Geheimdienst prüft bundesweite AfD-Beobachtung
Verfassungsschutz sieht Indizien für demokratiefeindliche Bestrebungen
Berlin. Das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) stuft die AfD bundesweit als einen Prüffall für eine mögliche Beobachtung ein. Eine solche Prüfung gibt es bereits bei Gliederungen der Partei, eine Entscheidung über die Beobachtung ist damit noch nicht getroffen.
Das BfV sieht bei der AfD »erste tatsächliche Anhaltspunkte« einer gegen die freiheitlich-demokratische Grundordnung gerichteten Politik. Die gesamte Partei werde daher künftig als Prüffall betrachtet, erklärte Verfassungsschutzpräsident Thomas Haldenwang. Die AfD-Nachwuchsorganisation »Junge Alternative« und die Vereinigung »Der Flügel« werden zu Verdachtsfällen erklärt.
Bei einem Prüffall ist eine Beobachtung mit V-Leuten oder anderen nachrichtendienstlichen Mitteln grundsätzlich nicht erlaubt, bei einem Verdachtsfall hingegen ist dies mit Einschränkungen zulässig. AfD-Chef Alexander Gauland kündigte juristische Gegenwehr gegen die Einstufung an.
Das Bundesamt für Verfassungsschutz prüft eine Beobachtung der gesamten AfD, in Teilen wurde sie nun sogar zum Verdachtsfall erklärt. Endgültig entschieden ist aber noch nichts.
Völlig überraschend kommt die Entscheidung nicht: Nachdem sich Verfassungsschutzpräsident Thomas Haldenwang laut Medienberichten schon kurz vor Jahrswechsel behördenintern für eine nachrichtendienstliche Überwachung der AfD ausgesprochen haben soll, erfolgte nun der nächste Schritt in diese Richtung. Wie am Dienstag bekannt wurde, erklärt der Inlandsgeheimdienst die Rechtsaußenpartei bundesweit nun zum Prüffall für eine mögliche Überwachung. Dies geht aus einem Gutachten hervor, das Haldenwang am Dienstagnachmittag der Öffentlichkeit vorstellte.
Die Einstufung als Prüffall bedeutet, dass der Geheimdienst öffentliche Äußerungen von Parteimitgliedern auf rechtsextreme Bestrebungen hin untersucht und dabei etwa nach Verbindungen zu der bereits unter Beobachtung stehenden »Identitären Bewegung« sucht. Nachrichtendienstliche Mittel, wie etwa der Einsatz von V-Leuten, sind dabei jedoch nicht erlaubt.
Zum Prüffall kann der Verfassungsschutz Organisationen erklären, die seiner Ansicht nach noch nicht eindeutig als »extremistisch« eingestuft werden können, es aber tatsächliche Anhaltspunkte für verfassungsfeindliche Bestrebungen gibt.
Die Ankündigung der Behörde, die AfD zunächst nur zum Prüffall zu erklären, sorgte für Kritik und teils spöttische Kommentare. »Nur damit klar ist, was das konkret be-
»Junge Alternative« und »Der Flügel« sind sogenannte Verdachtsfälle.
deutet: Der Verfassungsschutz wird öffentlich verfügbare Papiere, Positionen etc. aus der AfD ›prüfen‹. Also das tun, was Journalisten, Wissenschaftler und Antifaschisten schon seit Jahren mit eindeutiger Analyse machen«, erklärte die Thüringer LINKEN-Politikerin Katharina König-Preuss.
Auch für ihre Parteikollegin aus dem Bundestag, Ulla Jelpke, ist die Angelegenheit eigentlich klar: Die AfD sei »ganz klar eine in weiten Teilen völkisch-rassistische Partei«. Um dies festzustellen, reiche es aus, »sich Reden und Äußerungen von AfD-Abgeordneten und Funktionären anzuhören«. Eine geheimdienstliche Aufklärung brauche es dafür nicht.
Während der Verfassungsschutz die Partei insgesamt nur zum Prüffall erklärt, geht die Behörde in zwei Fällen weiter. Sowohl die Jugendorganisation »Junge Alternative« als auch die völkische Gruppe »Der Flügel« um den Thüringer AfD-Landeschef Björn Höcke werden als sogenannte Verdachtsfälle eingestuft. Dies gibt dem Geheimdienst weitere Möglichkeiten, etwa zur Observation. Das Abhören der Kommunikation und der Einsatz von V-Leuten sind aber weiter untersagt.
AfD-intern hatte es Streit darüber gegeben, wie mit einer möglichen Überwachung umzugehen sei. Während Vertreter des völkischen Flügels erklärten, die Partei dürfe an ihrer Strategie der permanenten Provokation nichts ändern, hatte die Parteispitze dafür plädiert, zumindest verbal etwas abzurüsten. Einigkeit scheint in der AfD darin zu herrschen, wie man unmittelbar auf die neueste Entwicklung reagiert. Man stellt sich als Opfer dar. Der Verfassungsschutz werde »zur Bekämpfung eines unliebsamen politischen Mitbewerbers missbraucht«, behauptete Fraktionschefin Alice Weidel.