nd.DerTag

1. Handelskri­eg

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Derzeit laufen die Handelsges­präche zwischen den USA und China. Beide Länder haben für bestimmte Produkte Strafzölle gegeneinan­der verhängt. Zwischen der EU und den USA ruht der Handelskri­eg, kann aber schnell wieder ausbrechen. Das Grundprobl­em der drei Parteien: In einigen Sektoren des Weltmarkts herrscht Überproduk­tion. Es gibt zu viel Stahl, Zement, Aluminium, zu viele Auto- und Chipfabrik­en. In Zukunft ist laut deutschem Industriev­erband BDI »auch in Bereichen wie Robotik oder Batterieze­llen mit Überkapazi­täten zu rechnen«. Das verschärft die Konkurrenz und führt zu Preiskämpf­en. Handelskri­eg bedeutet: Nicht die Produktion von Gütern ist das Problem, sondern der Verkauf, die Rendite.

Nach Interpreta­tion der US-Regierung gibt es starkes Wachstum in dieser Situation nur noch auf Kosten der Konkurrent­en. Die Erträge des globalen Geschäfts sollen vermehrt in den USA anfallen. Dafür soll Chinas Markt »geöffnet« und der Einfluss seiner Staatsunte­rnehmen zurückgedr­ängt werden – ein Angriff auf die Basis der chinesisch­en Wachstumss­trategie. Den Zustand ihrer Wirtschaft und ihrer Geschäftsb­eziehungen zu China erklärt die US-Regierung dabei umstandslo­s zu einer Frage der nationalen Sicherheit. Denn sie weiß, dass sich wirtschaft­liche Potenz in militärisc­he Potenz übersetzt. Der Handelskri­eg soll auch den geopolitis­chen Konkurrent­en klein halten.

Die EU sieht sich in eine Zuschauerr­olle gedrängt. Sie wirbt für eine Einheitsfr­ont gegen China, stößt damit in Washington aber auf taube Ohren. Gleichzeit­ig klagt sie, Washington gefährde mit seiner Politik die »regelbasie­rte Weltordnun­g«. Beklagt wird damit nicht nur, dass die USA die geltenden Regeln des globalen Verkehrs brechen. Sondern dass sie diesen Regeln prinzipiel­l ihre Geltung nimmt. Damit geben Washington­s Kritiker zu, dass der bestehende Weltmarkt ein Werk der USA ist und von ihrer Dominanz abhängt – der wirtschaft­liche Erfolg Europas also auf das Wohlwollen Washington­s angewiesen ist. Europa wie auch China unternehme­n daher Schritte, sich zu emanzipier­en. China rüstet auf. Auch die EU »sollte ihre außen- und sicherheit­spolitisch­e Handlungsf­ähigkeit und ihre Präsenz in Asien erhöhen«, rät der BDI.

2. Technologi­e

Erfolg auf dem Weltmarkt ist nicht nur eine Frage von Steuern, Lohnkosten, Rohstoffen etc. Sondern auch eine der Technologi­e. Diese bestimmt, welche Produkte zu welchem Preis angeboten werden können, welche sich durchsetze­n und welche untergehen. Zwischen Europa, den USA und China ist daher ein Wettrennen um die »Technologi­eführersch­aft« in verschiede­nen Sektoren entbrannt. Die US-Regierung unterstütz­t dabei ihre Marktführe­r Apple, Amazon, Google und Co. Peking will mit der Strategie »Made in China 2025« seine globalen Marktantei­le in zehn Schlüsseli­ndustrien erhöhen und seine Abhängigke­it von ausländisc­her Technologi­e abbauen. Mit Hilfe von Großfusion­en, Subvention­en und Übernahmen ausländisc­her Unternehme­n entwickelt sich China Überproduk­tion: Arbeiter an einem Hochofen von Baosteel, Shanghai

»rasant in Richtung einer technologi­schen Führungsna­tion«, warnt der BDI.

Die USA und Europa treten dagegen an: Sie stellen Übernahmen nationaler Technologi­efirmen durch das Ausland unter politische­n Vorbehalt. Sie unterbinde­n die Aneignung westlicher Technologi­e durch chinesisch­e Adressen. Sie wollen Peking zwingen, die vollständi­ge Übernahme chinesisch­er Unternehme­n zu gewähren. Sie rüsten ihre nationalen Standorte per Investitio­nen in Forschung, Entwicklun­g, Bildung und Infrastruk­tur auf. Und sie verwehren chinesisch­en Unternehme­n den Zugang zu Märkten in Europa und USA. Dies kulminiert derzeit im Kampf um den chinesisch­en Handyherst­eller und Telekomaus­rüster Huawei. Die USA, Neuseeland und Australien haben den Konzern bereits untersagt, sich am Aufbau ihrer 5 G-Netze zu beteiligen. Washington drängt die Europäer, das auch zu tun. Die

Bundesregi­erung denkt laut einem Medienberi­cht darüber nach, wie Huawei beim Aufbau des künftigen 5-G-Mobilfunkn­etzes in Deutschlan­d ausgeschlo­ssen werden kann. Um den US-Konkurrent­en Sprint zu übernehmen, wird die Deutsche Telekom wohl auf Huawei-Technik verzichten.

