Studien und Schrecken
Ihren Bericht über die neueste Welt-Arbeitseinkommensstudie überschrieb eine hiesige Überregionale dieser Tage mit »Die globale Ungleichheit ist stark gesunken«. Festgemacht wird das u.a. an zwei Aussagen: Die untere Hälfte der Weltbevölkerung hätte ihren Anteil am Weltgesamteinkommen seit dem Jahr 2000 von 9 auf 18 Prozent erhöhen können, und die Zahl der ärmsten Menschen (1,90 Dollar zum Leben pro Tag) wäre von 36 Prozent (1990) auf weniger als 10 Prozent gesunken. Der Zeitungsbericht schließt mit einem Fingerzeig auf die »unwissenden Deutschen« bezüglich des so außerordentlich erfolgreichen Kampfes gegen die Armut in der Welt: »92 Prozent der Deutschen nehmen an, sie sei gleich geblieben oder angestiegen.«
Zu hoffen wäre, dass diese 92 Prozent mit ihrer Annahme falsch liegen. Doch die Wahrscheinlichkeit ist gering. Der Hinweis im Zeitungstext, für die Studie sei »ein neuer Datensatz« benutzt worden, ist kaum vertrauenerweckend. Das rapide Schwinden der Armut wird über den Gini-Index hergeleitet, wobei jeglicher Hinweis fehlt, ob die Koeffizienten in allen Vergleichsfällen tatsächlich gleich berechnet wurden. Ebenso bleibt im Dunkel, ob und wie gesunkene Dollarkaufkraft sowie Wechselkurs- und Preisentwicklungen der letzten Jahrzehnte berücksichtigt wurden.
Ohnehin ist Skepsis gegenüber Studien aller Art angebracht. Ihre Ergebnisse können nur so gut sein wie die Qualität ihrer Eingangsdaten. Nicht selten werden schon von vornherein Korrelation und Kausalität eines Problems verwechselt; von bewussten Fälschungen gar nicht zu reden. Hier nun zwei Fingerübungen dafür, wie es richtig funktioniert.
Etwas leichter: Moritz, 16 Jahre alt, ist Hobbyterrarianer. Seine Tiere hält er auf dem Boden eines Mietshauses. Eines Tages entwischen ihm fünf seiner Gespenstschrecken, und er kann keine einfangen. Da die Spezies isoliert auch noch zur Jungfernzeugung übergeht, kann sich deren Population alle 45 Tage verdoppeln. Allgemeines Entsetzen macht sich im Haus breit. Doch seine Mutter, von Beruf Mathelehrerin, kann die Gemüter etwas beruhigen. Sie schätzt, dass, wenn alle Mieter mithelfen, Tiere laufend einzufangen, der Bestand alle 45 Tage nur um etwa 20 zunimmt. Wie viele Gespenstschrecken wären im Extremfall nach 360 Tagen im Haus und wie viele nach Schätzung von Moritz‘ Mutter?
Etwas schwerer: In einem See in Gemeindebesitz ist der Fischbestand wiederholt jährlich um 9 Prozent zurückgegangen. Der Pächter, ein Fischer, macht als Ursache Wasserverschmutzung geltend. Die Gemeinde sagt zu, das zu beobachten und, sollte der Bestand von derzeit 50 000 um weitere 10 000 sinken, Gegenmaßnahmen einzuleiten. Wie lange würde es dauern, bis solche Maßnahmen ergriffen werden? Und wie lange würde es dann noch dauern, bis der ursprüngliche Fischbestand wieder erreicht wäre, wenn er nach besagten Maßnahmen um jährlich 6 Prozent wächst?
Antworten an spielplatz@nd-online.de oder per Post (Kennwort »Denkspiel«). Einsendeschluss: Freitag, 25. Januar. Absender nicht vergessen, denn wir verlosen zwei Buchpreise separat für die richtigen Antworten auf beide Fragen. Auch Einzeleinsendungen sind möglich.