Rückkehr in schlimmste Zeiten
Die Terminhatz im Handball wird wieder größer
Durch den straffen WM-Plan sind die enormen Belastungen im Handball wieder in den Blickpunkt gerückt. Zwei Spiele binnen 24 Stunden wie der WM-Doppelpack des deutschen Teams gegen Russland (22:22) und Frankreich (n. Red.) sind keine Ausnahme – sehr zum Leidwesen von Spielern und Trainern.
Der kommende Weltmeister wird am Ende des kräftezehrenden Turniers in Deutschland und Dänemark zehn Spiele in den Knochen haben. »Wir sind in die schlimmsten Zeiten des Sports zurückgekehrt«, attestierte Frankreichs Nationalcoach Guillaume Gille. Der langjährige Bundesligaprofi hat kein Verständnis mehr für die Terminhatz in seiner Sportart. »Fünf Spiele in sieben Tagen – das gehört nicht mehr in den modernen Handball.«
Auch Ex-Bundestrainer Dagur Sigurdsson, bei der aktuellen WM als Auswahlcoach Japans dabei, sieht die Spitzenkräfte im Handball überbelastet. »Es betrifft zwar nur 50 bis 80 Spieler, aber das sind diejenigen, die unseren Sport in der Öffentlichkeit repräsentieren. An sie muss man denken, sonst riskiert man einen Burn-out«, sagte der Isländer.
Bei der Fußball-WM in Russland haben die Mannschaften im Schnitt nur alle vier Tage ein Spiel bestritten. Ein Traum für die
»Wir wissen, dass das nicht gesund ist.« Uwe Gensheimer, Kapitän der deutschen Handballer
Handballer, der unerfüllt bleiben wird. Denn statt seitens der Verbände gegenzusteuern, wird es künftig noch schlimmer: Durch die EM-Aufstockung von 16 auf 24 Teams kommt der Europameister im kommenden Jahr am Ende auf neun statt acht Spiele. Dabei wird das Turnier, das in Schweden, Norwegen und Österreich ausgetragen wird, ohnehin schon von zusätzlichen Reisestrapazen erschwert. Die nächste WM 2021 in Ägypten findet dann erstmals mit 32 statt 24 Teilnehmern statt.
Bereits jetzt ist die Grenze erreicht: Nationale Ligen und Pokalspiele, dazu Europacups, jede Saison eine Welt- oder Europameisterschaft und alle vier Jahre noch Olympische Spiele obendrauf – ein Mammutprogramm. Auf bis zu 80 Spiele kommen die Spitzenspieler der Branche, selbst zwischen Weihnachten und Neujahr sind Partien angesetzt. »Wenn Mediziner bestimmen könnten, wäre ein Spiel alle vier Tage sinnvoller«, sagte der deutsche Teamarzt Kurt Steuer jüngst der »Bild«. Ihm kommt bei der Regeneration der deutschen Nationalspieler eine Schlüsselrolle zu. Steuers mineralstoffhaltiger Erdbeer-Smoothie erfreut sich direkt nach den WM-Spielen in Berlin größter Beliebtheit in der Mannschaft. Ansonsten vertrauen Andreas Wolff und Co. im Kampf gegen die Belastung auf Eisbad, Ergometer und Sauna. Aber nicht alles davon hilft jedem Akteur, sich schnell wieder fit zu machen. »Es gibt viele Spieler, die sich mal ein Schmerzmittel reinhauen«, gab der deutsche Kapitän Uwe Gensheimer kürzlich im »Spiegel« zu.
»Die Physiotherapeuten schieben nach Spielen oft Nachtschichten«, sagte Gensheimer auch. Bei ihm selbst seien die Sprunggelenke »im Arsch«, die müsse er vor jedem Spiel fest bandagieren. Dabei war Gensheimer 2016 extra zu Paris St. Germain gewechselt, weil in Frankreich die Belastungen im Vergleich zur Bundesliga geringer sind. »Wir wissen trotzdem«, sagt Gensheimer, »dass das alles nicht gesund ist.«