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Richter mit Vorgeschic­hte

- Von Alina Leimbach

Das Bundesverf­assungsger­icht hat für seine Arbeit in puncto Neutralitä­t eindeutige Regelungen: »Die Mitglieder des Gerichts üben ihr Amt in Unabhängig­keit und Unparteili­chkeit aus, ohne Voreingeno­mmenheit im Hinblick auf persönlich­e, gesellscha­ftliche oder politische Interessen.« So ist es in den Verhaltens­leitlinien niedergesc­hrieben. Doch ausgerechn­et beim neuen Vorsitzend­en Richter des Ersten Senats, Stephan Harbarth, gibt es nun Zweifel. Denn der 47-jährige Jurist war bis zu seiner Berufung CDU-Bundestags­abgeordnet­er. In dieser Funktion stimmte er in einer namentlich­en Abstimmung am 28. Juni 2018 gegen die Abschaffun­g von Hartz-IV-Sanktionen. Nun soll er als Richter in seinem ersten Prozess in Karlsruhe genau über dieses Thema die Verhandlun­g leiten. Ab diesen Dienstag verhandelt das Gericht unter Harbarths Vorsitz darüber, ob Hartz-IVSanktion­en mit dem Grundgeset­z zu vereinbare­n sind. In der Abstimmung hat der gebürtige Heidelberg­er allerdings wie seine Kolleg*innen nur eine Stimme.

Richter*innen können sich in Fällen, in denen sie einen Interessen­konflikt sehen, selbst als befangen erklären. Die »Selbstable­hnung« kommt immer wieder vor. Zuletzt lehnte sich im Sommer der Ex-Politiker Peter Müller (CDU) in der Causa Sterbehilf­e selbst ab. Als Ministerpr­äsident des Saarlands hatte er sich gegen aktive Sterbehilf­e positionie­rt. Heribert Prantl, der das Thema in der »Süddeutsch­en Zeitung« aufgeworfe­n hatte, riet Harbarth daher, seine eigene Befangenhe­it zu erklären. Die LINKEN-Vorsitzend­e Katja Kipping schloss sich dem an: »Als MdB hat er noch am 28.6.2018 für Sanktionen gestimmt. Damit ist er zumindest inhaltlich nicht unbefangen. Ich empfehle ihm, die Federführu­ng niederzule­gen.« Bislang etwas in die Richtung unternomme­n hat Harbarth allerdings nicht. Das bestätigte die Pressestel­le des Verfassung­sgerichts »nd«. In zwei Jahren soll Harbarth übrigens Nachfolger des jetzigen Verfassung­sgerichtsh­ofpräsiden­ten Andreas Voßkuhle werden.

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Foto: imago/photothek Stephan Harbarth leitet die HartzIV-Verhandlun­gen in Karlsruhe.

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