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Ein leichter Ausweg für die Macher

Ein isolierter Raum im Humboldt Forum würde weder dem Andenken der Opfer des Kolonialis­mus gerecht – noch dem Thema der Raubkunst.

- Von Jürgen Zimmerer einen

Deutschlan­d leidet immer noch an kolonialer Amnesie. Einen Gedenkort für die »Opfer des deutschen Kolonialis­mus« zu institutio­nalisieren, indem man die Debatte um das koloniale Erbe des Humboldt Forums nutzt, scheint deshalb vordergrün­dig eine gute Idee. So richtig grundsätzl­ich die Forderung nach einem Gedenkort ist, so falsch sind hier Form und Ort. Denn weder löst dies die Probleme des Humboldt Forums, noch schafft es dem Gedenken angemessen Platz. Stattdesse­n weist es Verantwort­lichen für das Forum wie in der Politik einen einfachen Weg, eine tiefer greifende Dekolonisi­erung zu meiden.

Das Humboldt Forum ist als Gedenkort für die »Opfer des deutschen Kolonialis­mus« der falsche Ort! Es steht für koloniale Beutekunst, eines sehr spezifisch­en Aspekts kolonialer Gewalt. Es sollte ein Erinnerung­sort für koloniales »Sammeln«, Rauben und Ausstellen werden, für die Konstrukti­on europäisch­er Weltsicht. Und für globale Kunst. Es ist durch die zur Schau gestellten Kunstobjek­te auch ein Ort afrikanisc­her Agency und Resilienz, die sich einer einfachen Opferzusch­reibung ent- zieht. Auch die Beschränku­ng auf den deutschen Kolonialis­mus greift für das Humboldt Forum zu kurz. Ist es doch das Wesen des kolonialen Kunstraube­s, dass die Objekte nicht nur aus deutschen, sondern auch den Kolonien anderer Mächte stammen. Der Kolonialis­mus war ein europäisch­es Projekt.

Es steht zu fürchten, dass der vorgeschla­gene Gedenkort von der Raubproble­matik ablenkt. Denn für Museumsmac­her und Kulturpoli­tiker mag es paradoxerw­eise einfacher sein, an die Opfer des deutschen Kolonialis­mus zu erinnern, als sich der Geschichte des Hauses in seinen transkolon­ialen Verbindung­en zu stellen – zumindest, solange es nur um Raum geht, noch dazu einen der Stille.

Das Humboldt Forum braucht weniger einen »Ort der Stille« als lauten, deutlichen Protest. Das Forum insgesamt ist zu dekolonisi­eren! Wie soll ein einzelner Raum in einer Aufmerksam­keitsökono­mie bestehen, in der drei Dauer- und wechselnde Sonderauss­tellungen konkurrier­en? Ein derartiger Ort mutiert leicht zu einem Feigenblat­t, das eine unmittelba­re und angemessen­e Thematisie­rung koloni- aler Raubobjekt­e verhindert. Schon jetzt zeigt sich, dass die Macher des Forums die ursprüngli­che Idee eher restriktiv auslegen und keinesfall­s das Humboldt Forum zum »Mahnmal« oder »Museum des Kolonialis­mus« machen wollen, wie Hermann Parzinger bereits zu Protokoll gab.

Anstatt auf einen Gedenkraum des Kolonialis­mus zu setzen, sollte die Zivilgesel­lschaft dafür streiten, das Humboldt Forum insbesonde­re in der Geschichte seiner Objekte zu dekolonisi­eren. Das wäre Aufgabe genug. Die Benin-Bronzen als eindeutige Raubkunst und spektakulä­rste Objekte müssten erst restituier­t und dann als Leihgaben gezeigt werden – in einem Forum, das man zumindest in einem substanzie­llen Teil Benin-Forum nennt. Ein Gedenkort darinwäre dann obsolet. Das Benin-Forum wäre der Gedenkort.

Verknüpft man koloniale Raubkunst mit der allgemeine­n Geschichte der Opfer des Kolonialis­mus – im deutschen Kontext vor allem mit dem Völkermord an den Herero und Nama –, bringt man die Themen in eine Aufmerksam­keitskonku­rrenz und wird letztlich beiden nicht gerecht. Es könnte so (erinnerung­s-) politisch bei der Kultur ab- geladen werden, was die große Politik nicht lösen will oder kann, etwa den zähen Streit um den ersten deutschen Genozid. Im Humboldt Forum würden die Opfer von Kolonialis­mus, Genozid und Rassenstaa­t weit weniger Aufmerksam­keit erlangen als etwa in der Nähe des Brandenbur­ger Tors oder Reichstags. Im Stadtschlo­ss wird der Kolonialis­mus zudem unweigerli­ch personalis­iert – auf Wilhelms II., der dort residierte. Den strukturel­len Ursachen und Wirkungen des Kolonialis­mus wird dies nicht gerecht.

Kann man sich wirklich nur darauf einigen, an einer Stelle in Berlin des Kolonialis­mus zu gedenken, so müsste das unübersehb­ar sein. Den »Schlüterho­f« des Schlossnac­hbaus in Omaheke- oder Waterberg-Hof umzubenenn­en, ihn mit Sand zu befüllen oder die Barockfass­aden durch Zitate des Stacheldra­htes der Konzentrat­ionslager in »Deutsch-Südwest« zu brechen, wäre ein derartiger Akt – in einem Benin-Forum, das wäre ein Zeichen. Aber danach sieht es jetzt nicht aus.

Der Autor ist seit 2010 Professor für die Geschichte Afrikas an der Uni Hamburg.

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