Bachmanns blauer Traum
Pegida will zur Landtagswahl in Sachsen weder eigenständig noch auf AfD-Ticket antreten
Pegida verzichtet auf einen Wahlantritt in Sachsen. Der Spaltung im rechten Lager sucht man etwas Positives abzugewinnen.
Das Epizentrum des politischen Erdbebens lag in Sachsen-Anhalt, die Erschütterungen aber sind in Sachsen ebenso zu spüren. Vorige Woche tat der frühere sachsen-anhaltische AfDLandeschef André Poggenburg kund, er verlasse die Partei und gründe mit dem »Aufbruch deutscher Patrioten« (AdP) eine neue. Sie soll auch bei der Wahl des sächsischen Landtags am 1. September antreten. Damit, so ist nun klar, hat sich ein Wahlantritt von Pegida erledigt. Erwogen worden sei eine Beteiligung in Form einer »freien Liste«, sagte Lutz Bachmann, der Kopf des islamfeindlichen Bündnisses, am Montag vor einigen hundert Anhängern. Der Plan sei von Poggenburgs Initiative »durchkreuzt« worden, die »leider« in Form einer Partei erfolgte.
Darüber, wie sich Pegida mit Blick auf die Wahl verhält, wurde im Freistaat seit Monaten spekuliert. Einerseits wurde ein eigenständiger Antritt für denkbar gehalten, andererseits die Platzierung von Pegida-Vertretern, etwa Bachmanns Vize Siegfried Däbritz, auf der Landesliste der AfD. In Brandenburg hatte die Partei kürzlich mit Christoph Berndt den Kopf der fremdenfeindlichen Cottbusser Bewegung »Zukunft Heimat« auf Platz 2 ihrer Liste für die Landtagswahl gesetzt, die ebenfalls am 1. September stattfindet. In Sachsen wird es indes ein ähnliches Arrangement nicht geben. Pegida, sagte Bachmann direkt nach einer Gastrede Berndts in Dresden, wolle sich auf die außerparlamentarische Rolle beschränken und »erst mal keine Zeit« für andere Pläne »verschwenden«.
Das Verhältnis von Pegida und AfD ist ambivalent. Unter ihrer Ex-Vorsitzenden Frauke Petry wahrten sowohl die Bundespartei als auch der Landesverband in Sachsen Distanz zu der radikalen Straßenbewegung. Die Bundespartei setzt diesen Kurs fort – nicht zuletzt im Bemühen, keine Ansätze für die Beobachtung durch den Verfassungsschutz zu liefern. Als sich im September 2018 bei einer Demonstration in Chemnitz Thüringens AfD-Landeschef Björn Höcke mit Bachmann zeigte, übte Bundeschef Jörg Meuthen Kritik. Bei Pegida verachtet man Meuthen für diesen Kurs. Die Bundes-AfD sei eine »CDU light«, sagte Bachmann; ihre Anhänger liefen »blind drei Buchstaben hinterher, die nicht mehr für das stehen, was einst versprochen wurde«.
Die Bande zu prominenten Köpfen des rechten AfD-Flügels dagegen sind eng geknüpft: Höcke redete im Mai 2018 auf der Bühne von Pegida, Poggenburg war dort bereits Wochen zuvor aufgetreten. Und auch das Verhältnis zur sächsischen Landespartei entkrampfte sich nach dem Abgang Petrys deutlich. Als auf einem Parteitag im Februar 2018 der Dresdner Jörg Urban als Landesvorsitzender gewählt wurde, ließ sich Bachmann demonstrativ auf dem Parteitag se- hen und gratulierte. Urban wiederum schmeichelte einige Monate später der Pegida-Bewegung: Deren Anhänger seien »weder Rechtsextreme noch Nazis«, sondern äußerten »zutiefst bürgerlichen Protest«, sagte er auf einem Parteitag in Markneukirchen. Bachmann sieht darin einen »Sonderweg« der Landespartei, gegen die man sich daher auch »nicht positionieren« werde.
Allerdings ist der Pegida-nahe Kurs in der Sachsen-AfD nicht unumstritten. Als in Markneukirchen eine Resolution gar einen »Schulterschluss« mit der Bewegung forderte, lehnte das die Basis mehrheitlich ab. Umgekehrt gibt sich nun auch Pegida kühl: Man habe, sagte Bachmann, »keine Lust, Parteisoldat zu werden«.
Präferenzen für eine der nunmehr zwei Rechtsparteien gibt es bei Pegida nicht: Man werde gegen keine von ihnen »schießen«, sagt Bachmann. Er versucht, der Spaltung etwas Positives abzugewinnen. Durch den Austritt von Poggenburg und seinen Anhängern könne die verbliebene AfD womöglich gar »Zulauf aus dem lin- ken oder liberalen Lager« erhalten; die AdP dagegen könne Wähler binden, die »in Scharen von der AfD wegrennen«, weil sie den »CDU-lightKurs« der Bundespartei nicht mittragen wollten. Das Szenario verleitete Bachmann zu einem kühnen Rechenspiel. Ein Bündnis der AfD, deren Potenzial er auf 27 bis 31 Prozent bezifferte, sowie der von ihm jeweils auf acht bis zehn Prozent taxierten AdP und der Freien Wähler könne den »Traum von einem blauen Ministerpräsidenten« Realität werden lassen, ohne dass die AfD dafür eine Koalition mit der CDU eingehen müsste.
Die Gegner der Rechtspopulisten dürften freilich eher auf ein Szenario hoffen, das Bachmann ebenfalls erwähnte: ein Ergebnis von nur bis zu 4,9 Prozent für Poggenburgs Truppe. Falls die Freien Wähler, wie vom Pegida-Kopf unterstellt, ebenfalls nennenswert im rechten Lager wildern, aber den Landtagseinzug verfehlen, könnte das die Blütenträume der AfD, die wie bei der Bundestagswahl 2018 stärkste Kraft in Sachsen werden will, zum Scheitern verurteilen.