Genießer unterm Funkturm
Brandenburgs Agrar- und Ernährungswirtschaft mit großem Aufgebot auf der Grünen Woche
Zum 27. Mal seit 1993 präsentiert sich Berlins Nachbarland auf der weltgrößten Verbrauchermesse – und wie stets dürfte die Brandenburg-Halle (21A) mit ihren 75 Ständen stark frequentiert sein.
Nur Kraut und Rüben, Bockwurst und Kartoffelsalat? Im 30. Jahr nach dem Mauerfall ist die Mark Brandenburg nicht nur für Berliner aus dem zunächst eher recht voreingenommenen Westen kein kulinarisches Niemandsland mehr. Beigetragen zur allgemeinen Aufklärung über Agrarprodukte sowie traditionelle wie innovative Lebensmittel »Made in Brandenburg« hat der aufwendige jährliche Auftritt des Landes auf der Internationalen Grünen Woche in den Messehallen und dem Berliner Funkturm. Vom 18. bis zum 27. Januar ist das Land wieder mit einem Großaufgebot dabei.
»Ohne Brandenburg wäre die Grüne Woche nicht vorstellbar«, sagte Agrarminister Jörg Vogelsänger (SPD) am Montag bei einem Vorabtermin in Berlin. »Agrarbetriebe des Landes sind neben der BrandenburgHalle auch in weiteren acht Hallen vertreten. Und die Brandenburg-Halle wird wieder die schönste und am stärksten frequentierte sein.«
Auch 2019 werde die Halle 21A vor allem durch Kleinstunternehmen sowie kleine und mittlere Betriebe, bei den Gemeinschaftsständen durch Landkreise, Kommunen, Tourismusverbände und berufsständische Verbände und Vereine geprägt, ließ das Agarministerium wissen. Die 78 Ausstellerplätze teilen sich in 75 Marktstände, davon 28 als Gemeinschaftsstände, sowie drei Gastronomiebereiche auf. Gastronomieaussteller sind auch in diesem Jahr Schloss Diedersdorf (Teltow-Fläming), die Alte Ölmühle aus Wittenberge (Prignitz) und die Jakobs-Höfe aus Beelitz (Potsdam-Mittelmark).
Als Landkreis zum ersten Mal auf der Grünen Woche dabei ist das Havelland. Newcomer sind auch die Hebenbräu GmbH, eine junge Brauerei aus Brandenburg/Havel und der Geflügelfleischproduzent Friki Storkow GmbH (Oder-Spree). Zurückgekehrt sind die ebenfalls in Storkow ansäs- sige Fischerei Köllnitz sowie die Stadt Werder (Havel) mit einem Gemeinschaftsstand.
Regionalität und hohe Qualität sind bei den Verbrauchern gefragter denn je. Bei Berlinern finden frische und hochwertige Erzeugnisse von Agrarund Lebensmittelunternehmen aus dem brandenburgischen Umland großes Interesse. »Für unsere Landwirte bietet die Grüne Woche die einmalige Chance, mit den Verbrauchern ins Gespräch zu kommen«, erklärte der Präsident des Landesbauernverbandes, Henrik Wendorff. Dabei gehe es sowohl darum, über Produkte aber auch aktuelle Vorhaben, wie etwa das 2018 in Brandenburg gestartete Grünstreifenprojekt zum Erhalt der Artenvielfalt zu informieren, als auch um Berufsnachwuchs zu werben.
Brandenburgs Agrar- und Lebensmittelwirtschaft hat, wie deutlich wurde, bei der Befriedigung der Marktbedürfnisse nicht zuletzt ein Kapazitätsproblem. So komme gute regionale Qualität beispielsweise von Direktvermarktern. »Aber kleine Mengen sind für den Einzelhandel oft ein Problem«, sagte dazu Minister Vogelsänger. Oft könnten kleinere Firmen nicht soviel wie gewünscht liefern. Förderungen für Neuansiedlungen oder Erweiterungen von Betrieben stünden dafür bereit. »Oft fehlen dann aber die Arbeitskräfte«, sagte er.
Bislang produziere die märkische Landwirtschaft vor allem für den internationalen Rohstoffmarkt, hieß es. Rinder oder Schweine wachsen im Land heran, werden aber zum Schlachten in andere Bundesländer gefahren, das Fleisch komme zur Verarbeitung zurück. »Wir brauchen ein Umdenken«, betonte dazu Wendorff. Die Wertschöpfungskette müsse geschlossen werden.
Aus Sicht seines Verbandes brauche Brandenburg eine Ansiedlungsstrategie für mittelständische Verarbeitungsbetriebe. Es fehlten etwa Mühlen und Schlachtbetriebe, sagte Wendorff. »Wir würden mehr vertragen, um mit dem Einzelhandel in Berlin und Brandenburg besser ins Gespräch zu kommen.«
Als die Schnittstelle zwischen Agrar- und Ernährungswirtschaft präsentiert »pro agro«-Vorsitzende Hanka Mittelstädt ihren Verband zur Förderung des ländlichen Raumes in der Region Brandenburg-Berlin. »Pro agro« engagiert sich für die bessere Vermarktung regionaler Produkte. Dabei müsse es vor allem um die Stärkung des verarbeitenden Sektors gehen. Ihren Angaben zufolge erwirtschaftet Brandenburgs Agrarwirtschaft insgesamt einen Umsatz von 1,1 bis 1,3 Milliarden Euro pro Jahr. Vor diesem Hintergrund kündigte sie Gespräche mit Vertretern großer Einzelhandelsketten wie REWE, Edeka und Kaufland sowie Gastronomen bei der Grünen Woche an.