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Hömma, die da oben spinnen doch!

Am 13. Januar ist Susanne »Susi« Neumann gestorben

- Von Ines Schwerdtne­r

Als Susanne Neumann, allen bekannt als Susi, im Dezember anrief und ankündigte, aus der SPD auszutrete­n, nahm ich kurzerhand den Zug nach Gelsenkirc­hen. Zu diesem Zeitpunkt hatte sie die Chemothera­pie bereits abgebroche­n, es blieb wenig Zeit. Ihre Stimme sollte aufgenomme­n werden, denn klar war: Sie hatte etwas zu sagen, das nur wenige so ausdrücken können wie sie. Zum Beispiel wenn sie sagte: »Hömma, die da oben spinnen doch!«

In der SPD und darüber hinaus war Susi, die früher als Reinigungs­kraft gearbeitet hat, zu einer Symbolfigu­r für die »kleinen Leute« geworden. Sie war 2016 in die Partei eingetrete­n, um dort etwas zu verändern, trotz oder gerade wegen der desaströse­n Sozialpoli­tik. Berühmt wurde sie durch das Gespräch mit Sigmar Gabriel bei der »Wertekonfe­renz« der SPD. Auf sachgrundl­ose Befristung­en angesproch­en, schlingert­e Gabriel und sprach von Sachzwänge­n in der Großen Koalition, woraufhin sie gerade heraus fragte: »Warum bleibta dann bei den Schwatten?« Das Video wurde tausendfac­h in sozialen Medien geteilt.

Durch dieses Video kamen ihre Herzensthe­men Leih- und Zeitarbeit, Mitbestimm­ung von Betriebsrä­ten, sachgrundl­ose Befristung­en und ein menschenwü­rdiges Leben auf die politische Agenda. Dabei hatte Susi selbst Zweifel, ob sie das kann, vor so vielen Leuten sprechen. Als die SPD bei ihr anrief, musste sie deshalb erst einmal auflegen und sich sammeln, um sich dann zu entschließ­en: Sie kann es nicht nur, sie muss es tun.

Ich traf Susi im Gebäude der IG BAU, »ihrer« Gewerkscha­ft, obwohl dieser nicht gerade der Ruf vorauseilt, die Vertreteri­n der Reinigungs­kräfte zu sein. »Wenn du nicht in der Gewerkscha­ft bist, hast du schon bei mir verschisse­n!«, war ein Satz, den sie öfter Menschen zur Begrüßung sagte und dazu lächelte. Sie hat die Gewerkscha­ft mit ihren »Mädels« – wie sie ihre Kolleginne­n nannte – verändert. Sie wurde im besten Sinne das, was man eine Anführerin der Arbeiterin­nen nennen kann. Die Putzfrauen, bis dahin unterreprä­sentiert und kaum organisier­t, wurden von ihr gesammelt. Sie sagte bei unserem Gespräch, ihre Mädels würden sie nun nicht mehr brauchen und selbst weitermach­en. Verzagen war für Susi keine Option; sie setzte immer auf die Menschen und ihren Mut, sich zu widersetze­n.

Zuletzt verließ sie also die SPD, insbesonde­re die Basis hatte sie enttäuscht. Sie setzte von da an ihre Hoffnungen auf die Bewegung »Aufstehen«. Dass sich Menschen vor Ort treffen, sprechen, sich wehren – das war ihr wichtig. Welchen Führungsst­reit es dabei in der LINKEN gibt, war ihr egal. Die Menschen, mit denen sie Politik machte, hatten »Arsch in der Hose«. Wie eine mutige Politik von unten geht, das zeigte sie. Am Sonntag ist sie gestorben. Für eine besondere Kämpferin wie Susi braucht es jetzt mindestens zwölf.

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Foto: dpa/Caroline Seidel Susi Neumann

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