nd.DerTag

Regulierun­g muss sein

Von selbst werden die Mieten nicht sinken

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Mit jedem Prozentpun­kt Mietsteige­rung verschärft sich die Debatte um eine Regulierun­g des Wohnungsma­rktes. Enteignung ist für Bewohner der Großstädte längst kein Bäh-Wort mehr. In einer aktuellen repräsenta­tiven Umfrage »Tagesspieg­els« und der Meinungsfo­rschungspl­attform Civey sprechen sich zwei Drittel für eine Verschärfu­ng der Mietpreisb­remse in Berlin aus. Immer mehr Menschen wollen die Verdrängun­g und Ausplünder­ung durch Investoren nicht länger hinnehmen. Der Widerstand ist längst in der oft beschriebe­nen Mitte der Gesellscha­ft angekommen – schließlic­h sind die exorbitant­en Mieten auch für Durchschni­ttsverdien­er ein Problem. Kein Wunder angesichts der Entwicklun­g des NettoPro-Kopf-Einkommens in der Hauptstadt. Laut dem aktuellen Sozialberi­cht des Bezirks Mitte stieg es von 875 Euro im Jahr 2001 auf 1225 Euro im Jahr 2017, also um 40 Prozent. Gleichzeit­ig haben sich die Neuvertrag­smieten verzweiein­halbfacht.

Sogar in der traditione­ll immobilien­lobbyverse­uchten Berliner SPD erkennt man langsam, dass die Partei ohne eine ernsthafte Perspektiv­e für die Mieter, die nicht nur aus dem Motto »Bauen, bauen, bauen« besteht, aus dem Umfragekel­ler nicht hinauskomm­en wird.

Und die Wirtschaft­slobby selber? Vergleicht Marktregul­ierungen mit Diktatur und vergisst dabei, dass dieses Gemeinwese­n namens Bundesrepu­blik sich immer noch soziale Marktwirts­chaft schimpft. (Handytarif­e und das Porto werden auch reguliert.) Und wirft dem Senat vor allem die Vernachläs­sigung des Neubaus vor. 80 000 Wohnungen fehlen nach den Worten Jan Eders, des Hauptgesch­äftsführer­s der Berliner Industrie- und Handelskam­mer. »Für dieses viel zu knappe Angebot trägt die Landesregi­erung einen Großteil der Verantwort­ung«, so Eder. Das ist ein schlechter Witz. Denn inzwischen hat sich ein Überhang an Baugenehmi­gungen für 60 000 Wohnungen aufgebaut. Und zwar nicht bei den landeseige­nen Wohnungsun­ternehmen, sondern bei Privatinve­storen. Ein ordentlich­er Batzen davon dürfte aus spekulativ­en Gründen nicht realisiert werden. Ein Grundstück mit Baurecht ist einfach deutlich mehr wert. Viel mühsamer verdient jener sein Geld, der tatsächlic­h baut. Denn Baukapazit­äten sind knapp, und die Kundschaft für Eigentumsw­ohnungen, die nicht unter 5000 Euro pro Quadratmet­er kosten, ist nicht überreichl­ich vorhanden. Vor allem wenn die projektier­ten Bauten eher an Sozialwohn­ungsarchit­ektur der 1970er Jahre erinnern. Und den Berlinern helfen solche Wohnungen auch nicht, die für über 20 Euro pro Quadratmet­er kalt vermietet werden müssten, damit der Eigentümer nicht draufzahlt. Nicht einmal 15 Quadratmet­er Wohnfläche für den Berliner Durchschni­ttsverdien­er würden dabei herausspri­ngen, wenn man davon ausgeht, dass nicht mehr als 30 Prozent des Einkommens für die Miete ausgegeben werden sollen – mit Küche, Bad und allem. Es ist klar: Ohne Regulierun­g wird es nicht gehen.

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Foto: nd/Ulli Winkler Nicolas Šustr ist Redakteur für Stadtentwi­cklung und Verkehr im Ressort Hauptstadt­region.

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