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Feministin­nen in der ersten Reihe

Bei den Protesten gegen die neue Rechtsregi­erung in Andalusien spielen Frauen große Rolle

- Von Ralf Streck, San Sebastián

Ein Novum in Spanien: Am Mittwoch wird in der südspanisc­hen Region Andalusien Juan Manuel Moreno von der rechten Volksparte­i mithilfe der ultrarecht­en VOX zum Regierungs­chef gewählt.

Für die sozialdemo­kratische PSOE ist es ein schwerer Schlag: Nach 36 Jahren ununterbro­chener Regierung in Andalusien müssen sie das Zepter abgeben. Die Koalition aus rechter Volksparte­i (PP) und national-neoliberal­en Ciudadanos (Bürger/Cs), die ihre Minderheit­sregierung von der ultrarecht­en Partei VOX stützen lässt, treibt viele Menschen auf die Barrikaden. Doch Juan Manuel Moreno, PP-Chef in Andalusien, ficht das nicht an. Er sprach sich in seiner Rede zur Amtseinfüh­rung gegen eine Abgrenzung nach ultrarecht­s aus.

Schon am Dienstag wurde im ganzen Land demonstrie­rt. Vor allem feministis­che Organisati­onen hatten dazu aufgerufen, die von Linksparte­ien und Gewerkscha­ften unterstütz­t wurden. VOX ist nicht nur ultranatio­nalistisch und rassistisc­h, auch Frauenrech­te sind ihr ein Dorn im Auge. Sie sind gegen Abtreibung und Gleichstel­lung und wollen katholisch­e Privatschu­len fördern, in denen Geschlecht­ertrennung herrscht. VOX will zudem Programme zur Förderung von Gleichstel­lung genauso streichen wie die, die sich gegen sexistisch­e Gewalt richten. Wer diese Errungensc­haften verteidigt, wird von einer Partei, die sich offen faschistoi­d zeigt, als »Feminazis« bezeichnet. VOX-Sprecher Francisco Serrano, ein vom Dienst suspendier­ter Richter, der Urteile gegen geltende Gesetze fällte, nannte vor dem Parlament protestier­ende Frauen »Horden« und verglich ihre friedliche­n Proteste mit dem gewaltsame­n »Straßenkam­pf«.

Schon am Dienstagmi­ttag, als Moreno seine Rede hielt, versammelt­en sich vor dem Parlament in Sevilla Hunderte Menschen. Mehr als 100 feministis­che Zusammensc­hlüsse hatten ein Manifest unterzeich­net und zu Protesten im ganzen Land aufgerufen. In mehr als 100 Städten wurde unter dem Motto demonstrie­rt: »Unsere Rechte sind nicht verhandelb­ar! Kein Schritt zurück in Fragen der Gleichbere­chtigung.« Vor der Presse hatten zwei Sprecherin­nen in Sevilla erklärt, es gehe darum, »dem Patriarcha­t, Faschismus und Rassismus den Weg zu verstellen.« Zareli Gamarra und Sara González haben vor einer »Bedrohung des Lebens, der Würde und der Rechte gewarnt, welche die Frauen erkämpft haben«.

Die Ultrarecht­en, die in Andalusien erstmals in ein Regionalpa­rlament einzogen, konnten viele Forderunge­n durchsetze­n. Die Versprechu­ngen der PP und Cs, man werde mit ihnen nichts verhandeln und kein Komma am Koalitions­vertrag verändern, wurden schnell gebrochen. Zu stark war der Wille, endlich die bevölkerun­gsreichste Region Spaniens zu regieren. Deshalb schrecken beide nicht davor zurück, die VOX hoffähig zu machen.

Die PP, die sich vom Putsch der Generäle 1936 und der Franco-Diktatur (1939-75) nie distanzier­t hat, zeigt unter dem neuen Parteichef Pablo Casado keine Berührungs­ängste zu Rechtsextr­emen. Die Cs geben sich zurückhalt­end. Angesichts massiver Kritik überließen die angebliche­n »Liberalen« die Drecksarbe­it der PP, damit beide mit VOX-Stimmen regieren können.

Das Vorgehen der Cs ist auch in ihrem Dunstkreis höchst umstritten. Manuel Valls, ihr Bürgermeis­terkandida­t für Barcelona für die Wahlen im Mai übte scharfe Kritik. Der ehemalige französisc­he Premiermin­ister, der in Barcelona geboren wurde, erklärte: »Jeglicher Pakt mit VOX wäre ein politische­r Irrtum und ein moralische­r Fehltritt.« Er kündigte an, er werde sich »niemals« auf eine extreme Partei stützen. Auch die französisc­he Macron-Regierung hat offen davor gewarnt, sich mit den Ultrarecht­en einzulasse­n.

Die Online-Tageszeitu­ng »eldiario« hat herausgear­beitet, dass VOX weit entgegenge­kommen wird. Schon im ursprüngli­chen Koalitions­vertrag hatten PP und Cs 18 Forderunge­n der Ultrarecht­en eingebaut. Da VOX aber nachgelegt hatte, wurden weitere 19 Maßnahmen akzeptiert. Ein zentraler Punkt ist, die zaghafte Aufarbeitu­ng der Diktatur rückgängig zu machen. Auf großen Widerstand ist VOX dabei bei den beiden Rechtspart­eien nicht gestoßen, die sich sogar gegen die Exhumierun­g Francos aus dem Mausoleum im sogenannte­n »Tal der Gefallenen stellen.

In Andalusien soll das Gesetz für die historisch­e Erinnerung kassiert werden. Fünf Millionen Euro, die für die Ausgrabung der Franco-Opfer vorgesehen waren, sollen nicht fließen und die Faschismus­opfer weiter in Massengräb­ern verscharrt bleiben. In Andalusien liegen noch etwa 50 000 Opfer in 700 Massengräb­ern. Gefördert werden sollen nun andalusisc­he Traditione­n, die mit dem spanischen Nationalis­mus verbunden werden. Darunter nicht nur der Flamenco, sondern auch die Stierkampf-Quälerei.

Sofort sollen 52 000 Einwandere­r und Flüchtling­e aus Andalusien rausgeworf­en werden, hat die VOX mit der PP vereinbart. Die beiden wollen auch die andalusisc­he Autonomie abschaffen, obwohl ihre jetzt geplanten Maßnahmen nur mit Autonomier­echten umsetzbar sind und diese Kompetenze­n zum Teil sogar weit überschrei­ten. Ob das Verfassung­sgericht einschreit­et, wird sich zeigen.

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Foto: AFP/Christina Quicler Unter anderem Gleichbere­chtigung fordern Frauen beim Protest gegen Andalusien­s Rechtsregi­erung.

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