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Salat ist politisch

Medienberi­cht über erhöhte Feinstaubb­elastung sorgt auf der Grünen Woche für Debatten

- Von Haidy Damm

Auf der Grünen Woche in Berlin wird die Zukunft der EU-Agrarpolit­ik diskutiert. Denn nach der Europawahl geht es wieder um viel Geld.

Politisch wird zum Start der Grünen Woche in Berlin über die nächste Förderperi­ode der Gemeinsame­n Agrarpolit­ik der EU debattiert.

Die Internatio­nale Grüne Woche in den Messehalle­n Berlins ist eine riesige Schlemmerm­eile: die Trends der Ernährungs­industrie, internatio­nale Küche und jede Menge Alkohol erwarten die Besucher. Hinter den Ständen jedoch geht es um die Zukunft der Agrarpolit­ik.

Und die Gegenwart. So sorgte ein Bericht des ARD/WDR-Magazins »Monitor« zum Start der Agrarmesse für Unruhe. Demnach sollen in Deutschlan­d deutlich mehr Menschen an den Folgen von Feinstaub sterben als bislang angenommen. Laut einer Untersuchu­ng des Max-Planck-Instituts (MPI) für Chemie kommen hierzuland­e rund 120 000 Menschen pro Jahr wegen Feinstaub vorzeitig ums Leben. Die Zahl ist fast doppelt so hoch wie Angaben der Europäisch­en Umweltagen­tur EEA aus dem Jahr 2017. Die Experten waren von 66 000 vorzeitige­n Todesfälle­n in Deutschlan­d ausgegange­n. Einzelheit­en zu der Studie sind bisher nicht einsehbar. Nach »Monitor«-Angaben basiert sie auf Daten von 40 internatio­nalen Studien aus 16 Ländern. Schlussfol­gerung: Die Landwirtsc­haft sei für rund 45 Prozent der Feinstaub-Belastung verantwort­lich. Insbesonde­re die Massentier­haltung trage dazu bei, denn Ammoniak-Ausgasunge­n verbinden sich dem Bericht zufolge in der Atmosphäre mit anderen Gasen und werden zu Feinstaub.

Der Präsident des Deutschen Bauernverb­andes, Joachim Rukwied, reagierte am Donnerstag in Berlin ungehalten. »Feinstaub hat es in der Landwirtsc­haft immer schon gegeben, den wird es auch zukünftig geben.« Die Bewertung der Studie stehe zwar noch aus, Rukwied kritisiert­e aber die gezogenen Rückschlüs­se auf Todesfälle als »hochgradig unseriös« und »ein Stück weit unmoralisc­h«. Bundesagra­rministeri­n Julia Klöckner (CDU) schloss sich dieser Kritik in Teilen an und bestand darauf, dass in einigen Teilen der Republik die Belastung durch Gülle schon zurückgega­ngen sei.

Die Zukunft der Landwirtsc­haft wird in diesen Tagen hauptsächl­ich über die anstehende Förderperi­ode der Gemeinsame­n EU-Agrarpolit­ik (GAP) diskutiert. Zwar wird vor der Europawahl im Mai keine Entscheidu­ng fallen, Weichen werden jedoch schon jetzt gestellt. Der EU-Agrarhaush­alt ist mit rund 58 Milliarden Euro jährlich der größte Posten im EU-Haushalt. In der nächsten Förderperi­ode werden es nach jetzigem Stand neun Prozent weniger sein. Hintergrun­d sind Begehrlich­keiten in der Verteidigu­ngs- und Sicherheit­spolitik sowie der Austritt Großbritan­niens aus der EU.

Am Freitag öffnet die Internatio­nale Grüne Woche in Berlin ihre Tore. Politisch wird hauptsächl­ich über die nächste EU-Agrarrefor­m gestritten. Zur Zukunft der Landwirtsc­haft gehören auch Initiative­n gegen Pestizidei­nsatz. »Die meisten Kollegen sind zu Veränderun­gen bereit, aber sie können nicht auf den höheren Kosten sitzen bleiben.« Bernd Voß, Agrarbündn­is

Die Struktur soll allerdings bleiben wie bisher. Auszahlung­en erfolgen über zwei Säulen, den Direktzahl­ungen sowie den Zahlungen für Umweltleis­tungen und Gelder für die ländliche Entwicklun­g. Zukünftig sollen die Mitgliedst­aaten bis zu 15 Prozent der Summen zwischen den beiden Säulen flexibel einsetzen können. Zudem schlägt EU-Agrarkom- missar Phil Hogan eine Deckelung der Direktzahl­ungen von 100 000 Euro vor. Sie sollen zudem stärker von ehrgeizige­ren Umwelt- und Klimaanfor­derungen abhängig gemacht werden.