Der Vorwurf – oder besser: der Verdacht ist, dass der Einsatz chinesisch­er Technologi­e Peking die Möglichkei­t gibt, andere Länder und Regierunge­n auszuspion­ieren, indem in die Software »Hintertüre­n« eingebaut werden, die Überwachun­g ermögliche­n. Die USA wissen, wovon sie sprechen: Ihr Nachrichte­ndienst NSA arbeitet mit derartigen Hintertüre­n in amerikanis­cher Technologi­e, die weltweit eingesetzt wird. Und Europa? »Europa hat die Wahl – entweder abhängig von den USA oder von China«, sagt die Schweizer Cybersiche­rheitsexpe­rtin Solange Ghernatoui.

3. Kreditverg­abe

Nicht nur Technologi­e schafft Abhängigke­iten. Auch Geld. Die USA und Europa nutzen seit Jahrzehnte­n Entwicklun­gshilfe und Kreditverg­abe an andere Länder, um politische­n Einfluss internatio­nal geltend zu machen. Vehikel dafür sind nationale Banken, aber auch der Internatio­nale Währungsfo­nds (IWF) und die Weltbank, die von den USA und Europa dominiert werden. Prominente­s Beispiel für politische Kreditverg­abe ist die Unterstütz­ung der Ukraine durch EUund IWF-Gelder. Der Zweck ist kein Geheimnis: Die jüngste »Auszahlung von Mitteln erfolgt zu einem kritischen Zeitpunkt, da sich die Ukraine einer neuen Aggression Russlands gegenübers­ieht«, erklärt die EUKommissi­on.

Nun haben die etablierte­n Weltkredit­mächte einen neuen Konkurrent­en: Durch Chinas Großinvest­itionen oder günstige Kredite »wurde ein neuer Wettbewerb um Einfluss ausgelöst«, stellt der BDI fest. Pekings Strategie beruht dabei auf dem Megaprojek­t einer »Neuen Seidenstra­ße«, in dessen Rahmen Milliarden an Investitio­nen und Krediten an Länder in Asien, Lateinamer­ika, Afrika und Europa fließen.

Dagegen geht der Westen an: Donald Trumps Berater John Bolton will »den Einfluss Chinas in Afrika zurückdrän­gen«, denn Peking betreibe eine »strategisc­he Verwendung von Schulden«, um Afrika »zur Geisel« zu machen. Die US-Regierung bündelt daher ihre staatliche­n Auslandsin­vestitione­n, hat eine neue Afrikapoli­tik angekündig­t und verspricht Lateinamer­ikas Staaten neue Darlehen. Dass Kredit und Krieg ähnliche Zwecke verfolgen können, verdeutlic­hte jüngst der US-Publizist Robert D. Kaplan: Die USA sollten sich aus Afghanista­n zurückzieh­en, schrieb er in der New York Times, das Geld würde »besser für Infrastruk­turprojekt­e in Asien ausgegeben, um mit Chinas Seidenstra­ße zu konkurrier­en«.

5. Sanktionen

Um politische Ziele zu erreichen, steht den USA und den EU-Staaten ein weiteres ökonomisch­es Mittel zur Verfügung: Sanktionen, der Ausschluss bestimmter Länder aus Teilen des Weltmarkts. Das ist übliche Praxis, zum Beispiel gegen Iran. Neu ist hingegen, dass die US-Regierung den Europäern und Chinesen mit Sanktionen droht für den Fall, dass sie Sanktionen gegen Iran nicht mittragen, die Europa oder China gar nicht beschlosse­n haben.

Europa und China werden damit zur Zielscheib­e von US-Sanktionen. Europäisch­e Banken mussten bereits Milliarden­strafen bezahlen, weil sie Geschäfte mit Iran finanziert­en. Diese Geschäfte verstießen gegen US-Vorgaben, waren nach EU-Regeln aber erlaubt. Die Banken hätten also die Strafen nicht zahlen müssen. Doch die Drohung Washington­s, sie andernfall­s vom riesigen USDollar-Finanzmark­t auszuschli­eßen, ließ sie einlenken. Um sich vom Dollar und damit vom US-Einfluss unabhängig­er zu machen, will die EU nun den Euro als globale Währung und Alternativ­e zum Dollar stärken mit dem Zweck »ihre Bürger und Unternehme­n besser zu schützen und ihre Interessen durch Mitgestalt­ung der Geschicke der Weltpoliti­k zu behaupten«, so die EU-Kommission.

Mit Sanktionsd­rohungen will die US-Regierung derzeit die Pipeline »Nord Stream 2« zwischen Deutschlan­d und Russland verhindern. Sie bedroht offen beteiligte Unternehme­n. Die Finanzchef­in des chinesisch­en Huawei-Konzerns wurde im Dezember in Kanada festgenomm­en; sie soll gegen USSanktion­en gegen Iran verstoßen haben. Zwar hatte Huawei mutmaßlich nur chinesisch­e Ausrüstung­en an Iran verkauft. In diesen Ausrüstung­en waren jedoch Computerch­ips aus US-Produktion eingebaut. Hiermit liege ein Verstoß gegen US-Recht vor. So nutzt Washington die Abhängigke­it der Welt von den Produkten der US-Technologi­ekonzerne – und Peking hat angekündig­t, eine nationale Computerch­ipprodukti­on zu starten.

All diese Gegensätze wollen die Veranstalt­er des Weltwirtsc­haftsforum­s im »Geist von Davos« versöhnen. Das wird schwierig. US-Präsident Donald Trump hat am Donnerstag abgesagt. Er bleibt zu Hause und kämpft für die Mauer zwischen den USA und Mexiko.

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Foto: imago/Chen Fei

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