Nicht allein der Wettbewerbsfähigkeit zuliebe
Der DGB diskutierte die Chancen und Risiken der Künstlichen Intelligenz für die Angestellten
Durch den verstärkten Einsatz von Künstlicher Intelligenz stehen Hunderttausende Arbeitsplätze auf dem Spiel. Für die Beschäftigten beinhaltet der Einsatz der neuen Technologie jedoch auch neue Chancen.
Systeme, die auf Künstlicher Intelligenz (KI) aufbauen, gelten als die Schlüsseltechnologie der Zukunft. Sie sind weit mehr als nur ein weiterer Schritt bei der Automatisierung und Digitalisierung von Produktions-, Logistik- und Verwaltungsprozessen. Vielmehr handelt es sich um »lernende Maschinen« mit weitreichenden Analysefähigkeiten und zum Teil eigenständiger Problemlösungskompetenz auf der Basis der ultraschnellen Verarbeitung riesiger Datenmengen. Weil dies auch die Art und Weise verändert, wie man arbeitet, lud der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) am Dienstagabend in Berlin unter dem Motto »KI macht Arbeit« zu einer Diskussion über die Chancen und Risiken des zunehmenden Einsatzes von KI-Systemen ein.
Wie bei vielen neuen Technologien ist auch die Etablierung von KI in starkem Maße von Ängsten begleitet; sei es vor der Vernichtung von Arbeitsplätzen oder vor umfassender Kontrolle durch die vernetzten Maschinen. Der DGB-Vorsitzende Reiner Hoffmann sieht die Gewerkschaften in der Pflicht, all diese Prozesse »zu begleiten und zu gestalten«, denn aufzuhalten seien sie ohnehin nicht. Auch dürfe man nicht unterschätzen, dass es »massive Akzeptanzprobleme« gebe. Und die jüngste Geschichte habe gezeigt, dass Ängste vor scheinbar fremd bestimmten Prozessen eine der Quellen für das Erstarken des Rechtspopulismus gerade in entwickelten Ländern seien. Klar sei auch, so Hoffmann, dass KI zu neuen Belastungen für die Beschäftigten führen können. Dabei gehe es nicht um »mehr Staub und Lärm« wie in der klassischen Industrieproduktion, sondern um »mehr Stress und mehr Kontrolle«.
Nun stehen Gewerkschaften nicht gerade in dem Ruf, eine treibende Rolle bei der Umsetzung neuer Technologien zu spielen. Vielmehr agieren sie oftmals eher defensiv im Sinne der Bestandswahrung für die eigene Klientel und unterstützen deswegen zuweilen auch kurzfristige Gewinninteressen der Unternehmen. Der Siemens-Gesamtbetriebsratsvorsitzenden Birgit Steinborn zufolge soll etwa die Erhaltung und Stärkung der »Wettbewerbsfähigkeit« des Konzerns eine zentrale Rolle bei der Umsetzung von KI-Systemen spielen. Dies solle ergänzt werden durch umfassende tarifvertragliche und betriebliche Regelungen zu Transparenz, Teilhabe und Weiterbildung.
Ähnlich blumig klangen die Forderungen anderer führender Gewerkschafter. So verlangte ver.diBundesvorstandsmitglied Lothar Schröder, dass KI-Systeme niemals »zur Ausschaltung der menschlichen Kompetenz« führen dürften. Das gelte auch für die Kundenkommunikation. Es müsse beispielsweise im E-Mail-Verkehr und bei Telefonaten für jeden klar erkennbar sein, »ob man es mit einem realen Menschen oder einem lernenden Bot zu tun hat«. Denn bald werde man das ohne entsprechende Hinweise nicht mehr erkennen können, so Schröder.
Björn Böhning (SPD), Staatssekretär im Bundesarbeitsministerium, betonte die Bedeutung der »Technikfolgenabschätzung« im Rahmen der KIStrategie der Bundesregierung. Deutschland müsse bei dieser Zukunftstechnologie eine global führende Rolle spielen, um für die heimische Wirtschaft höhere Produktivität und höheres Wachstum zu generieren. Nur dann könnten die bevorstehenden »erheblichen Transformationen« bewältigt werden. »Hunderttausende Arbeitsplätze und ganze Berufssparten werden verloren gehen und es ist kein Selbstlauf, dass neue in ähnlicher Größenordnung entstehen«. Nötig sei ferner ein »normativer Rahmen für den Einsatz von KI«, der sich sowohl von der Strategie der allumfassenden digitalen Kontrolle aller Lebensbereiche wie in China, als auch von der radikalen Marktliberalisierung in den USA unterscheide.
Aus gewerkschaftlicher Sicht stehen laut DGB-Chef Hoffmann in der KI-Frage zwei Aspekte im Mittelpunkt: Es gehe erstens um »neue Formen der Mitbestimmung« gerade in Bezug auf den Datenschutz, die in einer Novelle des Betriebsverfassungsgesetzes verankert werden müssten. Zweitens müsse die betriebliche Weiterbildung einen ganz anderen Stellenwert als bislang erhalten.
In einem Impulspapier fordert der DGB auch grundlegende ethische Standards. So müssten in alle digitalisierten Prozessen Interventionsmöglichkeiten und ein »Letztentscheidungsrecht« von Menschen implementiert werden.