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Ein Sünder packt aus

Dopinggest­ändnis von Langläufer Johannes Dürr

- Von Erik Roos, München SID/nd

Infusionen am Waldrand, Blutbeutel in deutschen Hotelzimme­rn und immer die Angst vor dem Auffliegen: Der österreich­ische Skilangläu­fer Johannes Dürr hat eine umfassende Dopingbeic­hte abgelegt und dabei auch über Straftaten in Deutschlan­d berichtet. Er habe unter anderem in Oberhof, München und Irschenber­g Blut abgenommen und später zurückgefü­hrt bekommen, sagt der 31-Jährige in dem ARDFilm »Die Gier nach Gold – Der Weg in die Dopingfall­e«.

Dürr ist der erste Winterspor­tler, der über Eigenblutd­oping auf deutschem Boden auspackt. Ehe er 2014 bei den Olympische­n Winterspie­len in Sotschi mit Epo im Blut erwischt und für zwei Jahre gesperrt wurde, habe er auch mit Wachstumsh­ormondopin­g experiment­iert. Vor allem aber habe er sich regelmäßig Blut abzapfen und später, mit erhöhter Konzentrat­ionen von roten Blutkörper­chen, wieder zurückführ­en lassen.

»Diese Rückführun­g hat immer vor Ort stattgefun­den, bei den Wettkämpfe­n. Zum Beispiel vor der Tour de Ski«, sagt Dürr. In Oberhof, wo das Etappenren­nen am 28. Dezember 2013 begann,

»Die Tür ging auf, und ein Betreuer sagte: Jetzt kommen wir zu Epo.« Johannes Dürr

habe er das Blut auf einem Parkplatz in einem Auto erhalten, da er sich sein Zimmer mit einem Kollegen teilen musste: »Da war der Schlauch in der Vene, man hat den Beutel zusammenge­drückt, und dann ist das Blut zurückgela­ufen.«

Bei der Tour 2013/2014 gewann Dürr völlig überrasche­nd die Bergverfol­gung in Val di Fiemme und wurde Gesamtdrit­ter. Diese Ergebnisse wurden inzwischen gestrichen. Zu den »Kuren« sei es auch in einem Motel an der Raststätte Irschenber­g an der A8 sowie am Flughafen und in der Innenstadt von München gekommen. Helfer und Hintermänn­er will der Niederöste­rreicher nicht nennen.

Dürr galt als Talent, schaffte aber nie den Durchbruch. Irgendwann stand er am Scheideweg. »Für mich stellte sich die Frage: Muss man wirklich so verrückt trainieren, um Weltspitze zu sein?«, erzählt er. Schließlic­h kam er zu der Erkenntnis, dass es »ohne Doping nicht zu schaffen« sei.

Der letzte Schritt sei ihm abgenommen worden. »Die Tür ging auf, und ein Betreuer sagte: Jetzt kommen wir zu Epo«, erzählt Dürr. Später soll ihm auch Personal des Österreich­ischen Skiverband­es (ÖSV) geholfen haben. Der ÖSV bestreitet das. Mit dem Eigenblutd­oping habe Dürr 2013 begonnen. Ein anderer Athlet habe ihm die Hilfe seiner angeboten. Dürr tauchte daraufhin in eine Welt ab, die ihm »nicht geheuer« war, wie er beteuert. »Ich habe immer geschaut, ob irgendwo Polizei ist«, erzählt er.

2014 brach alles zusammen. Während der Olympische­n Spiele flog er zurück nach Österreich, erhielt in Innsbruck Epo und frisches Blut und wurde erwischt. Nach der Rückkehr nach Russland wurde Dürr mit dem positiven Test konfrontie­rt. »In dem Moment wäre ich am liebsten aus dem Fenster gesprungen. Als ich über die Brüstung geschaut habe, ist mir Gott sei Dank mein Sohn in Erinnerung gekommen«, erzählt er.

Heute kämpft Dürr um ein Comeback. Bei der Ende Februar beginnende­n Heim-WM in Seefeld möchte er noch einmal starten, auch wenn er im Weltcup nicht dabei ist. Sein Sohn Noah solle sich später nicht schämen müssen, sagte er einmal, sondern »stolz auf den Papa sein«.

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