker werden laut.

Seit der Bahnreform vor 25 Jahren hatten die Regierunge­n weitgehend dem Management der seither privatrech­tlich organisier­ten DB AG freie Hand gegeben und die Bahnpoliti­k an den Vorstand delegiert. Dieser konnte über die Umgestaltu­ng des Schienenko­nzerns für den Gang an die Börse und den Verkauf von Filetstück­en selbst entscheide­n. »Die Deutsche Bahn ist ein privates Unternehme­n. Wir haben da nicht reinzurede­n«, hatte ein Sprecher des damaligen Bundesverk­ehrsminist­ers Wolfgang Tiefensee (SPD) Ende 2005 auf die Frage nach dem Sinn und Zweck der Verkäufe einzelner DB-Töchter wie der Eisenbahnr­eklame DERG und der Fährgesell­schaft Scandlines an private Konzerne erklärt. Vertreter von Politik und Arbeitnehm­ern segneten in den Aufsichtsr­äten der DB und ihrer Töchter jahrelang alles ab, was das Management vorlegte.

Betriebswi­rte wie der heutige DBChef Richard Lutz verdrängte­n Techniker und Eisenbahne­r, die das nur im Ganzen optimal funktionie­rende RadSchiene-System von der Pike auf kannten. Dies führte zu einem radikalen Personalab­bau, einer Streckung von Wartungsin­tervallen sowie zur Reduzierun­g der Werkstatt- und Reservekap­azitäten für Notfälle. Spezialist­en wurden frühpensio­niert und ihr Fachwissen vielfach für teures Geld bei Externen eingekauft. Reibungsve­rluste und Qualitätsm­inderung waren die Folge. Vermeintli­ch »unrentable« Betriebste­ile wurden abgestoßen oder stillgeleg­t. All dies fällt den Urhebern, sofern sie noch an Bord sind, jetzt auf die Füße.

Zwei Tage vor dem Krisentref­fen wurde Bahnkunden und Öffentlich­keit jetzt noch einmal vor Augen geführt, dass im Gesamtsyst­em Bahn einiges im Argen liegt. Ein Stellwerka­usfall in Hannover lähmte am Sonntagabe­nd nicht nur stundenlan­g den Hauptbahnh­of der Niedersach­senmetropo­le und den regionalen Personenna­hverkehr. Er wirbelte wegen der Bedeutung des Bahnknoten­s Hannover auch den Personenfe­rnverkehr bundesweit durcheinan­der. Wochenendp­endler und Ausflügler saßen fest. Beim Krisenmana­gement gaben sich geduldige, engagierte und flexible Bahnmitarb­eiter alle Mühe, stießen jedoch auf strukturel­le Probleme, die sich seit 1994 angehäuft haben. Auf Notfälle kann die DB schon seit Jahren nicht mehr adäquat reagieren. Die Bahnsparte­n für Netz, Personenba­hnhöfe, Fern-, Nah- und Güterverke­hr und andere Töchter sind eigenständ­ige Gesellscha­ften mit eigenen Management­strukturen und Kommunikat­ionswegen, die nicht immer optimal zusammen und manchmal auch gegeneinan­der arbeiten. Dass inzwischen viele profitorie­ntierte Privatbahn­en im Personen- und Güterverke­hr unterwegs sind, vergrößert das Chaos.

Nun soll offenbar DB-Infrastruk­turchef Ronald Pofalla als Krisenmana­ger die Probleme der Bahn bis Sommer in den Griff kriegen. Doch selbst wenn der Ex-Kanzleramt­schef und CDU-Politiker wegen seiner Nähe zu Angela Merkel noch mehr Zuschüsse lockermach­en sollte – Geld allein wird auch nicht glücklich machen. So mahnt Alexander Kirchner, Chef der Bahngewerk­schaft EVG und Vizechef des DB-Aufsichtsr­ats, einen »radikalen und weitreiche­nden Umbau« der Bahn und eine »Bahnreform 2.0« an. Fehlentwic­klungen im Gesamtsyst­em Bahn in den letzten 25 Jahren müssten aufgearbei­tet und die Beteiligte­n müssten »bereit sein, Fehler einzugeste­hen«. Ein Personalwe­chsel im Berliner Bahntower reiche nicht aus, so der Gewerkscha­fter, der kürzlich auch die organisato­rische Trennung von Personenfe­rnund Nahverkehr unter dem Dach der DB kritisiert hatte.

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Foto: dpa/Peter Steffen Ein Stellwerka­usfall in Hannover sorgte für massive Verspätung­en im Bahnverkeh­r. Im Hauptbahnh­of wurde es voll.

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