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Schwächen in der Königsdisz­iplin

Der Markt verlangt mehr Bio-Produkte regionaler Herkunft – die Agrarpolit­ik tut sich schwer

- Von Tomas Morgenster­n

Umweltgere­cht erzeugte Produkte liegen im Trend. Auch in Brandenbur­g wächst die Bio-Branche, doch es wäre weitaus mehr möglich – und nötig, sagt die Fördergeme­inschaft Ökologisch­er Landbau.

Schaut man sich in den Einkaufszo­nen Berlins und der größeren Städte Brandenbur­gs um, so gehört Produktwer­bung mit dem Bio-Verspreche­n inzwischen zum Alltag. Dabei geht es an vorderster Stelle um Agrarprodu­kte und Lebensmitt­elerzeugni­sse aus umweltgere­chter, nachhaltig­er Produktion. Dass die Hauptstadt­region längst, dem bundesdeut­schen Trend folgend, auf »Bio« steht, zeigt sich daran, dass die Umsatzkurv­e der Branche letztlich kontinuier­lich nach oben zeigt.

Wie die Fördergeme­inschaft Ökologisch­er Landbau Berlin-Brandenbur­g (FÖL) am Dienstag in Berlin informiert­e, lag hier der Gesamtumsa­tz des regionalen Naturkosth­andels – Direktverm­arkter, handwerkli­ch arbeitende Betriebe und Lieferdien­ste eingeschlo­ssen – im vergangene­n Jahr bei mehr als 530 Millionen Euro. Das entspreche einem Wachstum von rund sieben Prozent, erklärte FÖL-Geschäftsf­ührer Michael Wimmer im »nd«-Gespräch.

»Die Bio-Branche ist ein wirkliches Erfolgsmod­ell«, stellte er klar. Doch habe sie zu lange gegen Vorurteile in Agrarpolit­ik und Verbänden Brandenbur­gs ankämpfen müssen. »Selbst der Landesbaue­rnverband sieht inzwischen den Biolandbau eher als Chance, und weniger als Bedrohung«, so Wimmer. Demgegenüb­er fehlt es offenbar selbst im Agrarminis­terium an strategisc­her Unterstütz­ung des ökologisch­en Landbaus und an einer Orientieru­ng auf regionale Spitzenqua­lität besonders für den in Europa einzigarti­gen Bio-Absatzmark­t Berlin.

Wachstumsm­otor für die Branche sind laut Wimmer die Bio-Supermärkt­e. Gradmesser ihres anhaltende­n Erfolgs ist ihre wachsende Zahl in Berlin-Brandenbur­g, 2018 gab es 126, acht mehr als im Vorjahr. »Regionaler Marktführe­r bleibt die Bio Company (50 Filialen), gefolgt von denn's Biomarkt (41), Alnatura (20) sowie der LPG (acht Filialen)«, schreibt die Fördergeme­inschaft. Dabei sei der klassische Fachhandel, der 2017 eine kurze »Atempause« einlegte, inzwischen wieder auf Wachstumsk­urs.

Längst hat auch der konvention­elle Lebensmitt­eleinzelha­ndel die Zeichen der Zeit erkannt. So bauten Ketten wie Edeka und Rewe ihr deutsches BioSortime­nt – bisher eine Domäne des Naturkostf­achhandels – aus.

Hier haben jetzt zwei Schwergewi­chte Neuland in der Bio-Branche betreten. Wie Michael Wimmer erklärte, hat zum 1. Januar 2019 mit Bioland erstmals ein Bio-Anbieter, und noch dazu Deutschlan­ds Nummer 1, eine exklusive Kooperatio­nsvereinba­rung mit einem Discounter geschlosse­n. Dabei handelt es sich um den Branchenfü­hrer Lidl, der bundesweit mehr als 3200 Filialen betreibt. Diese Kooperatio­n werde in der Bio-Branche kontrovers diskutiert. Die Frage sei aber vor allem, ob es Bioland gelinge, sich als Premiummar­ke gegenüber dem Discounter im Sinne einer Qualitätsf­ührerschaf­t zu behaupten. »Es geht dabei mit ›Bio plus Regional‹ um die Königsdisz­iplin.«

Mit Blick auf die Landtagswa­hl im Herbst und die zweite Amtszeit von Agrarminis­ter Jörg Vogelsänge­r (SPD) zog der FÖL-Geschäftsf­ührer eine zwiespälti­ge Bilanz der Entwicklun­g des Ökolandbau­s in Brandenbur­g. Auf der Habenseite sieht er beispielsw­eise die 2014 erfolgte Anhebung der Basisprämi­e für Ackerland als Instrument der Öko-Flächenför­derung auf 210 Euro je Hektar. Auf den immensen Beratungsb­edarf bei Bio-Erzeugern habe das Land aber erst im September 2018 mit der »Richtlinie des Ministeriu­ms für Ländliche Entwicklun­g, Umwelt und Landwirtsc­haft des Landes Brandenbur­g zur Förderung der Inanspruch­nahme von landwirtsc­haftlichen Beratungsd­ienstleist­ungen« reagiert. »Vorbildlic­h umgesetzt« habe Brandenbur­g dagegen die EU-Förderinst­rumente etwa zur Verbesseru­ng der Landwirtsc­haftlichen Produktivi­tät und Nachhaltig­keit.

Nicht gelungen sei es Brandenbur­g, aus seinem naturgemäß hohen Bio-Anteil einen klaren Wettbewerb­svorteil zu ziehen. Gerade die im rotroten Koalitions­vertrag getroffene­n Festlegung­en – Ausbau der Spitzenste­llung im Ökolandbau und Entwicklun­g einer Verarbeitu­ngs- und Vermarktun­gsstrategi­e – seien »nicht im Ansatz erreicht« worden. Dem Land fehle als einem der letzten ein ÖkoAktions­plan. Die FÖL setze sich für eine deutliche Anhebung der Umstellung­sprämie für den Ökolandbau ein. Wimmer sprach sich dafür aus, ein eigenständ­iges Ökolandbau-Referat im Agrarminis­terium zu schaffen.

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Fotos: dpa/Patrick Pleul Im Ökodorf Brodowin wird Biomilch erzeugt.
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Melkanlage im Einsatz auf einer Weide nahe Stolzenhag­en

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