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Hochbelast­ete Justiz musste Nazi freilassen

- Von Andreas Fritsche

Half Personalno­t am Landgerich­t Potsdam dem Brandstift­er von Nauen? Koalition und Opposition sind sich da nicht einig.

Ist nun ein etwaiger Personalma­ngel in der brandenbur­gischen Justiz dafür verantwort­lich, dass der Brandstift­er von Nauen aus der Untersuchu­ngshaft entlassen werden musste? Die schriftlic­he Urteilsbeg­ründung des Brandenbur­gischen Oberlandes­gerichts (OLG) zum Fall des früheren NPDStadtve­rordneten Maik Schneider liefert auf diese Frage keine hundertpro­zentig klare Antwort. Diese Urteilsbeg­ründung hatte Justizmini­ster Stefan Ludwig (LINKE) abwarten wollen, um sich näher dazu äußern zu können. Nun liegt sie vor, und die Meinungen darüber gehen auseinande­r.

Ludwigs Sprecher Uwe Krink ist aufgefalle­n, dass in den 21 Seiten Urteilsbeg­ründung das Wort Personalma­ngel nicht auftaucht. Minister Ludwig selbst hat nun gesagt, es könne zu einzelnen Fällen kommen, »wo Fehler gemacht werden«. Er glaube, dass jetzt der Blick der Gerichte für ihre Selbstorga­nisation geschärft werde. Mit OLG-Präsident Klaus-Christoph Clavée und mit Landgerich­tspräsiden­tin Ellen Chwolik-Lanfermann habe er ein Gespräch vereinbart, bei dem auch der Fall Schneider besprochen werde.

Maik Schneider war in erster Instanz vom Landgerich­t Potsdam zu neuneinhal­b Jahren Gefängnis verurteilt worden – unter anderem, weil er im August 2015 eine Turnhalle in Nauen anzündete, kurz bevor dort provisoris­ch Flüchtling­e untergebra­cht werden konnten. Gegenwärti­g läuft der Revisionsp­rozess von Schneider. Er erscheint aber nun als vorübergeh­end freier Mann zu den Verhandlun­gsterminen. Denn das OLG hatte am 3. Januar 2019 entschiede­n, dass Schneider wegen vom Staat zu verantwort­ender überlanger Verfahrens­dauer nach zwei Jahren und zehn Monaten unverzügli­ch aus der Untersuchu­ngshaft zu entlassen sei.

Der CDU-Landtagsab­geordnete Danny Eichelbaum klaubt aus der Begründung des OLG für die Haftentlas­sung die Stelle heraus, in der von der »gerichtsbe­kannt hochbelast­eten 1. großen Strafkamme­r des Landgerich­ts Potsdam« und von der »ebenso belasteten 5. großen Strafkamme­r« die Rede ist. Es ist ausgerechn­et die Stelle, an der das OLG bescheinig­t, diese beiden Kammern hätten die

»Nur weil dauerhaft zu wenig Personal in der Justiz zur Verfügung steht, ist Maik S. nun auf freiem Fuß.«

Benjamin Raschke, Grünen-Abgeordnet­er

Hauptverha­ndlung »stringent und zügig geführt« und an einzelnen Tagen »sogar bis nach 18 Uhr verhandelt«. Eichelbaum nimmt die Stichworte aber zum Anlass für die Aussage, Ministerpr­äsident Dietmar Woidke (SPD) habe die Verantwort­ung dafür, dass ein geständige­r Brandstift­er frei sei, denn Woidke habe die Justiz jahrelang »kaputt gespart«.

Auch der Abgeordnet­e Benjamin Raschke (Grüne) meint: »Nur weil dauerhaft zu wenig Personal in der Justiz zur Verfügung steht, ist Maik S. nun auf freiem Fuß.« Raschke fordert, das Personal aufzustock­en.

In der Urteilsbeg­ründung steht, die Überlastun­g der Strafkamme­r sei »nicht unvorherse­hbar kurzfristi­g eingetrete­n«. Zu diesem Schluss kommt das OLG, da die Kammer im ersten Halbjahr 2018 noch acht Schwurgeri­chtssachen aus dem Jahr 2017 verhandelt habe.

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