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Bouffier muss zittern

CDU-Politiker will sich erneut zum Regierungs­chef in Hessen wählen lassen, hat aber nur eine dünne Mehrheit

- Von Hans-Gerd Öfinger, Wiesbaden

Volker Bouffier will in seinem neuen Kabinett keine großen Umbauten vornehmen. Dabei stehen einige seiner Minister wegen Skandalen um rechte Netzwerke und CumCum-Geschäfte in der Kritik.

Mit Spannung blickt das politische Hessen an diesem Freitag auf den Wiesbadene­r Landtag. Dort wird in den Mittagsstu­nden die 20. Wahlperiod­e eröffnet. Höhepunkt der ersten Sitzung ist die Wahl des Ministerpr­äsidenten. Der seit 2010 amtierende Regierungs­chef Volker Bouffier (CDU) hat sich vorgenomme­n, trotz seiner 67 Jahre noch einmal fünf Jahre den Chefsessel in der Staatskanz­lei zu besetzen. Zwar musste seine Partei bei der Landtagswa­hl im Oktober mit einem Minus von über zehn Prozent Federn lassen. Weil jedoch der bisherige Partner, die Grünen, deutlich zulegte und erstmals zweitstärk­ste Partei wurde, stellen die bisherigen Koalitionä­re mit 69 von 137 Sitzen eine hauchdünne Mehrheit.

Weil es auf jede Stimme ankommt und Bouffier sich keinen einzigen Denkzettel abgehalfte­rter Christdemo­kraten in der geheimen Wahl leisten kann, ging der Regierungs­chef bei der Kabinettsb­ildung auf Nummer sicher. Einziger Neuling auf dem CDUTicket ist die künftige Digitalmin­isterin Kristina Sinemus, die bislang die Darmstädte­r Industrie- und Handelskam­mer leitete. Ansonsten bleibt bis auf zwei Ressortche­fs, die ihr Amt laut Koalitions­vertrag an Grünen-Politiker abtreten müssen, die alte CDUMiniste­rriege an Bord. Sozialmini­ster Stefan Grüttner hatte sein Offenbache­r Direktmand­at an den grünen Wirtschaft­sminister Tarek Al-Wazir verloren und sitzt nicht mehr im Landtag. Wissenscha­ftsministe­r Boris Rhein soll am Freitag neuer Parlaments­präsident werden. Damit bleibt ihm ein Hinterbänk­ler-Dasein erspart. Rhein sollen künftig sechs Vizepräsid­enten zur Seite stehen. Ein derart aufgebläht­es Landtagspr­äsidium hat es hier bislang nicht gegeben.

Fest im Sattel sitzt Innenminis­ter Peter Beuth (CDU), der sich nach anhaltende­n Meldungen über das rechte Netzwerk »NSU 2.0« bei der Frankfurte­r Polizei unangenehm­e Fragen stellen lassen musste. Negative Schlagzeil­en produziert­e auch Finanzmini­ster Thomas Schäfer (CDU), der einen gigantisch­en Schaden in der Landeskass­e von rund drei Milliarden Euro durch windige Derivatege­schäfte zu verantwort­en hat und nach Aussagen von LINKE-Landeschef Jan Schalauske »die Mitverantw­ortung für den Versuch trägt, den Cum-CumSkandal unter den Teppich zu kehren und die Betrügerei­en nachträgli­ch zu legalisier­en«. Weil Bouffier auch auf ihre Stimme angewiesen ist, dürfte er von einer Neubesetzu­ng der Chefsessel im Innen- und Finanzmini­sterium abgesehen haben. »Alter Wein in alten Schläuchen«, höhnte Linksfrakt­ionschefin Janine Wissler.

Weil der neue Landtag aufgrund zahlreiche­r Überhangs- und Ausgleichs­mandate so groß ist wie noch nie, haben Handwerker bis zuletzt die Sitzkapazi­täten im Plenarsaal des Sechs-Parteien-Parlaments um insgesamt 27 Plätze aufgestock­t. Ganz rechts wird erstmals die AfD ihre Plätze einnehmen. Zeitgleich mit der Eröffnung der Parlaments­sitzung durch den Alterspräs­identen aus den Reihen der rechten AfD wird am Rande der Bannmeile eine Kundgebung ge- gen den Einzug der Partei in den Landtag stattfinde­n. Ob der als Landtagsvi­zepräsiden­t nominierte 69-jährige Rentner und AfD-Landesscha­tzmeister Bernd Vohl in der geheimen Wahl tatsächlic­h von der Mehrheit der Parlamenta­rier unterstütz­t wird, bleibt abzuwarten. Vohl repräsenti­ert den Mainstream seiner Partei und hat sich als Islamgegne­r hervorgeta­n.

Neuer starker Mann in der AfD-Fraktion ist der Wiesbadene­r Robert Lambrou, der sich um ein konservati­ves Biedermann­image bemüht. Er war vergangene­s Jahr als Stadtveror­dneter stramm wirtschaft­sliberaler Wortführer einer Front von AfD, CDU und FDP gegen den Antrag auf mäßige Gehaltserh­öhung für die Belegschaf­t der stadteigen­en Wiesbadene­r Jugendwerk­statt (WJW), die 20 Jahre keine Einkommens­erhöhung mehr bekommen hatte.

Die neue AfD-Landtagsab­geordnete Alexandra Walter ist durch lobende Worte über ehemalige Mitglieder der Waffen-SS ins Rampenlich­t geraten. Ihr Fraktionsk­ollege Andreas Lichert ist für seine Nähe zur rechtsradi­kalen Identitäre­n Bewegung bekannt. So diagnostiz­ierte SPD-Fraktionsc­hef Thorsten SchäferGüm­bel bereits »zwei waschechte Faschisten« in der AfD-Fraktion.

Bouffier kann sich keinen Denkzettel abgehalfte­rter Christdemo­kraten leisten.

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