Bouffier muss zittern
CDU-Politiker will sich erneut zum Regierungschef in Hessen wählen lassen, hat aber nur eine dünne Mehrheit
Volker Bouffier will in seinem neuen Kabinett keine großen Umbauten vornehmen. Dabei stehen einige seiner Minister wegen Skandalen um rechte Netzwerke und CumCum-Geschäfte in der Kritik.
Mit Spannung blickt das politische Hessen an diesem Freitag auf den Wiesbadener Landtag. Dort wird in den Mittagsstunden die 20. Wahlperiode eröffnet. Höhepunkt der ersten Sitzung ist die Wahl des Ministerpräsidenten. Der seit 2010 amtierende Regierungschef Volker Bouffier (CDU) hat sich vorgenommen, trotz seiner 67 Jahre noch einmal fünf Jahre den Chefsessel in der Staatskanzlei zu besetzen. Zwar musste seine Partei bei der Landtagswahl im Oktober mit einem Minus von über zehn Prozent Federn lassen. Weil jedoch der bisherige Partner, die Grünen, deutlich zulegte und erstmals zweitstärkste Partei wurde, stellen die bisherigen Koalitionäre mit 69 von 137 Sitzen eine hauchdünne Mehrheit.
Weil es auf jede Stimme ankommt und Bouffier sich keinen einzigen Denkzettel abgehalfterter Christdemokraten in der geheimen Wahl leisten kann, ging der Regierungschef bei der Kabinettsbildung auf Nummer sicher. Einziger Neuling auf dem CDUTicket ist die künftige Digitalministerin Kristina Sinemus, die bislang die Darmstädter Industrie- und Handelskammer leitete. Ansonsten bleibt bis auf zwei Ressortchefs, die ihr Amt laut Koalitionsvertrag an Grünen-Politiker abtreten müssen, die alte CDUMinisterriege an Bord. Sozialminister Stefan Grüttner hatte sein Offenbacher Direktmandat an den grünen Wirtschaftsminister Tarek Al-Wazir verloren und sitzt nicht mehr im Landtag. Wissenschaftsminister Boris Rhein soll am Freitag neuer Parlamentspräsident werden. Damit bleibt ihm ein Hinterbänkler-Dasein erspart. Rhein sollen künftig sechs Vizepräsidenten zur Seite stehen. Ein derart aufgeblähtes Landtagspräsidium hat es hier bislang nicht gegeben.
Fest im Sattel sitzt Innenminister Peter Beuth (CDU), der sich nach anhaltenden Meldungen über das rechte Netzwerk »NSU 2.0« bei der Frankfurter Polizei unangenehme Fragen stellen lassen musste. Negative Schlagzeilen produzierte auch Finanzminister Thomas Schäfer (CDU), der einen gigantischen Schaden in der Landeskasse von rund drei Milliarden Euro durch windige Derivategeschäfte zu verantworten hat und nach Aussagen von LINKE-Landeschef Jan Schalauske »die Mitverantwortung für den Versuch trägt, den Cum-CumSkandal unter den Teppich zu kehren und die Betrügereien nachträglich zu legalisieren«. Weil Bouffier auch auf ihre Stimme angewiesen ist, dürfte er von einer Neubesetzung der Chefsessel im Innen- und Finanzministerium abgesehen haben. »Alter Wein in alten Schläuchen«, höhnte Linksfraktionschefin Janine Wissler.
Weil der neue Landtag aufgrund zahlreicher Überhangs- und Ausgleichsmandate so groß ist wie noch nie, haben Handwerker bis zuletzt die Sitzkapazitäten im Plenarsaal des Sechs-Parteien-Parlaments um insgesamt 27 Plätze aufgestockt. Ganz rechts wird erstmals die AfD ihre Plätze einnehmen. Zeitgleich mit der Eröffnung der Parlamentssitzung durch den Alterspräsidenten aus den Reihen der rechten AfD wird am Rande der Bannmeile eine Kundgebung ge- gen den Einzug der Partei in den Landtag stattfinden. Ob der als Landtagsvizepräsident nominierte 69-jährige Rentner und AfD-Landesschatzmeister Bernd Vohl in der geheimen Wahl tatsächlich von der Mehrheit der Parlamentarier unterstützt wird, bleibt abzuwarten. Vohl repräsentiert den Mainstream seiner Partei und hat sich als Islamgegner hervorgetan.
Neuer starker Mann in der AfD-Fraktion ist der Wiesbadener Robert Lambrou, der sich um ein konservatives Biedermannimage bemüht. Er war vergangenes Jahr als Stadtverordneter stramm wirtschaftsliberaler Wortführer einer Front von AfD, CDU und FDP gegen den Antrag auf mäßige Gehaltserhöhung für die Belegschaft der stadteigenen Wiesbadener Jugendwerkstatt (WJW), die 20 Jahre keine Einkommenserhöhung mehr bekommen hatte.
Die neue AfD-Landtagsabgeordnete Alexandra Walter ist durch lobende Worte über ehemalige Mitglieder der Waffen-SS ins Rampenlicht geraten. Ihr Fraktionskollege Andreas Lichert ist für seine Nähe zur rechtsradikalen Identitären Bewegung bekannt. So diagnostizierte SPD-Fraktionschef Thorsten SchäferGümbel bereits »zwei waschechte Faschisten« in der AfD-Fraktion.
Bouffier kann sich keinen Denkzettel abgehalfterter Christdemokraten leisten.