Römische Sozialreformen
Italiens rechte Regierung beschloss ein »Bürgereinkommen« und die Herabsetzung des Renteneintrittsalters. Von
Italiens Regierung hat am Donnerstagabend ein Paket zu Sozialreformen verabschiedet. Es handelt sich um eine Rentenreform, mit der jene von 2011 teilweise zurückgenommen wird, und um eine Maßnahme gegen Armut und Arbeitslosigkeit, die etwas vollmundig als »Bürgereinkommen« bezeichnet wird.
2011 war unter Ministerpräsident Mario Monti das Renteneintrittsalter von einem Tag auf den anderen um bis zu sieben Jahre angehoben worden. Es ist wohl die verhassteste Reform, die je eine italienische Regierung verabschiedet hatte, zumal sie auch technisch so schlecht verfasst worden war, dass viele Menschen plötzlich ohne Einkommen und Rente dastanden. Jetzt wird das Ganze – zumindest teilweise – zurückgeschraubt. In Zukunft soll ein Mischsystem aus Lebensalter und Zahlungsjahren in Kraft treten, die sogenannte Quote 100, mit der Arbeitnehmer, die beispielsweise 62 Jahre alt sind, insgesamt 38 Jahre eingezahlt haben müssen, um in Rente gehen zu können. Dadurch, so die Hoffnung von Innenminister Matteo Salvini von der rechten Lega, sollen bereits im kommenden Jahr eine Million Jobs neu besetzt werden können. Die Reform soll erst mal drei Jahre in Kraft bleiben und dann überprüft werden.
Die zweite Maßnahme, die sich vor allem die Fünf-Sterne-Bewegung auf ihre Fahnen geschrieben hat, ist das »Bürgereinkommen«, mit dem – so der stellvertretende Ministerpräsident Luigi Di Maio – die »Armut in Italien abgeschafft« werde. Theoretisch sollen Arbeitslose, arme Rentner und andere Bedürftige 780 Euro monatlich erhalten, einen Teil zur freien Verfügung und einen als Mietzuschuss. Das zuständige Ministerium hat errechnet, dass von der Maßnahme etwa 1,8 Millionen Familien, fünf Millionen Menschen, profitieren würden. Gleichzeitig sollen die Arbeitslosen sich verpflichten, eine Arbeit anzunehmen – im Umkreis des Wohnortes und in einem zweiten Schritt italienweit. Die Arbeitsvorschläge sollen von den Arbeitsämtern kommen, und das ist eines der ganz großen Probleme, die bisher noch nicht gelöst sind.
Denn in Italien – und vor allem im Süden des Landes, wo die Arbeitslosigkeit am größten ist – gibt es solche Arbeitsämter bisher nicht und auch kein qualifiziertes Personal. Das zweite große Problem ist, dass es in Italien kein Amt gibt, das heute eine Übersicht über die Zahl der Berechtigten, ihre Arbeitslage oder Lebensumstände hat.
Auch wenn die Regierung in diesen Tagen triumphiert und behauptet, ihre Wahlversprechen eingelöst zu haben, kann das nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Koalitionspartner nicht nur in einem enormen Konkurrenzkampf miteinander stehen, sondern sich in wesentlichen Punkten auch nicht einig sind. Zwar tragen die Fünf Sterne bisher alle rassistischen Anti-Asyl-Maßnahmen der Lega mit, aber an der Basis rumort es, vor allem mit Blick auf die Umfragewerte. Die Lega, die eigentlich Juniorpartner ist, steht in den Umfragen vor den Fünf Sternen. Zudem hält sie sich weiterhin den Weg offen, wieder in ein Bündnis mit den anderen rechten Parteien einzutreten – dann als mit Abstand stärkste Partei.