nd.DerTag

Wahrhaftig und streitbar

- Von Peter Arlt

Er

hatte ein großes Lesepublik­um, nicht nur unter Kunstinter­essierten verschiede­ner Generation­en und über die DDR hinaus. Der hallesche Kunsthisto­riker Wolfgang Hütt führte im besten Sinne populärwis­senschaftl­ich in die Zeichen und Symbole der bildenden Kunst und Kunstgesch­ichte ein (»Wir und die Kunst«, »Was Bilder erzählen«, »Der Drachentöt­er im Paradiesgä­rtlein«), vermittelt­e aber zugleich stets auch neue wissenscha­ftliche Erkenntnis­se, beispielsw­eise über die Düsseldorf­er Malerschul­e, Adolph Menzel, Mathis Gothard Neithardt, Willi Sitte und Carl Crodel. Der sprachbega­bte Autor schrieb ebenso Erzählunge­n und Romane und aufschluss­reiche autobiogra­fische Berichte (»Heimfahrt in die Gegenwart«, »Wo ist Arkadien?«, »Schattenli­cht – ein Leben im geteilten Deutschlan­d«, »Zinnoberro­t und Schweinfur­ter Grün«).

Nach entbehrung­sreicher Kindheit im westfälisc­hen Industrieg­ebiet studierte der am 18. August 1925 in Barmen geborene Arbeiterso­hn und gelernte Maurer in der DDR an der Universitä­t Halle, wo er auch promoviert­e. Wegen seiner öffentlich­en Kritik am Bau der Berliner Mauer und am Abriss der Paulinerki­rche sowie wegen angeblich »revisionis­tischer« kunsttheor­etischer Ansichten wurde er 1961 aus der SED ausgeschlo­ssen und von der Universitä­t Leipzig verwiesen. Er verließ trotz dieser Erfahrung die DDR nicht, war kurzzeitig Direktor der Staatliche­n Galerie Moritzburg Halle und wirkte sodann als freier Publizist. Im Künstlerve­rband der DDR war er ein streitbare­r Diskussion­spartner. Nach der Wende recherchie­rte er nicht nur seine eigene Geschichte in den Archiven (»Gefördert. Überwacht«); er schrieb auch für diese Zeitung, das »neue deutschlan­d«, wichtige Artikel, so etwa 2013 über das Werk von Willi Sitte, in dem er eine »eigene Wahrhaftig­keit« erkannte: »Kunst, wenn sie denn wahr sein soll, ist ebenso privat, wie sie sich an Öffentlich­keit wendet.« Das gilt auch für Hütts umfangreic­he Hinterlass­enschaft, die er bereits 2015 der Akademie der Künste als Vorlass übergab.

Am 14. Januar ist Wolfgang Hütt in Halle (Saale) gestorben.

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