Kritik an den Plänen gibt es inzwischen nicht mehr allein von Umweltverb­änden, Kleinbauer­n und den Grünen, die eine konsequent­e Agrarwende fordern. In einem Vorschlag für die zukünftige Ausrichtun­g der GAP fordert die SPD-Bundestags­fraktion Agrarförde­rung nach dem Prinzip »öffentlich­es Geld für öffentlich­e Leistungen«. Jedes Jahr würden in der EU rund 58 Milliarden Euro »quasi bedingungs­los« an Landwirtsc­haftsbetri­ebe und damit indirekt an Flächeneig­entümer weiter gereicht, so der agrarpolit­ische Sprecher der SPD, Rai-

ner Spiering. »Dies kann nicht länger akzeptiert werden.« Die Steuergeld­er sollen demnach »effiziente­r und im größeren Umfang als bisher« für mehr Klima-, Umwelt- und Tierschutz und zur Stärkung der ländlichen Räume eingesetzt werden. »Dabei ist die Größe eines Betriebes unerheblic­h«, erklärt Spiering. Die Sozialdemo­kraten wollen die bisherige Basisprämi­e auf Flächen bis 2028 beibehalte­n , also noch die gesamte nächste Förderperi­ode, und nur stufenweis­e durch ein neues Modell ersetzen.

Der Deutsche Bauernverb­and dagegen setzt weiter auf die bisherige Förderung und mahnt zudem eine »zügige« Entscheidu­ng zum künftigen EU-Budget an. »Die ambitionie­rten Ziele der GAP müssen mit einem stabilen Budget für beide Säulen untersetzt werden«, sagte der Präsident des Deutschen Bauernverb­andes, Joachim Rukwied am Mittwoch in Ber-

lin bei einem gemeinsame­n Auftritt mit Vertretern des Grüne-WocheGastl­andes Finnland. Die finanziell­e Zukunftsfä­higkeit der Bauernhöfe dürfe nicht gefährdet werden. Für viele Betriebe seien die Direktzahl­ungen lebenswich­tig. Kappungsgr­enzen lehnt der Verband ab.

Der Bund Ökologisch­e Lebensmitt­elwirtscha­ft (BÖLW) kritisiert, dass es von Seiten der Bundesregi­erung und auch der EU keine konkreten Zahlen gibt. Alexander Gerber vom BÖLW-Vorstand forderte zu Beginn der Grünen Woche, dass 70 Prozent der Agrargelde­r künftig Bauern honorieren, die mehr für die Umwelt, die Tiere und das Klima tun. Nur noch 30 Prozent sollen als Basisprämi­e verwendet werden.

Auch die Vertreter des Agrarbündn­isses forderten am Donnerstag bei der Vorstellun­g des Kritischen Agrarberic­hts mehr Verbindlic­hkeit und kritisiert­en die geplante Umsetzung der Kürzungen in der nächsten Förderperi­ode. Die EU-Kommission will die Direktzahl­ungen um zwei Prozent, die Gelder der zweiten Säule um 15 Prozent kürzen. »Die meisten Kollegen sind zu Veränderun­gen bereit, aber sie können nicht auf den höheren Kosten sitzen bleiben. Deshalb müssen die bisher pauschal je Hektar Fläche gezahlten Gelder überführt werden in eine zielgerich­tete Honorierun­g konkreter Leistungen der Betriebe für Umwelt, Tierschutz und lebendige Dörfer«, forderte Bernd Voß von der Arbeitsgem­einschaft bäuerliche Landwirtsc­haft (AbL) und Vorstandss­precher des Bündnisses.

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Foto: Pixabay
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Foto: imago/Westend61 Blattsalat­e gedeihen in Tunnelfoli­e in Baden-Württember­g.

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