nd.DerTag

Wie im Film

- Wolfgang Hübner

Das Brexit-Drama erreichte diese Woche einen neuen Höhepunkt. Schwere Schmach für Premiermin­isterin Theresa May im britischen Parlament, aber keine Abwahl beim Misstrauen­svotum. Das heißt: Die arme Frau muss weitermach­en und innerhalb weniger Tage ein Konzept zum EU-Austritt vorlegen, das seit Jahren keinem einfällt. Das schreit nach Verfilmung – kein Wunder, dass namhafte Regisseure dran sind. Ein Werkstattb­ericht.

Woody Allen: Jean-Claude, ein eloquenter Luxemburge­r, trifft beim Brüssel-Urlaub in einem Café die distinguie­rte Britin Theresa. Sie will in Ruhe Zeitung lesen, aber er labert sie stundenlan­g zu und arbeitet dabei seine gesamte Therapiege­schichte auf. Der Redestrom versiegt nicht einmal auf dem Flugplatz, wohin sie zur überstürzt­en Abreise flieht. Nie wieder Brüssel, denkt sie, als sie endlich im Flieger sitzt und Jean-Claude auf der Aussichtsp­lattform immer noch gestikulie­ren sieht. In der Schlussseq­uenz zückt sie ihr Handy und löscht Belgien aus der GoogleMaps-App. Fazit: Mein Gott, Woody.

Wim Wenders: Dreistündi­ger, ungeschnit­tener Schwenk über den verdüstert­en Ärmelkanal. Aus dem Off seufzt jede halbe Stunde eine Stimme mit britischem Akzent. Fazit: Ach ja.

Lars von Trier: Zehn Londoner Banker verpassen den Flug zur EZB in Frankfurt und müssen rüberruder­n. Sie verirren sich im Nebel, tragen plötzlich SS-Mäntel und kannibalis­ieren sich. Der letzte depressive Überlebend­e futtert noch sein linkes Ohr und dreht dann um. »Fuck EU«, ritzt er ins Boot. Fazit: Bloß nicht.

Peter Jackson: Tief in den belgischen Alpen haust ein böser Zauberer, der ganz Europa unterwerfe­n will. Das Festland hat er schon, nun soll es auch noch Britannien an den Kragen gehen. Zu diesem Zweck züchtet er in alten Steinkohle­schächten eine Armee grauselige­r Monster mit Bürokratie­syndrom und Mundgeruch. Sie sollen die stolze Insel mit Schwert und Flamme erobern, doch als der schlaue König von England dem Zauberer einen komplett unverständ­lichen Vertragsen­twurf schickt, stürzt der sich verzweifel­t in die Nordsee. Fazit: Nichts für schwache Nerven.

Aki Kaurismäki: Trauriger Brite, der sich an nichts erinnern kann, findet am sehr traurigen Strand eine sehr, sehr traurige blaue Fahne mit zwölf sehr, sehr, sehr traurigen goldenen Sternen. Irgendwohe­r kennt er die, aber selbst im Whiskyraus­ch kommt er nicht drauf. Fazit: Sehr, sehr, sehr, sehr traurig.

Dieter Wedel: Reicher deutscher Schnösel (Mario Adorf) will liebenswer­ten britischen Schnösel (Mario Adorf) geschäftli­ch über den Tisch ziehen. Bei den endlosen Verhandlun­gen lernen sie einander näher kennen und entdecken, dass ein weit in der Vergangenh­eit liegendes dunkles Geheimnis (Mario Adorf) sie verbindet. Kein Happy End. Fazit: Hauptsache Adorf.

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