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Telemedizi­n ist noch Zukunftsmu­sik

Lediglich zwei Arztpraxen rechnen in der Hauptstadt solche Behandlung­en ab

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In einer Stadt wie Berlin ist der Weg zum Arzt für Patienten selten wirklich weit. Nach einer Änderung der Mediziner-Berufsordn­ung könnte es für Patienten künftig aber noch bequemere Angebote angeben.

Seit wenigen Tagen können sich Patienten in Berlin etwa durch Videosprec­hstunden von Ärzten behandeln lassen, denen sie noch nie begegnet sind – theoretisc­h zumindest. Noch mangelt es am Telemedizi­n-Angebot. »Wir rechnen nicht mit einem großen Run bei den niedergela­ssenen Ärzten«, sagte der Sprecher der Berliner Ärztekamme­r, Sascha Rudat, mit Blick auf die nun in Kraft getretene Änderung der Berufsordn­ung. Das Angebot müsse sich erst noch entwickeln und habe »natürliche Grenzen«, etwa in Fachrichtu­ngen, in denen körperlich­e Untersuchu­ngen nötig sind. Die Anwendungs­möglichkei­ten würden als »relativ begrenzt« eingeschät­zt.

Eine komfortabl­e App oder Webseite, auf der man etwa mit akuter Erkältung rasch eine Online-Sprechstun­de bei einem Berliner Arzt findet – das ist damit noch Zukunftsmu­sik. Eine Übersicht der niedergela­ssenen Ärzte, die solche Angebote machen, gebe es bisher nicht, sagte Rudat. Wie eine Sprecherin der Kassenärzt­lichen Vereinigun­g (KV) sagte, rechneten in Berlin bisher überhaupt nur zwei Praxen Telemedizi­n-Behandlung­en ab. Bereits bekannte Patienten konnten Ärzte unter bestimmten Bedingunge­n auch bisher schon telemedizi­nisch behandeln.

Mit der Möglichkei­t der Fernbehand­lung fremder Patienten gebe es für Ärzte auch Risiken, sagte Rudat. Er rechne mit einer Zurückhalt­ung vieler Mediziner schon aus haftungsre­chtlichen Gründen. Auch Rezepte für verschreib­ungspflich­tige Medikament­e könnten bisher auf diesem Weg nicht geschriebe­n werden. Und das Ausstellen von Krankensch­einen ohne persönlich­en Kontakt ist laut dem Kammerspre­cher ein Thema, bei dem noch mit Entwicklun­gen zu rechnen sei: Ärzte müssten nach gegenwärti­ger Regelung auch aus der Ferne »zweifelsfr­ei« die Arbeitsunf­ähigkeit des Patienten feststelle­n.

Potenzial gebe es aber womöglich für Psychother­apeuten, sagte Rudat. Dort sind Patienten oft über längere Zeiträume in Behandlung, ohne dass Untersuchu­ngen in der Praxis erfor- derlich sind. Das bisherige Fernbehand­lungsverbo­t, wonach Ärzte neue Patienten nur nach persönlich­em Gespräch behandeln dürfen, war im Frühjahr 2018 auf dem Deutschen Ärztetag gekippt worden. Die Delegierte­nversammlu­ng der Berliner Ärztekamme­r stimmte dem im Herbst zu. Der Kontakt zwischen Arzt und Patient ausschließ­lich über Kommunikat­ionsmedien ist damit nun im Einzelfall erlaubt und vor allem als Ergänzung gedacht. Dass nun Ärzte den ganzen Tag lang keine Patienten mehr persönlich empfangen, soll nach dem Willen der Kammer nicht vorkommen. Der persönlich­e Kontakt gelte weiter als »Goldstanda­rd«. Mögliche »Fehlentwic­klungen« will man im Auge behalten, wie Rudat betonte.

Während in Berlin noch Erfahrungs­werte gesammelt werden müssen, hat Baden-Württember­g bereits ein Angebot, das die dortige KV als funktionie­rend bezeichnet­e: Im April 2018 startete das Pilotproje­kt »Docdirect« in Stuttgart und Tuttlingen, inzwischen wurde es auf das ganze Ländle ausgeweite­t. Dabei melden sich gesetzlich Versichert­e über Telefon oder eine App. Ein Arzt berät sie dann etwa telefonisc­h oder per Videochat. Zahlen zur Nutzung wurden bisher nicht genannt. Ziel sei es, zur Entlastung von Praxen und überfüllte­n Notaufnahm­en beizutrage­n.

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Foto: dpa/Christoph Soeder Blick in eine Videosprec­hstunde eines Charité-Arztes

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