Heimlich in Betrieb
Im Dong-Xuan-Center laufen seit Monaten die Geschäfte, doch der Bau wurde nie genehmigt
Im zweitgrößten Asiamarkt Europas in der Herzbergstraße, steht eine 7000 Quadratmeter große Halle, die vom Bauamt nicht abgenommen wurde. Trotzdem floriert der Handel.
Laut Lichtenbergs Baustadträtin Birgit Monteiro (SPD) gab es für die rein räumliche Hülle der 2018 erbauten Halle zwar eine Baugenehmigung. Was aber fehle, sei »die Baugenehmigung für die darin stattfindende Nutzung«, so Monteiro gegenüber »nd«. Der Bauherr hatte dafür der Politikerin zufolge vor der Inbetriebnahme nicht einmal den nötigen Bauantrag gestellt. Das Bezirksamt war deshalb erstaunt, als es im November bei einer Routineüberprüfung die riesige Gewerbehalle in vollem Betrieb vorfand. Es leitete ein Bußgeldverfahren ein. »Der Eigentümer hat daraufhin nachträglich einen Bauantrag gestellt, um seinen Bau zu legalisieren. Dieser Bauantrag wird aktuell geprüft«, erklärt Monteiro.
Als das Bezirksamt Lichtenberg im November die Halle sah, war sie allerdings nach Recherchen des »nd« bereits rund sechs Monate in Betrieb. Denn zahlreiche Artikel und Videos in vietnamesischsprachigen Online-Zeitungen berichten von der feierlichen Eröffnung im April in Anwesenheit des vietnamesischen Botschafters. Monatelang florierten also die Geschäfte, bevor die Behörden überhaupt etwas davon mitbekamen.
Ein Beamter, der bereits in Pension ist und früher mit Verwaltungsvorgängen des Dong-Xuan-Centers beschäftigt war, erkennt in dem Vorgang ein bekanntes Muster: »Der Eigentümer, ein vietnamesischer Geschäftsmann, schafft Fakten, ohne die Behörden zu fragen. Dafür muss er zwar Bußgelder zahlen. Die tun ihm aber nicht weiter weh, seine Fakten werden irgendwann legalisiert. Hier lässt sich der Rechtsstaat von einem Unternehmer auf der Nase herumtanzen.« Er nennt ein Beispiel: »Auf dem Gelände ist eigentlich nur Großhandel genehmigt. Darum darf dort auch jeden Sonntag geöffnet sein. Doch der Einzelhandel ist längst die zweite Säule. Auch Touristen kommen dorthin zum Einkauf.«
Monteiro will allerdings nur einen Teil der Nutzung der neuen Gewer- behalle Nummer 18 legalisieren. Der Handel sei prinzipiell genehmigungsfähig, sagt sie. Darum werde der Textilverkauf geduldet, denn die Gewerbetreibenden sollen nicht unter den Birgit Monteiro, Baustadträtin in Lichtenberg
Fehlern des Eigentümers leiden. Was sie aber nicht legalisieren will, sind Gastronomie und Veranstaltungsbetrieb in der Halle. Das sei »an dieser Stelle grundsätzlich nicht zulässig und werde auch nicht durch eine etwaige spätere Baugenehmigung zulässig werden«. Es handle sich um »einen groben Verstoß gegen das Bau- recht. Erschwerend kommt hinzu, dass der Eigentümer genau weiß, was dort zulässig ist und was nicht.« Der Bezirk habe darum ein Anordnungsverfahren in die Wege geleitet, mit dem Ziel, Restaurants und Veranstaltungen zu untersagen.
In der fraglichen Halle gibt es ein Event-Restaurant namens »Kinh Do« mit über 300 Plätzen. Darin fanden in den letzten Monaten mehrmals wöchentlich diverse Familienfeiern statt, politische Veranstaltungen mit dem vietnamesischen Botschafter und Konzerte. Für kommendes Wochenende ist im Internet das Treffen einer vietnamesischen Landsmannschaft angekündigt. Dafür wird bundesweit mobilisiert, es wird mit mehreren Hundert Gästen gerechnet. Neben dem »Kinh Do« gibt es in der Halle eine Pizzeria, eine Kaffeestube, eine Bubble-Tea-Bar und ein Schnellrestaurant.
Birgit Monteiro begründet das Verbot von Restaurants und abendlichen Veranstaltungen mit dem Pla- nungsrecht. Das Dong-Xuan-Center liege in einem Gewerbegebiet. Veranstaltungen aber »erzeugen Publikumsverkehre, wofür Gewerbegebiete nicht ausgelegt sind«. Gastronomie wiederum sei in Gewerbegebieten nur als Kantinen zur Versorgung der Mitarbeiter zulässig. Die gäbe es bereits mehr als genug in anderen Hallen. »Die Kantinenversorgung im Dong-Xuan-Center ist wahrscheinlich bereits jetzt die dichteste Berlins.«
Über die Sinnhaftigkeit des Planungsrechtes lässt sich streiten. Was für die Behörden nur Kantinen sind, sind für Vietnamesen aus dem gesamten Bundesgebiet sowie aus europäischen Nachbarstaaten Restaurants mit geschätzten Spezialitäten. Selbst Vietnamesen aus Stuttgart oder Warschau nutzen ihren Berlin-Besuch, um genau hier die regionale Küche ihrer Heimatprovinz zu genießen.
Der Betreiber des Dong-Xuan-Centers äußerte sich auch auf Anfrage des des »nd« nicht zu dem Vorgang.
»Der Eigentümer hat nachträglich einen Bauantrag gestellt, um seinen Bau zu legalisieren.«