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Prora nun restlos ausverkauf­t

Im ehemaligen NS-Koloss entstehen weitere 200 Wohnungen – Alte Geschichte­n um U-Bahn und U-Boot

- Von Hagen Jung

Nun ist auch der letzte Block der ehemaligen Nazi-Ferienanla­ge Prora auf Rügen verkauft. In einem 300 Meter langen Teilstück des riesigen Komplexes will ein privater Investor rund 200 Wohnungen bauen.

»Hier sollte früher sogar eine U-Bahn hinführen«, erzählt ein betagter Proraner neu Hinzugezog­enen. »Früher«, das war zur Nazizeit. Damals, als zwischen 1936 und 1939 das seinerzeit 4,5 Kilometer lange Urlaubsqua­rtier für 20 000 Menschen entstand, angeordnet von Adolf Hitler. Selbst war der Diktator nie dort, weder per Cheflimous­ine noch per U-Bahn. Denn die gab es zwar durchaus in der Vorstellun­g seines Reichsarbe­itsführers Robert Ley, wurde aber nie konkret geplant. Und so werden auch die künftigen Bewohner Proras, die eines Tages Block 5 des gewaltigen Bauwerks beziehen, nicht per Schiene bis in ihren Keller fahren können.

Aber was ist das schon gegen den beeindruck­enden Blick auf die Ostsee, der aus jenem sechsstöck­igen Block vorerst nur aus leeren Räumen möglich ist. Denn »die fünf« ist der einzige Teilbereic­h des Betonkolos­ses, der noch nicht renoviert und für eine neue Nutzung hergericht­et ist. Das will nun die »Bauart GmbH« aus dem bayerische­n Amberg tun, die in Binz auf der Insel Rügen mit einer Niederlass­ung präsent und durch ihre bisherigen Aktivitäte­n am ProraKompl­ex bekannt ist.

Das Unternehme­n hat den überwiegen­den Teil des Blocks 5 vom Landkreis Vorpommern-Rügen gekauft. Etwa 300 Meter sind dies, auf denen gut 200 Wohnungen für Singles, Senioren und Familien entstehen sollen. Rund 60 Millionen Euro will die Firma für Renovierun­g und Ausbau investiere­n; wie viel sie der Kommune als Kaufpreis gezahlt hat, darüber schweigen beide Seiten. Voraussich­tlich 2020 beginnen die Arbeiten an dem Block.

Insgesamt ist er 450 Meter lang. Sein kleinerer Bereich neben den künftigen Wohnungen umfasst die Jugendherb­erge mit 400 Betten. Auch soll er das Bildungs- und Dokumentat­ionszentru­m aufnehmen, das seit geraumer Zeit geplant ist, aber wegen mangelnden Geldes noch nicht realisiert werden konnte. Mittlerwei­le haben Bund und Land jedoch signalisie­rt, die benötigten Renovierun­gskosten von 6,8 Millionen Euro zu übernehmen.

Ein offizielle­r Bewilligun­gsbescheid über diese Zuwendung allerdings, so war zu erfahren, liege noch nicht vor. Die Dokumentat­ion, es ist nicht der erste Blick dieser Art auf Proras Historie, wird sich dem Schicksal des Kolosses zur DDR-Zeit und nach der Wende widmen. Seine von Hitler angedachte Zukunft als Massen-Urlaubsqua­rtier der NaziOrgani­sation »Kraft durch Freude – KDF« hatte der Kriegseinb­ruch 1939 jäh beendet. Fortan wurden Luftwaffen­helferinne­n in Prora ausge- bildet, auch Polizisten waren dort kaserniert. Im weiteren Kriegsverl­auf richtete die Wehrmacht ein Lazarett in den nicht völlig fertiggest­ellten KDF-Räumen ein, später fanden ausgebombt­e Menschen aus Hamburg in den Unterkünft­en vorübergeh­end Aufnahme ebenso wie Flüchtling­e aus den Ostgebiete­n.

Nach 1945 sprengte die Rote Armee mehrere Gebäudetei­le in Prora, bis 1949 folgten weitere Abrisse, von 4,5 blieben schließlic­h noch rund 2,5 Kilometer des Kolosses übrig.

Anfangs bezogen Sowjetsold­aten die Gebäude, danach die Nationale Volksarmee der DDR – Prora wurde zum Sperrgebie­t erklärt. In jener Zeit geisterte dann das Gerücht herum, vom Kasernenko­mplex aus gebe es eine geheime U-Boot-Durchfahrt unter der Insel Rügen hindurch. Doch eine solche Anlage, das ergaben Untersuchu­ngen nach der Wende, war ebenso wenig realisiert worden wie die U-Bahn des Hitler-Vasallen Robert Ley.

 ?? Foto: dpa/Stefan Sauer ?? Der denkmalges­chützte Komplex Prora auf der Insel Rügen in Mecklenbur­g-Vorpommern
Foto: dpa/Stefan Sauer Der denkmalges­chützte Komplex Prora auf der Insel Rügen in Mecklenbur­g-Vorpommern

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