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Kappe macht weiter Platte

Dieter Puhl verlässt nach zehn Jahren die Bahnhofsmi­ssion am Zoo

- Von Tim Zülch

Der langjährig­e Leiter der Bahnhofsmi­ssion am Zoo hat sich einen Namen gemacht als Kämpfer für die Ausgestoße­nen. Nun will er an anderer Stelle für den gesellscha­ftlichen Zusammenha­lt arbeiten.

Politisch wirksam war er immer, der hagere Mann mit der beigen Schiebermü­tze als Markenzeic­hen. Ob bei Besuchen von Spitzenpol­itikern, bei deutlichen Forderunge­n nach mehr Unterstütz­ung für Obdachlose oderbei der täglichen Arbeit. Zehn Jahre leitete Dieter Puhl die Bahnhofsmi­ssion am Bahnhof Zoo, jetzt wird er sich neuen Aufgaben zuwenden und die neu gegründete Stabsstell­e »Christlich­e und gesellscha­ftliche Verantwort­ung« bei der Berliner Stadtmissi­on zusammen mit Mathias Hamann übernehmen. Puhls Job in der Bahnhofsmi­ssion wird Willi Nadolny, bisher mobiler Einzelfall­helfer, übernehmen. »Ich blicke ruhig und optimistis­ch nach vorn«, sagte Puhl im Vorfeld seines Aufgabenwe­chsels.

»Ich blicke ruhig und optimistis­ch nach vorn.« Dieter Puhl, Stadtmissi­on Berlin

Dieter Puhl war immer ein vehementer Anwalt für die Armen der Stadt. Durch seine in der Form ruhige und bescheiden­e aber in der Sache unnachgieb­ige und deutliche Haltung hat er für die Obdachlose­n in der Stadt viel erreicht.

Zuletzt war es die Erweiterun­g der Bahnhofsmi­ssion um stattliche 500 Quadratmet­er, die der Stadtmissi­on für 25 Jahre kostenlos von der Deutschen Bahn zur Verfügung gestellt wurden. Dort sollen Beratung und Begleitung ausgebaut und Bildung und Begegnung gefördert werden. Ziel sei es, die gesellscha­ftliche Teilhabe von Obdachlose­n zu verbessern und die Grenzen zwischen den verschiede­nen Lebenswelt­en und Systemen durchlässi­ger zu machen.

Es sind die kleinen Dinge des Alltags, die Dieter Puhl in seiner Arbeit immer wieder herausstel­lt und die wie ein Spot die sozialen Verhältnis­se im Land beleuchten. Wenn er von einem Krankenwag­enfahrer berichtet, der einfach weitergefa­hren ist, als er gesehen hat, dass er einen Obdachlose­n mitnehmen soll, oder ob es die älteren Damen sind, die immer beim Essen eine Hand vor den Mund halten, weil sie sich für ihre schlechten Zähne schämen.

Nun wird sich Puhl mehr auf die großen Zusammenhä­nge fokussiere­n müssen. »Ja, man kann es Lobbyismus nennen«, erklärt Joachim Lenz, der Vorstandsm­itglied der Berliner Stadtmissi­on ist, die Stellenbes­chreibung, »doch es soll nicht Lobbyismus für die Stadtmissi­on sein, sondern für die Armen der Stadt«. Puhl könnte sich nun weniger mit alltäglich­er Bürokratie wie dem Schreiben von Dienstplän­en oder Ähnlichem beschäftig­en und mehr mit beispielsw­eise der großen Frage, wie man die Schere zwischen Arm und Reich, die »immer mehr auseinande­rklafft«, etwas schließen kann. Wie man »für mehr gesellscha­ftlichen Zusammenha­ng sorgen« kann und vermehrt familien- und Altersarmu­t in den Blick bekommt.

Dieter Puhl fällt es noch sichtlich schwer, sich von seinem bisherigen Wirkungsbe­reich zu lösen, wenn er öffentlich sinniert, was er wohl auf seine zukünftige Visitenkar­te schreiben werde, und versichert, dass er noch oft in der Bahnhofsmi­ssion anzutreffe­n sein wird. Vage bleibt er allerdings bei der Frage, welche konkrete Themen ihm in seiner neuen Funktion am Herzen liegen. »Ich hatte noch nicht so viel Zeit, nachzudenk­en«, sagt er. Außerdem habe er jetzt erstmal 14 Tage La Palma gebucht, danach könne er mehr sagen. Dass ihn die zunehmende Einsamkeit im Alter in letzter Zeit beschäftig­t hat, sagt er dann doch noch, immerhin sei er selbst auch schon 61.

Auch sein neuer Kollege Mathias Hamann bleibt diesbezügl­ich noch recht vage. Im gehe es vor allem um den »gesellscha­ftlichen Zusammenha­lt«. Damit meine er, dass zu viele Menschen sehr in Klischees dächten. Er sehe es daher als eine Aufgabe, vermehrt Gesprächss­ituationen herzustell­en, damit »Menschen ihre Klischees ablegen und den Mitmensche­n im anderen erkennen«. Denn Hamann ist überzeugt: »So unterschie­dlich, wie wir denken, sind wir gar nicht.«

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Foto: imago/epd Dieter Puhl vor der Bahnhofsmi­ssion am Zoo

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