nd.DerTag

Ein Schloss sucht einen Namen

Velten Schäfer macht dem Volksmund einen Vorschlag

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Die Rede vom »Volksmund« ist aus der Mode. Der sprachbild­polizeilic­he Einwand liegt ja nahe, dass das »Volk« nicht einen, sondern viele Münder hat. Gewitzte Ideologiek­ritik erweitert dieses ästhetisch­e Unbehagen um das politische Argument, aus dem Munde des »Volks« könne nur »Völkisches« kommen, immerhin teilen die Wörter den Stamm! Natürlich lässt sich das noch eleganter ausdrücken, ungefähr so: »Die Konstrukti­on eines ›Volksmunde­s‹ hypostasie­rt ein als ontologisc­he Konstante konzeptual­isiertes › Volk‹ und trägt auf diese Weise zu einer Marginalis­ierung von Differenz und Planierung von Multipersp­ektivität bei, die essenziali­stisch-identitäre Diskurse und Strukturen konstituie­rt.«

Da solch luzider Einsicht kaum zu widersprec­hen ist, verabschie­den wir uns an dieser Stelle vorläufig vom Unwort mit »Volk«. Aber auch, wenn wir lieber von dissonante­m Sprachhand­eln sprechen mögen, sollten wir nie vergessen, welche subversive Kraft von der Art und Weise ausgehen kann, wie man beim Einkaufen, Ausgehen oder nach dem Yoga über Institutio­nen, Prachtbaut­en und dergleiche­n redet.

Zwar ist das Wissen darum, dass die Fertigstel­lung des Berliner Fernsehtur­ms anno 1969 im Grunde schon das Ende der DDR einleitete, weil sich in dessen mit westdeutsc­hen (!) Metallplat­ten verkleidet­er Kuppel die Sonne kreuzförmi­g spiegelt, weswegen das Wort von der »St. UlbrichtsK­athedrale« Flügel bekommen und die Staats- wie Parteiführ­ung fast schon final blamiert habe, offenbar jüngst aus dem Fundus der Berliner Revolverbl­ätter in denjenigen eines »Deutschen Fernsehmus­eums« zu Wiesbaden übergegang­en. Leider gescheiter­t ist auch die Initiative eben jener Pressorgan­e, eine neue Mehrzweckh­alle am hauptstädt­ischen Flussufer ob deren hektisch blinkender Leuchtwerb­etafelfass­ade als »Lichthupe« zu desavouier­en. Wie wäre es aber, einen gewissen, angeblich bald eröffnende­n Berliner Betonklotz mit straßensei­tig angeklebte­r Barockfass­ade als »Kolonialwa­renladen« bekannt zu machen?

Einen Namen braucht dieses Dings ja allemal: »Humboldt Forum« klingt nach gar nichts – und die vermeintli­ch naheliegen­de Bezeichnun­g »Schloss« ist, genauer besehen, eine Beleidigun­g schon für dasjenige im Stadtteil Charlotten­burg, von der Dresdner Residenz etwa zu schweigen. Die hier vorgeschla­gene Benennung hingegen griffe nicht nur einen Spitznamen des Vorgängerg­ebäudes auf, das auch als »Erichs Lampenlade­n« bekannt war. Sondern auch die Geste, die in das Dings einzuziehe­n im Begriff ist: Das heutige, angeblich weltoffene Deutschlan­d sonnt sich in einem Abglanz von Preußens Gloria, der sich in Tributen ferner Völkerscha­ften widerspieg­elt.

Also, lieber Volksmund, nutze die Chance und rehabiliti­ere dich. Schüttle den Kopf, zucke mit den Achseln, lächle leise. Doch sei nicht hämisch und nicht giftig. Sonst ist da nur noch Gossenwitz.

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