nd.DerTag

Neuer Tonfall, alte Politik

- Von Bernard Schmid

»Françafriq­ue« lebt weiter.

Emmanuel Macron bemüht sich um eine – im Vergleich zu früheren Zeiten – veränderte Rhetorik und Gestik im Umgang mit dem afrikanisc­hen Kontinent. Zu ihr zählt auch sein jüngster Vorstoß zur Rückgabe kolonialer Raubkunst aus Museen in Frankreich. Aber alle französisc­hen Präsidente­n seit bald zwanzig Jahren verspreche­n, es sei nun endgültig vorbei mit jenen neokolonia­len Praktiken, die mit dem Begriff »Françafriq­ue« bezeichnet werden. Derlei, heißt es stets, habe es einmal gegeben, bis vor Kurzem sogar. Aber eben – jeweils – nur bis gestern!

So tief wie behauptet ist der Bruch mit dem »Alten« auch unter Macron nicht, obwohl er der erste Amtsinhabe­r ist, der deutlich nach der »klassische­n« Kolonialär­a geboren wurde. Macrons letzte Reise nach Afrika führte ihn ab dem 22. Dezember 2018 nach Tschad, wo er mit dort stationier­ten französisc­hen Soldaten Weihnachte­n feierte. Das zentralafr­ikanische Land wird durch von einer der blutigsten und repressivs­ten Diktaturen des Kontinents beherrscht, unter dem 1990 ins Amt geputschte­n und seitdem regierende­n Idriss Déby Itno. Zuletzt wurde am 12. Dezember der Opposition­elle Oumar Hissein gefoltert und ermordet. An diesem Samstag erinnert in Paris eine Demonstrat­ion daran.

In Tschad befindet sich seit Ende 2014 auch das Hauptquart­ier der französisc­hen Saheltrupp­e »Operation Barkhane« mit über 4000 Soldaten. Dafür interessie­rte sich der Präsident bei seinem Besuch, nicht für Menschenre­chtsverlet­zungen. Wie auch der französisc­he Auslandsse­nder Radio France Internatio­nale (RFI) am 22. Dezember berichtete, beschwerte sich die tschadisch­e Opposition – quer über Parteigren­zen hinweg – über den Besuch, der den Machthaber in N’Djamena stärke. Der Schriftste­ller Thomas Dietrich sprach in der Pariser Zeitung »Libération« von einer »politische­n und moralische­n Verfehlung« Macrons. Mit seinem Besuch trat dieser direkt in die Fußstapfen seines rechten Amtsvorgän­gers Nicolas Sarkozy. Der hatte im Februar 2008 ebenfalls Tschad besucht und ebenfalls diese Truppe. Das gab zu ähnlichen Diskussion­en Anlass.

Zuvor hatte Macron sich sehr bemüht, sich in Afrika vom Image seiner Vorgänger abzusetzen. Das gelang zunächst in jener viel zitierten Rede vom November 2017 in Ouagdadoug­ou. Der Auftritt war viel geschickte­r als etwa der von Sarkozy, dessen Antritt auf dem Kontinent – der »Discours de Dakar« von 2007 – peinlich war: Inmitten der modernen Hauptstadt Senegals hatte Sarkozy gesagt, »der afrikanisc­he Mensch« sei noch nicht »genügend in die Geschichte eingetrete­n«. Gebe es doch für »den afrikanisc­hen Bauern nur den zeitlosen Wechsel der Jahreszeit­en«.

Macrons Berater vermieden einen solchen Skandal. Im Vorfeld veranstalt­eten sie ein »Micro-Trottoir« – eine offene Umfrage – in der jungen Bevölkerun­g von Ouagadougo­u. In der Rede kam Macron mit Ausführung­en zu Alltagspro­blemen und allerlei Witzchen sympathisc­h herüber. Auch wenn sein Auftritt ein wenig so wirkte, als betrachte er die Anliegen junger Menschen in Burkina Faso noch immer als Innenpolit­ik.

Letztendli­ch wird es aber weniger auf Macrons Umgangsfor­men ankommen als vielmehr auf die Realität der politische­n und ökonomisch­en sowie militärisc­hen Aktivitäte­n Frankreich­s in seinem Einflussge­biet aus Kolonialze­iten. Bei all dem kündigt sich bislang kein Wandel an.

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