Wahrhaftig und streitbar
Er
hatte ein großes Lesepublikum, nicht nur unter Kunstinteressierten verschiedener Generationen und über die DDR hinaus. Der hallesche Kunsthistoriker Wolfgang Hütt führte im besten Sinne populärwissenschaftlich in die Zeichen und Symbole der bildenden Kunst und Kunstgeschichte ein (»Wir und die Kunst«, »Was Bilder erzählen«, »Der Drachentöter im Paradiesgärtlein«), vermittelte aber zugleich stets auch neue wissenschaftliche Erkenntnisse, beispielsweise über die Düsseldorfer Malerschule, Adolph Menzel, Mathis Gothard Neithardt, Willi Sitte und Carl Crodel. Der sprachbegabte Autor schrieb ebenso Erzählungen und Romane und aufschlussreiche autobiografische Berichte (»Heimfahrt in die Gegenwart«, »Wo ist Arkadien?«, »Schattenlicht – ein Leben im geteilten Deutschland«, »Zinnoberrot und Schweinfurter Grün«).
Nach entbehrungsreicher Kindheit im westfälischen Industriegebiet studierte der am 18. August 1925 in Barmen geborene Arbeitersohn und gelernte Maurer in der DDR an der Universität Halle, wo er auch promovierte. Wegen seiner öffentlichen Kritik am Bau der Berliner Mauer und am Abriss der Paulinerkirche sowie wegen angeblich »revisionistischer« kunsttheoretischer Ansichten wurde er 1961 aus der SED ausgeschlossen und von der Universität Leipzig verwiesen. Er verließ trotz dieser Erfahrung die DDR nicht, war kurzzeitig Direktor der Staatlichen Galerie Moritzburg Halle und wirkte sodann als freier Publizist. Im Künstlerverband der DDR war er ein streitbarer Diskussionspartner. Nach der Wende recherchierte er nicht nur seine eigene Geschichte in den Archiven (»Gefördert. Überwacht«); er schrieb auch für diese Zeitung, das »neue deutschland«, wichtige Artikel, so etwa 2013 über das Werk von Willi Sitte, in dem er eine »eigene Wahrhaftigkeit« erkannte: »Kunst, wenn sie denn wahr sein soll, ist ebenso privat, wie sie sich an Öffentlichkeit wendet.« Das gilt auch für Hütts umfangreiche Hinterlassenschaft, die er bereits 2015 der Akademie der Künste als Vorlass übergab.
Am 14. Januar ist Wolfgang Hütt in Halle (Saale) gestorben.