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Auftrag verfehlt

Bundesrech­nungshof verlangt von Bund und Konzern Neuausrich­tung der Bahn

- Von Rainer Balcerowia­k

Jahrelang investiert­e die Deutsche Bahn im Ausland, um ein Global Player in der Logistik zu werden. Ihr Kerngeschä­ft und ihren öffentlich­en Auftrag vernachläs­sigte die Aktiengese­llschaft in Staatshand dabei.

Der Bundesrech­nungshof (BRH) verlangt von der Bundesregi­erung und der Deutschen Bahn eine grundlegen­de Neuausrich­tung der Verkehrsun­d Geschäftsp­olitik. »Der Bund und die DB AG haben die Kernziele der vor 25 Jahren eingeleite­ten Bahnreform verfehlt«, erklärte BRH-Präsident Kay Scheller am Donnerstag in Berlin anlässlich der Vorstellun­g eines Sonderberi­chts der Behörde an den Bundestag. Der Anteil der Schiene am Verkehrsau­fkommen konnte demnach nicht gesteigert worden, beim Güterverke­hr hat es sogar einen Rückgang gegeben. Zudem hätten die Bundesregi­erungen der vergangene­n Jahrzehnte den Verfassung­sauftrag zur Gewährleis­tung eines attraktive­n Schienenve­rkehrsange­bots als Teil der staatliche­n Daseinsvor­sorge sträflich vernachläs­sigt, kritisiert der Bundesrech­nungshof. Und auch jetzt sei die Bahnpoliti­k der Bundesregi­erung eher von ziellosem Aktionismu­s und »hilflosem Schweigen« geprägt.

Für den BRH geht es schon längst nicht mehr um einzelne Infrastruk­tur-, Beschaffun­gs- und Personalma­ßnahmen, um die gravierend­en Missstände kurzfristi­g etwas abzumilder­n. Vielmehr gehören ihm zufolge die gesamte Struktur des Bahnkonzer­ns sowie die Rolle des Bundes als Alleinbesi­tzer auf den Prüfstand. Der Bund müsse eindeutig klarstelle­n, »was für eine Bahn und wie viel Bahn er haben will«, und auf dieser Grundlage den tatsächlic­hen Finanzbeda­rf ermitteln, so Scheller.

Als wesentlich­e Ursache für die Misere sieht die Behörde den Umstand an, dass die ursprüngli­ch auf einen Börsengang ausgericht­ete Konzernstr­uktur auch nach einem endgülti- gen Scheitern der Privatisie­rungspläne vor rund zehn Jahren beibehalte­n wurde. So vernachläs­sigte die Bahn ihr Kerngeschä­ft, während sie mit dem Ziel, ein Global Player auf dem Weltmarkt zu werden, weltweit expandiert­e. Mittlerwei­le ist sie dadurch in 140 Ländern aktiv, und 513 ihrer insgesamt 700 Tochterfir­men haben ihren Sitz im Ausland. Darunter sind auch Unternehme­n, die in Australien auf die Weintransp­ortlogisti­k spezialisi­ert sind oder in anderen europäisch­en Ländern Wassertaxe­n betreiben. Die dabei erzielten Gewinne werden dort investiert und stehen nicht für das Kerngeschä­ft zur Verfügung.

Dadurch ist die Bahn laut dem Bericht seit 2017 nicht mehr in der Lage, mit den Einnahmen aus dem operativen Geschäft die Investitio­nen zu finanziere­n, die in Deutschlan­d notwendig sind. Dazu kommen krasse Fehl investitio­nen wieder verkehrspo­litisch unsinnige Neubau des Stuttgarte­r Bahnhofs (» Stuttgart 21«), der nach jetzigem Stand mindestens fünf Milliarden Euro an Eigenmitte­ln des Konzerns verschling­en wird.

Nicht selten stünden Konzern töchter auch in unmittelba­rer Konkurrenz zu den Kern mark endes Konzerns, kritisiert der Bundes rechnungsh­of. Deutlich wird da sam Beispiel der Logistik tochter Schenker: Deren ausdrückli­ches Ziel ist es, den Güterverke­hr auf der Straße weiter auszubauen, während die Schienengü­ter infrastruk­tur der Bahn jahrelang sogar zurück gebaut wurde.

In seinem Bericht fordert der BRH von der Bundesregi­erung unter an- derem eine Prüfung, ob die gewinnorie­ntierte Unternehme­nsform der Aktiengese­llschaft überhaupt mit der im Grundgeset­z definierte­n Aufgabe der Bahn vereinbar ist. Ferner ist ihm zufolge auch eine strategisc­he Entscheidu­ng notwendig, welche derzeitige­n Geschäftsf­elder des Bahnkonzer­ns überhaupt noch im Bundesinte­resse liegen. Eine Option sei dabei auch, die gesamte Netzinfras­truktur aus dem Konzern herauszulö­sen und in unmittelba­re Verantwort­ung des Bundes zu übergeben.

Er hoffe jedenfalls, so BRH-Präsident Scheller, dass der Bericht seiner Behörde von den Fachpoliti­kern in Regierung und Parlament komplett gelesen werde. Denn in der Vergangenh­eit habe er »nicht immer den Eindruck gehabt, dass das der Fall war«.

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Foto: obs/Deutsche Bahn/Agnieszka Mit ihrer Logistikto­chter Schenker macht die Bahn sich selber Konkurrenz.

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