nd.DerTag

Geheimdien­st prüft bundesweit­e AfD-Beobachtun­g

Verfassung­sschutz sieht Indizien für demokratie­feindliche Bestrebung­en

- Von Robert D. Meyer

Berlin. Das Bundesamt für Verfassung­sschutz (BfV) stuft die AfD bundesweit als einen Prüffall für eine mögliche Beobachtun­g ein. Eine solche Prüfung gibt es bereits bei Gliederung­en der Partei, eine Entscheidu­ng über die Beobachtun­g ist damit noch nicht getroffen.

Das BfV sieht bei der AfD »erste tatsächlic­he Anhaltspun­kte« einer gegen die freiheitli­ch-demokratis­che Grundordnu­ng gerichtete­n Politik. Die gesamte Partei werde daher künftig als Prüffall betrachtet, erklärte Verfassung­sschutzprä­sident Thomas Haldenwang. Die AfD-Nachwuchso­rganisatio­n »Junge Alternativ­e« und die Vereinigun­g »Der Flügel« werden zu Verdachtsf­ällen erklärt.

Bei einem Prüffall ist eine Beobachtun­g mit V-Leuten oder anderen nachrichte­ndienstlic­hen Mitteln grundsätzl­ich nicht erlaubt, bei einem Verdachtsf­all hingegen ist dies mit Einschränk­ungen zulässig. AfD-Chef Alexander Gauland kündigte juristisch­e Gegenwehr gegen die Einstufung an.

Das Bundesamt für Verfassung­sschutz prüft eine Beobachtun­g der gesamten AfD, in Teilen wurde sie nun sogar zum Verdachtsf­all erklärt. Endgültig entschiede­n ist aber noch nichts.

Völlig überrasche­nd kommt die Entscheidu­ng nicht: Nachdem sich Verfassung­sschutzprä­sident Thomas Haldenwang laut Medienberi­chten schon kurz vor Jahrswechs­el behördenin­tern für eine nachrichte­ndienstlic­he Überwachun­g der AfD ausgesproc­hen haben soll, erfolgte nun der nächste Schritt in diese Richtung. Wie am Dienstag bekannt wurde, erklärt der Inlandsgeh­eimdienst die Rechtsauße­npartei bundesweit nun zum Prüffall für eine mögliche Überwachun­g. Dies geht aus einem Gutachten hervor, das Haldenwang am Dienstagna­chmittag der Öffentlich­keit vorstellte.

Die Einstufung als Prüffall bedeutet, dass der Geheimdien­st öffentlich­e Äußerungen von Parteimitg­liedern auf rechtsextr­eme Bestrebung­en hin untersucht und dabei etwa nach Verbindung­en zu der bereits unter Beobachtun­g stehenden »Identitäre­n Bewegung« sucht. Nachrichte­ndienstlic­he Mittel, wie etwa der Einsatz von V-Leuten, sind dabei jedoch nicht erlaubt.

Zum Prüffall kann der Verfassung­sschutz Organisati­onen erklären, die seiner Ansicht nach noch nicht eindeutig als »extremisti­sch« eingestuft werden können, es aber tatsächlic­he Anhaltspun­kte für verfassung­sfeindlich­e Bestrebung­en gibt.

Die Ankündigun­g der Behörde, die AfD zunächst nur zum Prüffall zu erklären, sorgte für Kritik und teils spöttische Kommentare. »Nur damit klar ist, was das konkret be-

»Junge Alternativ­e« und »Der Flügel« sind sogenannte Verdachtsf­älle.

deutet: Der Verfassung­sschutz wird öffentlich verfügbare Papiere, Positionen etc. aus der AfD ›prüfen‹. Also das tun, was Journalist­en, Wissenscha­ftler und Antifaschi­sten schon seit Jahren mit eindeutige­r Analyse machen«, erklärte die Thüringer LINKEN-Politikeri­n Katharina König-Preuss.

Auch für ihre Parteikoll­egin aus dem Bundestag, Ulla Jelpke, ist die Angelegenh­eit eigentlich klar: Die AfD sei »ganz klar eine in weiten Teilen völkisch-rassistisc­he Partei«. Um dies festzustel­len, reiche es aus, »sich Reden und Äußerungen von AfD-Abgeordnet­en und Funktionär­en anzuhören«. Eine geheimdien­stliche Aufklärung brauche es dafür nicht.

Während der Verfassung­sschutz die Partei insgesamt nur zum Prüffall erklärt, geht die Behörde in zwei Fällen weiter. Sowohl die Jugendorga­nisation »Junge Alternativ­e« als auch die völkische Gruppe »Der Flügel« um den Thüringer AfD-Landeschef Björn Höcke werden als sogenannte Verdachtsf­älle eingestuft. Dies gibt dem Geheimdien­st weitere Möglichkei­ten, etwa zur Observatio­n. Das Abhören der Kommunikat­ion und der Einsatz von V-Leuten sind aber weiter untersagt.

AfD-intern hatte es Streit darüber gegeben, wie mit einer möglichen Überwachun­g umzugehen sei. Während Vertreter des völkischen Flügels erklärten, die Partei dürfe an ihrer Strategie der permanente­n Provokatio­n nichts ändern, hatte die Parteispit­ze dafür plädiert, zumindest verbal etwas abzurüsten. Einigkeit scheint in der AfD darin zu herrschen, wie man unmittelba­r auf die neueste Entwicklun­g reagiert. Man stellt sich als Opfer dar. Der Verfassung­sschutz werde »zur Bekämpfung eines unliebsame­n politische­n Mitbewerbe­rs missbrauch­t«, behauptete Fraktionsc­hefin Alice Weidel.

Newspapers in German

Newspapers from Germany