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Rückkehr in schlimmste Zeiten

Die Terminhatz im Handball wird wieder größer

- Von Christoph Stukenbroc­k und Jörg Soldwisch

Durch den straffen WM-Plan sind die enormen Belastunge­n im Handball wieder in den Blickpunkt gerückt. Zwei Spiele binnen 24 Stunden wie der WM-Doppelpack des deutschen Teams gegen Russland (22:22) und Frankreich (n. Red.) sind keine Ausnahme – sehr zum Leidwesen von Spielern und Trainern.

Der kommende Weltmeiste­r wird am Ende des kräftezehr­enden Turniers in Deutschlan­d und Dänemark zehn Spiele in den Knochen haben. »Wir sind in die schlimmste­n Zeiten des Sports zurückgeke­hrt«, attestiert­e Frankreich­s Nationalco­ach Guillaume Gille. Der langjährig­e Bundesliga­profi hat kein Verständni­s mehr für die Terminhatz in seiner Sportart. »Fünf Spiele in sieben Tagen – das gehört nicht mehr in den modernen Handball.«

Auch Ex-Bundestrai­ner Dagur Sigurdsson, bei der aktuellen WM als Auswahlcoa­ch Japans dabei, sieht die Spitzenkrä­fte im Handball überbelast­et. »Es betrifft zwar nur 50 bis 80 Spieler, aber das sind diejenigen, die unseren Sport in der Öffentlich­keit repräsenti­eren. An sie muss man denken, sonst riskiert man einen Burn-out«, sagte der Isländer.

Bei der Fußball-WM in Russland haben die Mannschaft­en im Schnitt nur alle vier Tage ein Spiel bestritten. Ein Traum für die

»Wir wissen, dass das nicht gesund ist.« Uwe Gensheimer, Kapitän der deutschen Handballer

Handballer, der unerfüllt bleiben wird. Denn statt seitens der Verbände gegenzuste­uern, wird es künftig noch schlimmer: Durch die EM-Aufstockun­g von 16 auf 24 Teams kommt der Europameis­ter im kommenden Jahr am Ende auf neun statt acht Spiele. Dabei wird das Turnier, das in Schweden, Norwegen und Österreich ausgetrage­n wird, ohnehin schon von zusätzlich­en Reisestrap­azen erschwert. Die nächste WM 2021 in Ägypten findet dann erstmals mit 32 statt 24 Teilnehmer­n statt.

Bereits jetzt ist die Grenze erreicht: Nationale Ligen und Pokalspiel­e, dazu Europacups, jede Saison eine Welt- oder Europameis­terschaft und alle vier Jahre noch Olympische Spiele obendrauf – ein Mammutprog­ramm. Auf bis zu 80 Spiele kommen die Spitzenspi­eler der Branche, selbst zwischen Weihnachte­n und Neujahr sind Partien angesetzt. »Wenn Mediziner bestimmen könnten, wäre ein Spiel alle vier Tage sinnvoller«, sagte der deutsche Teamarzt Kurt Steuer jüngst der »Bild«. Ihm kommt bei der Regenerati­on der deutschen Nationalsp­ieler eine Schlüsselr­olle zu. Steuers mineralsto­ffhaltiger Erdbeer-Smoothie erfreut sich direkt nach den WM-Spielen in Berlin größter Beliebthei­t in der Mannschaft. Ansonsten vertrauen Andreas Wolff und Co. im Kampf gegen die Belastung auf Eisbad, Ergometer und Sauna. Aber nicht alles davon hilft jedem Akteur, sich schnell wieder fit zu machen. »Es gibt viele Spieler, die sich mal ein Schmerzmit­tel reinhauen«, gab der deutsche Kapitän Uwe Gensheimer kürzlich im »Spiegel« zu.

»Die Physiother­apeuten schieben nach Spielen oft Nachtschic­hten«, sagte Gensheimer auch. Bei ihm selbst seien die Sprunggele­nke »im Arsch«, die müsse er vor jedem Spiel fest bandagiere­n. Dabei war Gensheimer 2016 extra zu Paris St. Germain gewechselt, weil in Frankreich die Belastunge­n im Vergleich zur Bundesliga geringer sind. »Wir wissen trotzdem«, sagt Gensheimer, »dass das alles nicht gesund ist.«

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