Hochbelastete Justiz musste Nazi freilassen
Half Personalnot am Landgericht Potsdam dem Brandstifter von Nauen? Koalition und Opposition sind sich da nicht einig.
Ist nun ein etwaiger Personalmangel in der brandenburgischen Justiz dafür verantwortlich, dass der Brandstifter von Nauen aus der Untersuchungshaft entlassen werden musste? Die schriftliche Urteilsbegründung des Brandenburgischen Oberlandesgerichts (OLG) zum Fall des früheren NPDStadtverordneten Maik Schneider liefert auf diese Frage keine hundertprozentig klare Antwort. Diese Urteilsbegründung hatte Justizminister Stefan Ludwig (LINKE) abwarten wollen, um sich näher dazu äußern zu können. Nun liegt sie vor, und die Meinungen darüber gehen auseinander.
Ludwigs Sprecher Uwe Krink ist aufgefallen, dass in den 21 Seiten Urteilsbegründung das Wort Personalmangel nicht auftaucht. Minister Ludwig selbst hat nun gesagt, es könne zu einzelnen Fällen kommen, »wo Fehler gemacht werden«. Er glaube, dass jetzt der Blick der Gerichte für ihre Selbstorganisation geschärft werde. Mit OLG-Präsident Klaus-Christoph Clavée und mit Landgerichtspräsidentin Ellen Chwolik-Lanfermann habe er ein Gespräch vereinbart, bei dem auch der Fall Schneider besprochen werde.
Maik Schneider war in erster Instanz vom Landgericht Potsdam zu neuneinhalb Jahren Gefängnis verurteilt worden – unter anderem, weil er im August 2015 eine Turnhalle in Nauen anzündete, kurz bevor dort provisorisch Flüchtlinge untergebracht werden konnten. Gegenwärtig läuft der Revisionsprozess von Schneider. Er erscheint aber nun als vorübergehend freier Mann zu den Verhandlungsterminen. Denn das OLG hatte am 3. Januar 2019 entschieden, dass Schneider wegen vom Staat zu verantwortender überlanger Verfahrensdauer nach zwei Jahren und zehn Monaten unverzüglich aus der Untersuchungshaft zu entlassen sei.
Der CDU-Landtagsabgeordnete Danny Eichelbaum klaubt aus der Begründung des OLG für die Haftentlassung die Stelle heraus, in der von der »gerichtsbekannt hochbelasteten 1. großen Strafkammer des Landgerichts Potsdam« und von der »ebenso belasteten 5. großen Strafkammer« die Rede ist. Es ist ausgerechnet die Stelle, an der das OLG bescheinigt, diese beiden Kammern hätten die
»Nur weil dauerhaft zu wenig Personal in der Justiz zur Verfügung steht, ist Maik S. nun auf freiem Fuß.«
Benjamin Raschke, Grünen-Abgeordneter
Hauptverhandlung »stringent und zügig geführt« und an einzelnen Tagen »sogar bis nach 18 Uhr verhandelt«. Eichelbaum nimmt die Stichworte aber zum Anlass für die Aussage, Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) habe die Verantwortung dafür, dass ein geständiger Brandstifter frei sei, denn Woidke habe die Justiz jahrelang »kaputt gespart«.
Auch der Abgeordnete Benjamin Raschke (Grüne) meint: »Nur weil dauerhaft zu wenig Personal in der Justiz zur Verfügung steht, ist Maik S. nun auf freiem Fuß.« Raschke fordert, das Personal aufzustocken.
In der Urteilsbegründung steht, die Überlastung der Strafkammer sei »nicht unvorhersehbar kurzfristig eingetreten«. Zu diesem Schluss kommt das OLG, da die Kammer im ersten Halbjahr 2018 noch acht Schwurgerichtssachen aus dem Jahr 2017 verhandelt habe.